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Die Hochzeit meines Sohnes

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"Er ist so anders. So viel besser. Ein Vorzeigesohn."
Veröffentlicht am 18. Februar 2015, 10 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Er ist so anders. So viel besser. Ein Vorzeigesohn.

Die Hochzeit meines Sohnes

Titel

Bloß nicht heulen. Dies ist der große Tag deines Sohnes. Vielleicht doch ein paar Tränen? Vor fast zwanzig Jahren stand ich auch da. Wie er, hatten wir auch nur ganz wenige Leute eingeladen. Warum ein riesen Aufriss machen? Dieser Tag gehört nur zwei Menschen. Und nur auserwählte Personen dürfen dabei sein. Er macht es richtig so. Hoffentlich hält seine Ehe besser, als meine. Seine Frau macht einen sehr guten Eindruck. Stark und Intelligent. Sie benutzt ihren Kopf. Ihr wurde es auch so beigebracht. Im Gegensatz zu uns. Für meine Oma wurde

ich nie erwachsen. Bis zu ihrem Tode blieb ich ein kleiner, dummer Junge. Zumindest kommt es mir, im Nachhinein, so vor. Aber wenigstens hatte sie mich beachtet und mit mir geredet. Ihr habe ich es zu verdanken, das ich eine Lehrstelle bekam. Denn sie hatte sich um ich gekümmert. Meine Frau hatte es noch schwieriger gehabt. Was sie durchleiden musste in ihrer Kindheit und ihrer Jugend, ist für mich unfassbar. Das man ihrer Mutter nicht die Kinder weggenommen hatte, begreife ich bis heute nicht. Wie gern würde ich diesen Moment mit ihr teilen. Leider liegt sie im Krankenhaus. Sie wollte ja nie auf mich

hören. Nun hat sie, wieder einmal, den Salat. Und trotzdem liebe ich sie. Trotz allem, was gewesen war. Ich konnte sie nie richtig hassen. Ganz egal, was sie auch getan hatte. Weil ich wusste, das sie nichts wusste. Es nicht anders gelernt hatte und es ihr schwer fiel, es zu lernen. Sie hatte einen zu großen, irreparablen Schaden aus ihrer Kindheit und Jugendzeit. Ich war auch leicht geschädigt. Hilflos. Keiner sah, was ich sah. Nämlich die Wahrheit. Alleine war ich zu schwach. Hätte ich damals Unterstützung gehabt, wer weiß, wie es dann gekommen wäre. Weg mit den Gedanken. Es ist der Tag meines Sohnes. Seinen Hochzeitstag soll

niemand kaputt machen. Auch nicht seine Ehe. Ich habe seine Frau kennengelernt und weiß, das sie eine ganz liebe und ehrliche Frau ist. Mein Sohn hat echtes Glück mit ihr. Wenn ich er wäre, hätte ich sie auch genommen. Ich habe sogar schon von ihr geträumt. Es war ein hocherotischer Traum gewesen, der feucht endete. Als ich aufwachte, hatte ich ein saumäßig schlechtes Gewissen gehabt. Ein feuchter Traum von meiner Schwiegertochter. Ich habe ich vor ihr und, vor allem, vor meinem Sohn geschämt. Wie konnte ich nur so etwas träumen? Sie war die Frau meines Sohnes. Gehörte zu ihm und nicht in

meine Träume. Er ist echt ein Anzugstyp. Steht ihm total. Und sie ist heiß. Sagenhaft heiß. Ich meine, sie ist ganz in weiß. Oh mein Gott. Was geschieht mit mir? Warum habe ich solch versaute Gedanken? Sie ist die Frau meines Sohnes. Da darf ich nicht so was denken. Das gehört sich nicht. Was bin ich nur für ein Vater? Ein schlechter. Nie habe ich meine Gefühle so richtig zeigen können. Auch habe ich ihm nie gesagt, das ich ihn lieb. Ich wollte es. Aber irgendwas hinderte mich daran. Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube, das hängt mit meiner Kindheit zusammen, die ich gern

verdränge. Ich kann wahrlich stolz auf meinen Sohn sein. Weder ist er ein Unfall, wie seine Eltern, noch ein Versager, wie seine Eltern. Manchmal frage ich mich, ob sie ihn im Krankenhaus nicht vertauscht haben. Zwar sieht er meinem Schwiegervater sehr ähnlich. Aber ansonsten... Es ist mir egal. Er ist und bleibt mein Sohn. - Und da sind sie, die Tränen. Oh man, die sind ja richtig heiß. Tun Tränen immer so weh? Ich habe als Kind das letzte mal geweint, als mich meine ältere Schwester geschlagen hatte. Warum sie es getan hatte, weiß ich bis heute nicht. Mir fällt nichts ein, was ich

ihr getan haben könnte, damit sie Grund hatte, mich zu schlagen. Bei ihr reichen manchmal eh Kleinigkeiten, um sie auf die Palme zu bringen. Das habe ich gesehen, als ich bei ihr war und ihr kleiner Sohn aus versehen den Becher umgekippt hatte. Man war die ausgerastet. Der musste auch viel Prügel von ihr einstecken. Wie ich. Aber jetzt weg mit den Tränen und den trüben, depressiven Gedanken. Die Hochzeit meines Sohnes soll schön werden und nicht durch mich oder sonst wen zur grusligen Erinnerung. Es wird Zeit, das ich in Feierlaune komme. Für ihn, seine Frau und alle anwesenden

Gäste. Ich darf auch nicht daran denken, das er mich bald zum Opa macht. Einem alten Mann. Noch ist es eh nicht so weit. Im Moment steigen beide ihre Karriereleitern nach oben. Das ist wichtiger. Man bin ich stolz auf ihn. Er macht Karriere und heiratet die beste Frau der Welt. Ein wahres Vorbild für seine zukünftigen Kinder - Ich glaube, ich muss schon wieder weinen.

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