Romane & Erzählungen
Save me - Teil 7

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"Vertrauen! Eine Bande geldgeiler Aufrührer sprach von Vertrauen?!"
Veröffentlicht am 21. Februar 2015, 34 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte. Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( ...
Vertrauen! Eine Bande geldgeiler Aufrührer sprach von Vertrauen?!

Save me - Teil 7

Kapitel 7

Draußen war es inzwischen fast dunkel geworden, aber hier in Berlin Mitte pulste das Großstadtleben um mich herum. Ich fühlte mich wie in einer dieser Werbeszenen, in denen jemand wie eingefroren dasteht und um ihn herum alles im Zeitraffer abläuft. Und plötzlich hatte ich Sehnsucht nach Zuhause, nach meinem richtigen Zuhause, dem Häuschen, das Jens ausgesucht hatte und das wir gemeinsam für unsere Bedürfnisse gestaltet hatten. Eine halbe Stunde später war ich dort, zum zweiten Mal an diesem Tag, aber allein. Wie ferngesteuert ging ich ins Wohnzimmer, steckte automatisch beide Handys an die Steckdose und bevor ich mich aufs Sofa warf, drückte ich auf

Play an der Stereoanlage, überließ es dem CD-Wechsellaufwerk, welche von den Lieblings-CDs meines Mannes es wiedergeben würde. Das 5. Klavierkonzert von Beethoven, natürlich. Hätten es nicht wenigstens die Beatles sein können? Doch seltsam, hier in der Dämmerung, mit meinen im Moment weit geöffneten Sinnen, spürte ich zum ersten Mal, was ihn so daran faszinierte und lauschte gebannt, ohne das Licht anzumachen. Statt dessen versank ich in der Musik und es war wie eine Umarmung meines Liebsten … Aus der mich plötzlich rüde mein klingelndes Telefon riss. Stimmt, ich hatte niemandem Bescheid gesagt und so wusste keiner, wo ich war. Schon während ich ran ging und beruhigend auf Vince einredete, schlüpfte ich in meine Schuhe und sammelte den Rest meiner

Siebensachen ein, zog Jens' Handy vom Stecker und gab auch hier gewohnheitsmäßig seine PIN ein. „Ja, Vincy-Bär”, neckte ich den besorgten Chilenen, „ich bin in Ordnung und ich komme auch gleich nach …, äh, komme in Kürze zu dir.” „Na das will ich dir auch geraten haben”, brummte der, „wir haben uns echt Sorgen um dich gemacht! Und Stan surft die ganze Zeit wie ein Wilder im Netz herum und telefoniert mir die Haare vom Kopf!” „Weiß ich und es tut mir ja auch leid, ich hab nicht nachgedacht ...”, entschuldigte ich mich weiter, wusste ja, seine kleine Predigt war nur Ausdruck seiner Sorge. In meiner anderen Hand piepte es und ich sah auf das Display, keuchte dann erschrocken auf. „Oh mein Gott!!!” „Cathy?! Alles in Ordnung?” Jetzt klang er

schon wieder panisch und aus dem Hintergrund hörte man Pfanni 'Was ist? Wo ist sie, geht es ihr gut?', japsen. „HALLO! Cat??!” „Ich ... ich bin okay”, seufzte ich, musste dann unter Tränen lachen. „Aber ich glaube, Stan wird in Kürze nicht mehr so viel Geld vertelefonieren müssen!” * Diesmal gönnte ich mir ein Taxi und trieb den danach gar nicht mehr so grantigen Taxifahrer mit der Aussicht auf eine hohe Extra-Gage zu ungeahnten Höchstleistungen an. Unterwegs las ich immer und immer wieder die Nachrichten auf dem Handy, welche mir im ersten Moment einen Riesenschrecken eingejagt hatte. Denn sie begann mit - - Schatz, bitte erschrick nicht! -

- Angesichts der Tatsache, dass Sabine sein Handy hatte, drehte sich mir beinahe der Magen um. Doch schon im nächsten Satz fuhr er fort: - - Cat, wir haben uns zwar gestritten, aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich. (…) - - Uff! Mir wurde klar, dass Jens schlicht und ergreifend – mal wieder – unsere Nummern verwechselt hatte. Vom selben Anbieter unterschieden sie sich nur in der letzten Zahl und Mr. Rockstar hatte seit jeher Probleme gehabt, sich die auswendig zu merken. Eingespeichert war sie natürlich, aber diesmal hatte er wohl aus dem Gedächtnis tippen müssen. Und war prompt bei seinem eigenen Handy gelandet, welches aber leider inaktiv in Sabines Handtasche vor sich hin dümpelte

…! Stan und die anderen Männer scharten sich um mich und wir lasen noch einmal die SMS: - - (…) Ich wollte nur, dass du das weißt … Dass du weißt, ich liebe dich nach wie vor … Nun muss ich leider zu etwas anderem kommen, bitte bleib ganz ruhig, aber ich befinde mich im Moment in der Hand einiger Rebellen, die der Regierung hier den Kampf angesagt haben. Allerdings hat einer der Männer in der BRD studiert und mich dummerweise erkannt. So bin ich leider nicht nur ein Pfand im Klassenkampf, sondern auch eine Kuh, die man gerne melken möchte. - - So typisch, seinen trockenen Humor hatte er auch unter den wachsamen Blicken seiner Entführer beim Schreiben dieser Nachricht nicht verloren! Er nannte im Folgenden eine

beträchtliche Summe, nach deren Zahlung man ihn frei lassen würde. Hatte ich also richtig gelegen! - - Sie wollen, dass ihr diese Nummer hier kontaktiert, ich denke, dann lässt sich alles schnell erledigen. - - An dieser Stelle war mir wieder der Schreck gehörig in die Glieder gefahren. Wie alt war die Nachricht eigentlich? Oh nein, die mussten ja denken, mein Mann wäre mir egal! Oh Gott, hoffentlich hatten sie ihm noch nichts angetan!! Für einen Moment wurde ich von einer erneuten Hasswelle auf diese Frau überrollt. Wenn sie sich nicht so in unser Leben gedrängt hätte, wäre auch das Handy nicht bei ihr gelandet und ich hätte schon viel früher Bescheid gewusst, bildete ich mir zumindest ein.

Es folgten einige Instruktionen und tatsächlich eine Telefonnummer. Ratlos sah ich die Männer an. Sollte ich da jetzt wirklich anrufen?!? Einfach wählen und sagen 'Tach auch, ich bin die Frau eines Ihrer Opfer, in wie kleinen Scheinen hätten Sie's denn gern?' !? Ich begann unkontrolliert zu zittern. Jens' Rettung war in diesem Moment so nah und doch so fern … Die beiden verbliebenen Bandmitglieder packten mich beinahe gleichzeitig, um mich zu beruhigen, Pfanni ließ dann von mir ab und überließ mich Vince, redete nur auf mich ein. Vince drückte mich ein Stück von sich weg. „Alles okay? Wenn du willst, kann ich auch da

anrufen.” „Oder ich”, bot sich auch Stan an, doch ich schüttelte mit neuer Energie den Kopf. „Nein, ist in Ordnung, das muss ich selber machen!”, sagte ich tapfer und nahm das Telefon an mich. Mit immer noch zitternden Händen wählte ich, doch als es klingelte, überkam mich eine unheimliche Ruhe. Endlich meldete sich eine harte Männerstimme mit einem knappen „Hola!” und ich antwortete ebenso. Die anderen hörten über Lautsprecher mit. „Who are you?”, fragte die Stimme herrisch, doch ich blieb im Spanischen (hier ins Deutsche übersetzt*). „Mein Name ist Catherine Kosim. Und ich würde gerne mit meinem Mann reden .” Sicher, es war unwahrscheinlich, dass mir diese

Bitte erfüllt wurde, aber … Ein leises höhnisches Lachen war prompt die Antwort, dann sagte der Mann „Ihnen ist klar, dass das nicht geht? Aber es geht ihm gut, keine Sorge.” „Aber - Gibt es einen Beweis dafür?” „Den bekommen Sie, wenn wir Ihnen vertrauen!” Vertrauen! Eine Bande geldgeiler Aufrührer, welche die Kohle vermutlich nicht mal für 'gute' Zwecke verwenden würden, sprach von Vertrauen?! Ich fühlte plötzlich eine Hand, die meine freie drückte, es war Stan, der mich flehentlich anschaute. Tief luftholend zwang ich mich weiter zur Ruhe und fragte „Okay, was muss ich dafür tun?” „Erstens: Keine Polizei. Zweitens: Schicken Sie uns ein Foto von sich.” Sieh an, die Entführer waren auf dem neuesten Stand der Technik. Ich nahm an, mit dem Foto würden sie sozusagen Rücksprache mit der

Geißel halten, um die Person zu autorisieren. Wie sinnvoll das war, kann ich nicht sagen, das Foto könnte ja von wer weiß woher stammen, jedoch gingen die Kerle wahrscheinlich davon aus, dass nur ein Angehöriger diese Show wirklich mitmachen würde. Was weiß ich! Meine einzige Hoffnung war, dass ich so meinen Mann zurück bekommen würde!! Ich ließ mich also von Pfanni knipsen und versandte es an die andere Nummer. Ein paar Minuten später klingelte das Handy wieder. Himmel, Jens hatte immer noch unser Lied als Klingelton, 'Haunted' von Shane MacGowan und Sinhead O'Connor – das tollste Liebeslied der Welt! Entsprechend war meine Gemütslage, als ich wieder ran ging. „Gut, wir haben ihr Foto und werden uns in

Kürze wieder melden”, sagte die kalte Stimme, dann war sie auch schon wieder weg. Ratlos sahen wir uns an, dann wischte sich Pfanni mit der Hand übers Gesicht. „Ich weiß nicht, wie's euch geht, aber ich könnte jetzt einen Drink vertragen!” Tja, da konnte ich ihm nur zustimmen! Deswegen hockten wir uns ins Wohnzimmer, wo wir immer noch saßen und diskutierten, als Jerôme von einer Fotosession nach Hause kam. Es war so süß zu sehen, wie liebevoll er und Vince sich begrüßten! Wenigstens ein Pärchen in meiner Nähe, dem es richtig gut ging. Naja, den meisten anderen ging es ja auch gut, auch Pfanni hatte sich gut im Familienleben eingefunden, aber die Zwei hier hatte ich nun mal gerade vor der Nase. Plötzlich spürte ich, wie jemand den Arm um

meine Schulter legte. „He, nicht so grübeln, Katy, wir sind doch auf dem besten Weg!” Es war Stan, der mich aufmunternd drückte. Ich lächelte matt zurück. „Wollen wir's mal hoffen!” „Na hör mal, so weit waren wir vor zwei Stunden noch nicht!”, widersprach er und da hatte er ja eigentlich Recht. „Stimmt auch wieder. Aber jetzt müssen wir wieder warten ….” Und erneut war ich den Tränen nahe. „Ich weiß”, nuschelte er und drückte mich wieder, ich konnte nicht anders, ich ließ mich kraftlos gegen seine Brust sinken und drückte mein Gesicht dagegen. Roch er nicht sogar ein bisschen wie sein Vater? Für einen Moment verlor ich mich in der Illusion, dann stemmte ich mich energisch von Stanley fort und ignorierte seinen Gesichtsausdruck. „Ich hab Hunger!”, flutschte mir ohne

Nachzudenken raus und Vince lachte. „Sie isst wieder, na Gottseidank!” Wir ließen uns Pizza kommen, die gerade geliefert wurde, als endlich auch Niels nach Hause kam. Er war so begeistert von den News, dass er sogar spontan Stan umarmte! Es stimmt wohl, harte Zeiten bringen einen zusammen … Insgesamt ging der Abend aber nicht lange, wir waren zu ausgelaugt. Und am nächsten Tag ging das Warten weiter. Schon in der Nacht hatte mich jedes Knarren einer Diele oder ein sonstiges Geräusch aufgeschreckt. Statt zu schlafen, las ich lieber immer und immer wieder die Nachrichten, die sich noch auf dem Handy befanden und die ich den anderen nicht gezeigt hatte.

Denn natürlich waren da noch andere, nachdem auf die erste keine Antwort kam … - - Cat, Darling, ich weiß, meine letzte Nachricht war seltsam, aber sie war kein Scherz. Leider. Diese Typen hier wollen Lösegeld für mich also von dir, deswegen ruf doch bitte diese Nummer an. Hab keine Angst, ich find's ja auch nicht toll, aber mit der Aussicht darauf, dich bald wieder zu sehen ist mir das Geld sowas von wurscht, und dir auch, das weiß ich. Jetzt weißt du Bescheid. Ich liebe dich. Dein Jens. - - Verdammt, was musste er nur gedacht haben! Jedenfalls nach dieser zweiten Nachricht, als immer noch nichts passierte

…. - - Catherine, warum antwortest du mir nicht? Du kannst doch nicht SO böse auf mich sein!! Das hier ist echt kein Gag und ich würde es schätzen, wenn du mir hilfst. Egal, was war, du musst mich auslösen, damit wir zumindest darüber reden können. Oder brauchst du einen Beweis dafür, dass ich es bin? - - Wie befürchtet; er zweifelte an mir, aber wer hätte das in dieser Situation nicht?! Das war der Grund für etwas gewesen, was ich dem Foto noch hinzu gefügt hatte, ohne dass die Anderen es bemerkten: 'Por favor dile a mi marido que lo amo! Y que he recibido la noticia antes de lo que es hoy.' ('Bitte sagen sie meinem Mann, dass ich ihn liebe! Und dass ich

die Nachricht nicht eher bekommen habe.') Oh, hoffentlich richteten sie ihm wenigstens das aus! Jens' Nachricht ging weiter - - Kitty, ich nenne hier einen Namen, der nur dir und mir etwas sagen wird: Judith. Nun weißt du, ich bin es. Bitte leite alles nötige in die Wege. IlD! Dein Jens- - Hätte ich noch gezweifelt, nun wäre alles klar gewesen. Denn den komischen Namen für das Kind, das ich ungewollt hatte austragen müssen, den kannten wirklich nur er und ich! Diese letzte Nachricht war noch nicht allzu alt, ich konnte nur hoffen, dass ich nun endlich rechtzeitig reagiert hatte, um Jens' Vertrauen in mich nicht endgültig zu

erschüttern. Den ganzen Tag über wurde meine Geduld, unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt. Gegen Abend grollte Pfanni laut, die Bande solle sich endlich melden, weil er so langsam wieder zurück zu Susanne und Bob musste, er wollte seine Freundin nicht so lange mit dem lebhaften Jungen alleine lassen, wenn er nicht gerade auf Tour war. Wie auf's Stichwort piepte da wieder das Handy! Wir stürzten wie ein Mann zu dem Gerät, welches eine SMS anzeigte. Als ich diese öffnete, traf mich der Anblick wie ein Schlag, obwohl wir ja ähnliches erwartet hatten. Es war ein Foto von Jens, der die obligatorische

Tageszeitung zum Beweis der Aktualität vor seiner Brust hielt. Er lebte! Jens lebte, sah zwar etwas ausgemergelt aus und blickte konzentriert, ja ernst in die Kamera … aber er war am Leben!! Und war da nicht ein … Glimmen in seinen Augen?! Nicht nur ein Zeichen der nun wieder erweckten Hoffnung, nein, bildete ich mir ein, auch etwas wie Rührung, Zärtlichkeit, Liebe … Für mich war sein Blick fast eine Liebeserklärung – 'Alles wird gut!', stand darin. Verdammt, ich würde alle Hebel in Bewegung setzen, um ihn wieder zu bekommen, das schwor ich mir in diesem Moment! Mein blonder Schutzengel hatte mich damals aus diesem Rattenloch befreit und diesmal war

es an mir, dasselbe für ihn zu tun!! * * * Mit einem kleinen Schrei schreckte ich auf und war im ersten Moment total desorientiert. Dann erinnerte mich der Druck auf den Ohren, dass ich im Flugzeug nach Bogotá saß, anscheinend hatte der Landeanflug bereits eingesetzt. Ich zwang mich, tief durch zu atmen, doch die Panik gewann trotzdem Oberhand. Deswegen hatte ich wohl auch diesen Alptraum gehabt, die Angst war seit ein paar Tagen wieder omnipräsent. Warum? Der ersten SMS mit dem Bild war eine zweite gefolgt, in der die geforderte Summe stand. Der

Betrag war mir dabei so was von scheiß egal, es hätte auch das Doppelte sein können. Wenn ich dafür bald meinen blonden Gott wieder in die Arme schließen konnte! Dazu kamen die Bedingungen für die Übergabe. Da wurde es dann recht abenteuerlich, denn letztere fand auf einem kaum frequentierten Autobahnparkplatz entlang der alten Transitstrecke statt. Es überraschte mich nicht, dass die Entführer hier in Deutschland Mittelsmänner oder Sympathisanten hatten, mir doch egal, wie sie das Geld außer Landes kriegen würden. Wir mussten das Bargeld in eine genau beschriebene Plastiktüte stecken, den Beutel in einem gekennzeichneten Mülleimer versenken und dann auf schnellstem Wege das Weite suchen. Danach begann das bange Warten, ob denn alles geklappt hatte, doch die Kerle

stellten uns auf eine harte Probe. Es dauerte nämlich zwei weitere Tage, bis wir wieder eine knappe SMS bekamen: „Buena. Usted oirá de nosotros. ” (Gut. Sie werden von uns hören.) war die äußerst dürre Mitteilung, die uns einmal mehr verwirrt zurück ließ. Pfanni hatte wieder nach Hamburg gemusst, rief aber jeden Tag an, bis ich ihn bat, das nicht mehr zu tun. So gut er es auch meinte, das Klingeln riss speziell mich jedes Mal vom Sitz. Viel draußen herum laufen konnte ich auch nicht, denn offiziell war ich krank gemeldet, angeblich ein geheimnisvoller afrikanischer Virus, der die Tiere gefährden könnte, deswegen fragte man auch nicht groß nach. Dafür war ich wieder nach Hause gezogen, fand inzwischen einen gewissen Trost in der vertrauten Umgebung, allein war ich ja auch nicht und Julia

besuchte mich jeden Tag. Ansonsten zwang ich mich zur Geduld. Irgendwie ging ich davon aus, dass die Guerilla trotz oder gerade wegen ihres Kampfes für die gerechte Sache letztendlich Ehrenmänner waren und ihr Versprechen einhalten würden. Aber geht es einem mit Zauberern nicht ähnlich? Glaubt man da nicht auch wenigstens an einen ganz genial erdachten Trick und ist hinterher enttäuscht über die Banalität der Illusion?! Jedoch, es herrschte Funkstille und uns war einfach nicht klar, wie genau es nun weiter gehen sollte. Nichts. Keine SMS mehr, keine Anrufe. Als die Tage ohne Nachricht immer mehr

wurden, wagte ich es, eine SMS zu schicken, ohne Erfolg. Schon wesentlich verzweifelter versuchte ich einen Anruf, doch der wurde vom Provider abgeblockt! An diesem Abend war ich unendlich froh, Stanley bei mir zu haben. Meinen Bruder in allen Ehren, aber Stan war ein erwachsener Mann, an den ich mich in dieser Situation viel besser anlehnen konnte, als an den jüngeren, der seine Sorge allzu offen vor sich her trug. Nicht, dass Stan nicht auch Angst gehabt hätte, aber er konnte diese viel besser unter Kontrolle halten. In seinem Job als Auslandskorrespondent, den er im Moment ruhen ließ, war er schon in vielen Krisengebieten unterwegs gewesen und hatte dort gelernt, seine Gefühle zu beherrschen. Etwas, was mir nach diesem Fehlschlag leider nicht

gelang! Es platzte einfach aus mir heraus, ein geradezu hysterisches Weinen, aber ich hatte nicht einmal mehr die Kraft, mich dafür zu schämen. Und Stanley schien dafür auch keinen Grund zu sehen, er tröstete mich liebevoll, hielt mich lange fest, bis meine Tränen dann doch endlich versiegten und steckte mich hinterher mit Tee versorgt ins Bett. Als er sich an der Tür noch einmal nach mir umdrehte, sah ich etwas in seinem Gesicht aufblitzen und nun schämte ich mich doch noch. Es war schließlich sein Vater, der da in ungewisser Gefahr schwebte, Stan war nicht irgendein Freund, der extra für mich da war, nein, er war ja selber aufs intimste betroffen! „Stan?”, hielt ich ihn deshalb auf. „Ja?”, fragte er und drehte sich komplett um. „Komm mal her”, bat ich und klopfte auf das

Bett neben mir. Er kam mit den typisch hochgezogenen Kosim-Augenbrauen, worüber ich fast schon wieder lachen musste. Aber nur fast. Auf meine weitere Geste hin hockte er sich zu mir und ich nahm seine Hand in meine. „Wie geht es dir denn eigentlich?” „Gut, ich meine, ich bin in Ordnung, warum ...” „Weil ich dir hier die Ohren voll jammere, als wäre es allein mein Kummer. Aber du sorgst dich doch auch, oder?” „Naja, ich denke, es wird sich schon richten ...”, murmelte er ausweichend, doch ich drückte seine Hand. „Sei ehrlich!”, bat ich und ein leidender Ausdruck ging über sein Gesicht, dann schloss er kurz die Augen. Mit der freien Hand fuhr er sich durch die Haare und seufzte dann laut auf. „Weißt du, es war nicht einfach, mit so einem

beschäftigten Vater, der nicht allzu oft vorbei geschaut hat. Aber WENN er dann da war, hat er mir seine Zeit voll und ganz gewidmet und das war etwas, was die meisten anderen Jungen nicht von sich behaupten konnten. Ich bin so gerne hier bei euch und ich liebe … ja, ich liebe meinen Dad! Ich hoffe nur ...” Seine Stimme wurde leiser, bis sie fast verstummte. Oh, ich konnte ihn so gut nachvollziehen, seinen Kummer, teilte ich ihn doch! Vorsichtig griff ich nach ihm und zog seinen Kopf an meine Schulter. „Ich bin davon überzeugt, dass alles gut werden wird!”, flüsterte ich und strich ihm tröstend über die Haare. Wir waren zwar eigentlich gleich alt, aber in diesem Moment fühlte ich mich wirklich wie seine Stiefmami, als er sich mit einem tiefen Seufzer endlich ein bisschen entspannte.

Tags drauf kam Niels mit einer Idee zu mir. In seinem Freundeskreis war eine geniale Hackerin, die sich auf das Maskieren von Telefonnummern spezialisiert hatte. „Kitty, das bedeutet, du könntest mit einer Nummer anrufen, die nicht nach Deutschland aussieht!”, erklärte er aufgeregt und ich erkannte die Idee dahinter. Mit etwas Glück würde jemand am anderen Ende der Leitung sich sicher genug fühlen, doch mal endlich dran zu gehen …Na, mehr als auflegen konnte er nicht, oder gar nicht dran gehen. Niels rief seine Freundin an und die richtete die entsprechenden Maßnahmen und Einstellungen ein, dann holte ich tief Luft und wählte. Es klingelte quälend oft, aber immerhin, es klingelte, der Anruf wurde nicht sofort

abgeblockt! Fast erschreckte ich mich, als endlich jemand dran ging. Es war die gleiche Männerstimme wie bisher, sie herrschte mich an, wer ich denn sei und was ich denn wolle. „Hier ist Catherine Kosim, ich-” Total bescheuert, aber mir rutschte dann einfach heraus: „Ich will meinen Mann zurück, ihr-” Den Rest konnte ich mir grad noch verkneifen, bei seinem Hohnlachen, welches nun einsetzte, hätte er es aber wahrscheinlich eh nicht verstanden. „Lo siento”, sagte er dann, „Señora Kosim, ahora Yo no puedo ayudarle en algo mas ...” Dann legte er auf und zum Glück war Niels so geistesgegenwärtig, mich aufzufangen. Was sollte das heißen, 'da kann ich nichts mehr für Sie tun'

?!?! Auf dem Boden sitzend, den Kopf zwischen den Knien kam ich langsam wieder zu mir, brach aber sofort in Tränen aus. „Er ist tot!”, schluchzte ich, „Irgendwas ist schief gegangen und sie haben ihn umgebracht!” „Nein!”, rief nun Niels, der mich kräftig schüttelte. „Das glaube ich einfach nicht! Das muss etwas anderes zu bedeuten haben!!” Sofort klammerte ich mich an dieses Fünkchen Hoffnung. „Meinst du? Aber wollen sie uns vielleicht betrügen? Wollen noch mehr Geld aus uns heraus pressen?!?” Geschäftig sprang ich auf. „Ich kann noch mehr flüssig machen, ich muss nur-” „Sch, sch”, machte mein Stiefsohn, „jetzt warte doch erst mal ab. Was hat er gesagt? ' Ahora Yo no puedo ayudarle en algo mas' – 'Jetzt kann ich nichts mehr für sie tun' Aber er hat das jetzt

und das ich sehr stark betont.” „Ja und?” „Damit wollte er etwas sagen, verstehst du?” Mit erzwungener Geduld schloss ich kurz die Augen und murrte dann „Aha, und was bitte?!” „Kann ich dir auch noch nicht sagen. Aber wenn du mir zwei Stunden Zeit lässt, finde ich es heraus!” Er schaffte es sogar schneller, hatte seine guten Kontakte wieder genutzt und als er uns die Neuigkeiten mitteilte, fiel ich ihm jubelnd um den Hals. Es gab wieder Hoffnung! „Oh Stan, du bist der Größte. Wenn ich dich nicht hätte!” Er drückte mich fest und murmelte etwas, das ich nicht verstand. „Was?” „Unwichtig”, gab er zurück. „Was machen wir jetzt?!” „Na ist doch klar”, rief ich, „ich fliege nach

Kolumbien!” Tja, und da war ich nun fast, im Landeanflug auf Bogotá, mit ungewisser Hoffnung und noch ungewisseren Plänen, aber endlich wieder aktiv. Ich war kein Opfer mehr in diesem Moment, einmal mehr nahm ich mein, nahm ich unser Schicksal in die Hand!


* * * * * * * * * * * * * * * * * * *



*Hier noch die spanische Version, falls jemand sie korrigieren möchte! „Mi nombre es Catherine Kosim y me gustaría hablar con mi marido.” „Es claro que esto es imposible, eh? Pero está bien, no te preocupes.” „Pero - hay alguna

prueba?” „Obtendrá, si confiamos en ti!” „Bien, qué debo hacer?” „En primer lugar, ningún policia! En segundo lugar, envíanos una foto de sí mismo.” „Bueno, tenemos su foto y se comunicará con usted otra vez.”  

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Hörbuch

Über den Autor

QueenMaud
Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte.

Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( http://www.amazon.de/Verrat-und-Vertrauen-ebook/dp/B007OH3DXI/ref=sr_1_1?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1332863393&sr=1-1 ), vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen ... Eine Leseprobe von "Verrat und Vertrauen" findet ihr auch in meiner Bücherliste.

Ansonsten gebe ich zu, eher einen Hang zum Happy-Ending zu haben, aber auch nicht immer, wie die Leser meines "Klassentreffen" sicher bestätigen können :-)

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QueenMaud Hier geht's weiter:
http://www.mystorys.de/b125984-Romane-und-Erzaehlungen-Save-me--Teil-8.htm

Und hier hat es insgesamt beggonen:
http://www.mystorys.de/b113998-Romane-und-Erzaehlungen-Lebensretter--Die-Gesamtausgabe.htm

LG
QueenMaud
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QueenMaud Der Link zum Video
https://www.youtube.com/watch?v=_q7307IWwr4

Link zum ersten Teil
http://www.mystorys.de/b124242-Romane-und-Erzaehlungen-Save-me--Teil-1.htm

LG
QueenMaud
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