Wer auf meine Profilbeschreibung blickt, der wird jetzt denken, dass ich eine bedeutungsschwangere Definition herunter schreibe und das war es dann. Immerhin kennen viele aus Schule oder Studium das doch. Es wird ein Begriff eindeutig definiert, das lernt man auswendig und wenn man gut ist dann kann man diese Definition auch noch selbst hinterfragen. Auch könnte man das hier annehmen, denn Recht ist ja das Handwerkszeug des Juristen. Wir haben ja nichts anderes als unsere Gesetzesbücher. Also muss es uns doch ganz klar sein, was
das ist, mit dem wir da jeden Tag hantieren. Jetzt kommt die Krux am Ganzen; dem ist nicht so! Juristen arbeiten mit Normen, deren Inhalt ihnen mehr oder minder bekannt ist, je nachdem wie oft sie damit zu tun haben und was sie hauptberuflich tun. Aber abgesehen von der Frage welchen Inhalt z.B. die Mordlust in § 211 I StGB hat herrscht bei der Beantwortung der titelgebenden Frage eine gewisse Hilflosigkeit. Es ist in der Tat so, dass uns dies nie wirklich erklärt wird, abgesehen von Grundlagenveranstaltungen im ersten Semester, die aber eh kaum jemand wirklich ernst nimmt. Zudem eine
dumme Frage wenn man betrachtet, was man denn im Examen wissen muss. Da geht es um die Normen, wie sie sich darstellen, deren Inhalt und Zusammenhänge, Definitionen, Meinungsstreite, etc. Aber diese Frage, die stellt kaum jemand, höchstens in der Mündlichen und selbst dann entscheidet diese Frage nicht, sondern ist ein bloßer Punktelieferant. Wer also sonst wirklich Ahnung von Jura hat, der vergibt nicht viel, wenn er das nicht weiß. Trotzdem ist es unbefriedigend diese Frage nicht beantworten zu können. Wenn man dann die Literatur betrachtet wird man feststellen, dass es in der Tat auch keine eindeutige Antwort gibt. Es
gibt tastende Versuche (zu nennen u.a. Zippelius, Rechtsphilosophie) und Andere, die sich mit der Ideengeschichte sehr intensiv beschäftigen, jedoch die Grundfrage schlechthin unbeantwortet lassen (u.a. das sehr gute Buch von Braun, Einführung in die Rechtsphilosophie). Wirklich eindeutig ist das Ergebnis wohl nie ausgefallen. An der Methode von Zippelius will ich mich orientieren aber es handwerklich besser anstellen als er, welcher es in meinen Augen sehr unfertig getan hat. Entschuldigen will ich mich an dieser Stelle für die unwissenschaftliche Arbeitsweise, dass ich mein Wissen nicht
mit Zitaten belege. Da es momentan ein Text für mystorys ist hoffe ich aber, dass man es mir nachsieht.
Natürlich will ich mich hier nicht anschicken und Vollständigkeit repräsentieren, das dürfte in der Tat niemandem wahrlich gelingen. Dennoch gibt es ein paar große Eckpfeiler; Rechtssicherheit, Rechtsfriede, Freiheit. Was meine ich mit diesen großen Worten? Rechtssicherheit selbst bedeutet dass man, zumindest laienhaft, den Gesetzen entnehmen muss, wann man überhaupt rechtlich belangt werden kann und wann wohl der Punkt gekommen ist, dass man nicht mehr behelligt wird. Dazu gehört dann auch das Bestimmtheitsgebot was
nichts anderes aussagt, als dass Gesetze zumindest so ausgestaltet sein müssen, dass der Fachmann (Jurist) aus ihnen ablesen kann ob und wenn ja ob man noch rechtlich belangt werden kann. An dieser Stelle muss bereits gesagt werden dass Recht von Juristen für Juristen geschrieben wird und es sich bestimmte trennscharfe Termini herausgebildet haben, welche dem Laien rätselhaft erscheinen. Aber leider geht es ohne diese schlechterdings nicht. Sonst müssten heute sehr knappe aber zugleich präzise Gesetze ausufernd groß werden, sollten sie auch Laien erklärt werden. Solche Monstren finden sich beispielsweise in der ZPO und tragen auf
beiden Seiten wenig zum Verständnis bei. Mit der Rechtssicherheit korrespondiert eng der Begriff des Rechtsfriedens. Ab einem gewissen Punkt muss auch mal Schluss sein, man sicher sein vor rechtlichen Angriffen von Dritten und sich dessen, was man hat, sicher sein. Beziehungsweise muss man, wenn Dritte doch auf die Idee kommen sollten einen nach längerer Zeit immer noch zu belästigen, dass man dagegen valide Mittel hat. Freiheit bedeutet in diesem Zusammenhang die freie Entfaltung des Einzelnen, in allen möglichen Formen. Diese muss soweit ermöglicht werden,
wie es nur geht. Das Recht gesteht einem jeden diesen Freiraum zu und muss dafür Sorge tragen dass zwischen Gleichen kein Ungleichgewicht entsteht was ihre Freiheiten betrifft. Natürlich werden Juristen mir entgegenhalten, dass dies alles sehr allgemein sei aber ja, wir wollen ja möglichst auch am allgemeinen Begriff bleiben. Aus diesen 3 Funktionen (es gibt sicherlich mehr, wenn man stärker differenziert) lässt sich schon eines genau ablesen; Recht wird aus der Konfliktlage geboren. Kant hat in seiner Metaphysik der Sitten im ersten Teil (Recht) beschrieben, dass
die bürgerliche Gesellschaft aus einer Konfliktlage heraus entsteht. Da treffen nun 2 Parteien aufeinander, die beide Land in Anspruch nehmen, beide an einem Ende ihres Besitzes (Eigentum gibt es im Vorgesellschaftlichen Zustand noch nicht was eine allgemeine und anzuerkennende philosophische herrschende Meinung darstellt) wollen beide ein gewisses Stück jeweils für sich beanspruchen. Nun muss ein Dritter (Richter) herzu um diesen Konflikt zu lösen und zugleich werden die Verhältnisse zementiert oder anders gesagt; aus dem bisherigen bloßen Besitz wird scharf abgegrenztes Eigentum, von dem der Nichteigentümer
ausgeschlossen ist. Zugleich garantiert der Richter, dass man sich immer an ihn wenden kann bei einem weiteren Konflikt und zugleich garantieren die Parteien sich, dass notfalls mit Zwang dieser Rechtsspruch durchgesetzt werden kann bei Zuwiderhandlung. Nach Kant ist jetzt der Staat geboren d.h. das Privatrecht und dessen Konflikte fallen mit der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft zusammen. Was soll das zeigen? Recht soll jedem das Seine sichern. Recht ist somit jede Norm, die Konflikte zwischen Parteien dergestalt löst dass beide ihre individuellen Freiheiten, welche in Ausgleich zu bringen sind, so
weit als möglich ausleben dürfen ohne den Anderen dabei über die Maße zu strapazieren. Dabei schafft es Recht, dass das, was man durch Richterspruch zugesprochen bekam bzw. auf dem Boden des Rechts erhielt auch als sein Eigen bezeichnen kann und Andere und deren eventuell bestehenden Ansprüche abwehren kann. Das schafft auch den ersehnten Frieden, denn jeder, der dieser gesicherten Ordnung zuwider handelt, der wird durch das Recht bestraft. Das kann strafrechtlich, zivilrechtlich oder gar beides sein. Recht zwingt uns dazu anzuerkennen, dass das, was der Andere hat auch
seines ist und ich es ihm nicht gegen seinen Willen entziehen darf. Zudem bedeutet dies aber auch, wird mir etwas genommen, so darf ich es mir wiederholen mit den Mitteln des Rechts selbstverständlich. Als man in die Gesellschaft eingetreten ist hat man sich dazu verpflichtet die Lösung von rechtlichen Disputen dem Richter zu überlassen. Recht überwindet somit den unsicheren Zustand, in dem wir uns unseres Besitzes und unseres Lebens nicht sicher sein können und konstituiert somit zugleich das gedeihliche Zusammensein unter den Menschen.
Sind wir nun einmal soweit haben wir zwar beantwortet was Recht machen soll aber wir haben noch nicht beantwortet wie es ausgestaltet werden soll, damit wir es wirklich Recht nennen können. Denn Recht entfaltet keine Wirkung aus sich selbst heraus. Als erste Bedingung muss gelten, dass Recht durchsetzbar sein muss. Was nützt die beste Konfliktregelung wenn es niemanden gibt, der sie durchsetzen kann? Papiertiger haben wir dann, in Ländern wie Indien leider traurige Wirklichkeit. Der Staat muss
Zwangsmittel haben, welche selbst den Geboten unterworfen sind, an denen wir Recht messen. Denn auch hier sind wir in einer Konfliktlage nämlich Staat gegen Bürger. Auch dieser Konflikt, diesmal ungleicher Parteien, muss ebenso mit Bedacht gelöst werden sodass dem Bürger seine Freiheitssphäre nicht mehr als nötig verkürzt wird. Zudem muss auch dem Bürger die Möglichkeit offen stehen gegen die andere Partei (Staat) einen Richtspruch erzielen zu dürfen. Der Staat ist nicht deshalb, weil er es ist, aus diesem oben beschriebenen System heraus, denn sonst würden die 3 großen Funktionen in diesem Verhältnis verloren gehen,
würde man den Staat nicht ebenso binden. Weiterhin ist aber fraglich wer und wie bestimmt wird was überhaupt Recht ist. Nach dem oben Gesagten kann man, je nachdem welche Intention man hinter das Recht setzt, sehr mehrwürdige Regelungen treffen. So kann man einen farbigen Menschen als minderwertig gegenüber einem Weißen ansehen. Dann könnte man ein Gesetz erlassen, welches Farbigen verbietet zu wählen. Das würde die Konfliktfrage, wer wählen darf, lösen. Zugegeben, extrem einseitig. Aber jeder Farbige wüsste, dass er nicht mehr zur Wahlurne gehen muss. Ob der gesellschaftliche Friede
damit nicht gefährdet wird ist jedoch schon zweifelhaft. Aus dem gesagten folgt, dass alles recht die Rückbindung an bedeutende Grundwerte bedarf, welche für jeden Bürger gelten oder noch universeller, die (zumindest Einige) für alle Menschen gleichermaßen gelten. Hieraus hat sich lange die Frage entzündet ob man alles Recht nicht aus einer obersten Norm ableiten könne. Das sei hier nur erwähnt, der Streit ist sehr alt und heutzutage scheint festzustehen, dass dieser Versuch wohl unmöglich ist. Das Menschliche Zusammenleben ist zu vielgestaltig, die notwendigen Regelungen zu vielgestaltig als dass man
alle in ihrem Kern auf einen obersten Wert zurückführen könnte. Gruppen sind bildbar, sie mögen sich partiell auch überschneiden, aber eine absolute Übernorm, die gibt es wohl nicht. Das bedeutet die zweite Bedingung ist, dass es einen grundlegenden Wertekatalog gibt, an dem sich alles Recht orientiert und auch zu messen hat. Dieser sollte möglichst nur Solche enthalten, die für alle Menschen gleichermaßen gelten (Menschenrechte). Dies schließt solche Wertevorstellungen aus, die von den anderen Menschen nicht geteilt werden, wie die Überlegenheit der sog. „arischen Rasse“.
Dabei bleibt aber noch die Frage wer denn überhaupt bestimmt was Recht ist. In der menschlichen Geschichte haben sich verschiedene Modelle herausgearbeitet, bei denen Gesetze am Ende herauskamen. Aber man muss auch hier wieder nach dem möglichst optimal Realisierbaren suchen. Klar dürfte sein, dass möglichst viele Menschen einbezogen sein müssen, was Systeme ausschließt bei dem einer oder nur Wenige entscheiden, was überhaupt Recht werden soll. Es bleiben nur die direkte Demokratie und die Repräsentation. Ersteres mag besonders reizvoll sein, jedoch stößt es an seine
Grenzen, je größer das Volk wird. Zudem setzt es ein besonders politisch gebildetes Volk voraus, welches sich nicht von kurzzeitigen Stürmen aus den Fugen reißen lässt. Ist also eher für kleinere Staaten geeignet. Die Repräsentation dagegen erfasst nicht eine ebenso große Zahl von Bürgern. Wichtig ist hierbei, dass alle diejenigen, die das Volk repräsentieren, dann auch im Entscheidungsprozess beteiligt sind. Weiterhin müssen weitere Fachstimmen hörbar sein im Verfahren um weitere Sichten der Dinge in den gesamten Prozess einzubeziehen. Somit kann sichergestellt werden, dass jede relevante Meinung innerhalb der
Gesellschaft gehört und beachtet wird. Die Repräsentation ist demnach das auch in größeren und pluraleren Staaten besser anwendbare System. Bedingung drei ist somit, dass in einem direkten oder repräsentativen System der oben genannten Prägungen, Gesetze erlassen werden. Dabei sind alle Diskursparteien an die Grundwerte gebunden d.h. niemand kann etwas als Recht für alle Zeit verbindlich erklären, was diesen obersten Werten widerspricht. Denn nur solche Normen, die mit dem übereinstimmen, was allen Menschen zusteht aufgrund ihres eigenen Menschseins, das kann auch Recht sein.
Daran schließt sich Bedingung vier an, dass diejenigen, deren Meinung nicht Gesetz wurde, also die Minderheit, verschiedene durchsetzbare Arten haben muss sich gegen das Diktat der Mehrheit zur Wehr zu setzen. Insbesondere dann, wenn die Mehrheit doch oberste Werte verletzt.
Was ist nach alledem also Recht? Recht ist jede Norm, welche Konflikte zwischen Parteien dergestalt löst, dass beide ihre Freiheit auch danach noch soweit wie möglich ausleben können. Die Sicherheit dessen, was der eigenen Rechtssphäre zugeordnet ist muss jedermann über einen Richtspruch mithilfe staatlichen Zwangs durchsetzen können auch gegen den Staat selbst. Dabei kann man diese Normen nur als „Recht“ bezeichnen, die unter den folgenden rechtsstaatlichen Bedingungen geschaffen worden sind: Sie sind durch ein direktes oder repräsentatives
Gesetzgebungsverfahren geschaffen worden, wo jede gesellschaftlich relevante Gruppe sich äußern darf und dabei jeder an oberste Werte gebunden ist, welche für alle Menschen gelten. Überdies hinaus müssen alle Normen, die diesen Anforderungen nicht genügen, mit rechtlichen Mitteln beseitigbar sein. Das war ein etwas längerer Weg als man wohl zu Anfang denken mochte. Sicherlich kann man darüber ein ganzes Buch schrieben, ausgehend von meinen bescheidenen und sehr kurzen Überlegungen. Aber dies ist mein Standpunkt, was Recht ist und was es leisten
muss.