„Mensch Frido, haste die Nuss wieder geknackt“, meinte Kommissar Hinkelstein zu seinem Kollegen, während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte.
„Es war kein Honigschlecken, das kann ich dir sagen“, entgegnete ihm Hauptkommissar Friedolin von Hausverbot, der seinen Computer gerade angeschaltet hatte und darauf wartete, dass dieser hoch fuhr.
„Dann erzähl doch mal, wieso ist der Mann vom Balkon geflogen?“, bat ihn Hinkelstein neugierig.
„Eigentlich muss ich jetzt den Bericht schreiben“, versuchte von Hausverbot ihm auszuweichen.
„Mann erzähl! Es liegt dir doch auf der Leber“, forderte er ihn jetzt
auf.
„Na gut, aber unterbrich mich nicht dauernd, damit ich nicht den Faden verliere“, dabei setzte er sich kerzengerade auf seinen Stuhl und drehte seine Thermosflasche mit Pfefferminztee auf. Nachdem er sich etwas von dem Tee eingeschüttet hatte, begann er zu erzählen.
„Das Opfer, männlich 77 Jahre, hatte vor einigen Jahren einen Schlaganfall, stürzte vom Balkon des ersten Stocks, bei der Obduktion wurde festgestellt, dass er sich das Genick brach, zudem wurde er mit Arsen vergiftet, was mir den netten Fall bescherte. Also ich hin und wer öffnet mir die Tür?“
„Die zwanzigjährige Geliebte“, witzelte
Hinkelstein.
„Nein, seine Frau und die knallte mir die Tür sofort wieder vor der Nase zu. Ich kaufe nichts, ich will nichts, rief sie als wäre sie in Ekstase. Ich klingelte wiederum, sie schrie wieder von drinnen. Erst als ich ihr meinen Ausweis unter der Türe durchgeschoben hatte. folgten weitere Minuten der Warterei. Schließlich ließ sie mich eintreten, dabei stolperte ich dann über ihre Katze, die mich dann die ganze Zeit mit ihren grünen Tigeraugen taxierte. Da sie sehr langsam zu Fuß war und ständig irgendwo mit ihrem Rollator anstieß, benötigten wir geschlagene fünf Minuten, um an den Esstisch im Wohnzimmer zu gelangen, an der ich ihr dann meine Fragen
stellte.“
„Ist halt so, musste Geduld haben, die alte Dame ist doch kein Hochgeschwindigkeitszug“, warf Hinkelstein ein.
„War ja auch nicht so gemeint, also setzte sie sich und ich ihr gegenüber. Meine erste Frage , wann sie denn ihren Gatten vermisste. „Als er nach zwei Stunden den Fernseher nicht einschaltete und ich mir diese unheimlich wollüstigen Sendungen nicht anhören musste“, gab sie zur Antwort.
„Solche Sendungen laufen doch gar nicht tagsüber“, erwiderte ich.
„Doch, dieser Schund „Hänschen vom Land sucht Frau“, außerdem war ich froh, dass er mal keinen Mucks von sich gab.“ „Weshalb
waren sie denn froh, dass er keinen Mucks von sich gab“, fragte ich weiter. „Sie sind mir aber gut, leben sie mal mit einem zusammen, der sich von vorn bis hinten bedienen lässt. Er steht mitten in der Nacht auf, schüttet Kaffee auf und ich muss dann am Morgen das Spülwasser saufen.“ „Ist doch nett von ihm, haben sie ihm denn nicht gesagt, wie viele Kaffeelöffel Pulver er in die Maschine geben soll.“
„Doch, aber er hört ja nicht und macht was er will. Noch am Vormittag hat er wieder angefangen, mir meinen Wohnzimmerschrank mit meinem wunderbaren Geschirr auszuräumen und es in die Gefriertruhe zu stapeln. Ach, möchten Sie eine Tasse Kaffee, ich bin ja so etwas von schusselig“, fragte sie
mich. Ich antwortet ihr mit ja und sie schlurfte mit ihrem Rollator in Richtung Küche. Ich stand auf und sah mich ein wenig um. Dabei entdeckte ich einige Bilder. „Mit Milch und Zucker?“, rief sie aus der Küche zu und ich antwortete, „Beides“.
Da kam sie auch schon angewatschelt. In dem Moment hielt und betrachtete ich ein Bild auf dem ihr Mann zu sehen war. Da rief sie schon von weitem, „Da parodiert er gerade Heinz Rühmann aus der Feuerzangenbowle, ist er nicht toll und auf dem anderen sind wir gemeinsam bei unserem Hochzeitstanz, bei dem er wie ein Mehlsack an mir hing und meine Füße haben das nicht überstanden, die sind seitdem kaputt“ Ihre Augen wurden in diesem Moment sehr feucht, dass ich gar
nicht anders konnte, als sie in den Arm zu nehmen. Einige Minuten später saßen wir wieder am Esstisch und dort schenkte ich uns Kaffee ein. Irgendwie schmeckte der Kaffee seltsam. „Wieso seltsam, den Kaffee habe ich frisch aufgebrüht und die Dose Milch eben geöffnet, kann also nicht verdorben sein?“, meinte sie entsetzt und griff nach der Zuckerdose.
Ein verwirrter Blick. „Nein, nicht schon wieder! Hat er doch tatsächlich Mehl in die Zuckerdose gefüllt. Alles füllt er um, warum hat mich der liebe Gott nur mit so einem Mann bestraft?“
Ich fragte sie dann, seit wann er denn immer alles umfüllte oder umräumte.
In dem Moment erhob sie sich und beim
Umdrehen stupste sie mit ihrem Ellenbogen die Zuckerdose um. Der Inhalt landete zum Teil auf dem Boden. Ich nutzte die Gelegenheit, um ein wenig von dem Zucker in ein kleines Matrix- Tütchen zu füllen, bevor sie mit ihrem feuchten Tuch den Tisch abwischen konnte.“
„Schleppst du immer noch die Tütchen mit dir rum, wofür haben wir denn die Spurensicherung“, fragte Hinkelstein dazwischen.
„Du kennst mich doch. Ich hoffte, den richtigen Riecher zu haben “, entgegnete ihm Kommissar Hausverbot.
„Wieso füllte und räumte er denn alles um, hatte er nichts Besseres zu tun?“, wollte jetzt Hinkelstein
wissen.
„Das fragte ich mich auch, deshalb fragte ich ja Frau Quatsch. Sie erzählte mir, dass er seit seinem Schlaganfall vor einigen Jahren unter einer schrecklichen Unruhe litt. Seitdem schlief er auch höchsten zwei Stunden an einem Stück, dann würde er wieder aufstehen, den Fernseher andrehen und sich davor setzen. Sobald es hell wäre, beginne er Schlabberwasser als Kaffee zu kochen, den sie dann immer trinken müsse. Dann würde er beginnen, die Schlösser an den Türen auszubauen, dass sogar Teile abbrechen. Sie musste dann gemeinsam mit ihm den Baumarkt aufsuchen. Pünktlich um halb zwölf musste das Mittagessen auf dem Tisch stehen, da er kein Kostverächter war, gab es
bereits um halb zwei Kaffee und Kuchen, spätestens um achtzehn Uhr Abendessen. Zudem hätte sein Konsum an süßen Sachen unheimlich zugenommen“, erzählte Hausverbot, während er sich eine weitere Tasse Tee einschenkte, meinte Hinkelstein die Bilder vom Tatort betrachtend:
„Sicher meinte sie, ein Leben mit ihrem Mann sei die Hölle gewesen. Mir ist nur noch nicht klar, wie sie es schaffte, ihn vom Balkon zu schubsen, zumal die Brüstung doch fast einen Meter hoch ist“.
„Das habe ich mich auch gefragt und ich bat Frau Quatsch, dass sie mit mir auf den Balkon komme. Sie ging widerwillig mit mir hinaus und erklärte um hundert Ecken, dass sie unter Höhenangst leide und in dieser Wohnung nur
ihrem Mann zuliebe lebe.“
„Ich dachte, sie habe ihren Mann gefunden?“
„Hat sie auch, aber das erspar ich dir, sie stand auf dem Balkon, als sie aber ans Geländer trat, begann sie wie Espenlaub zu zittern und zu zucken. Ich zog sie schnell wieder zurück, dabei stolperte ich und riss Frau Quatsch mit. Sie fiel auf mich.“
„Dann ist sie ja weich gelandet! … Zudem erscheint mir ihre Höhenangst glaubwürdig“, lachte Hinkelstein und dann fragte er: „Aber wie hat sie ihn nun umgebracht?“
„Ich hatte den richtigen Riecher, nachdem das Labor die Probe untersucht hatte, besuchte ich Frau Quatsch nochmals, allerdings mit der Spurensicherung. Durch seine Umfüllaktionen hatte er nicht nur das Arsen in die Zuckertüte
geschüttet, sondern das Mehl ins Glas, in dem das Arsen gehörte, keinerlei Fingerabdrücke ihrerseits. Jetzt willst du sicher wissen, wofür sie das Arsen benötigten.“
„Klar will ich das, bei diesen brisanten Fall!“, meinte Hinkelstein grinsend.
„Als ich Frau Quatsch danach fragte, antwortete sie mit den Worten „Um diese verdammten Ameisen fernzuhalten, die meinten, ihre Straße mitten durchs Wohnzimmer laufen zu lassen“, klärte ihn Kommissar Hausverbot lachend auf.