Nach dem Ende der Archontenherrschaft und der Stilllegung der Lebensschmiede, steht Kellvian vor der Aufgabe, die vor Helike gestrandete Armee Cantons sicher zurück zu bringen. Bevor sie die Stadt jedoch auch nur verlassen können, erhalten sie Nachricht von einem Totgeglaubten. Und in der Heimat ziehen bereits dunkle Wolken auf. Andre de Immerson hat seine Pläne, sich das Kaiserreich mit Gewalt untertan zu machen, noch nicht aufgegeben. Und ohne eine Armee ist alles, was zwischen
ihm und der Krone steht eine kleine Gruppe heruntergekommener Abenteurer und eine Handvoll Zauberer.
Bildquelle Michaela Schöllhorn / pixelio.de
Quinn sah auf zu den schwarzen Granitmauern, die einstmals die Heimat des Sangius-Ordens gewesen waren. Nun jedoch hatten sich Vögel unter den hohen Dächern und auf den Spitzen der Türme eingenistet und vielen der Wirtschaftsgebäude im Hof sah man an, das sie nun beinahe ein Jahr lang verlassen waren. Das Holz hatte Moos angesetzt, stellenweise waren Bretterwände entfernt worden, vermutlich von Andres Leuten, um an Brennholz zu kommen. Nachdem Cyrus und die anderen
aufgebrochen waren, hatten sie weiterhin jeden Tag darauf gehofft, dass das Wetter aufklarte. Eine Hoffnung, die sich vor einer Woche schließlich erfüllt hatte. Statt jedoch die schmalen pfade über die Berge zu nehmen, die der Wolf benutzt hatte, hatte Kellvian sie in einem Bogen nach Nordwesten geführt, so dass sie sich auf direktem Weg Silberstedt nähern konnten. Es würde ihren Weg verkürzen, aber es bedeutete eben auch, dass sie die Ordensburg passieren mussten. Anfangs hatten sie alle noch befürchtet, Andre könnte die Festung als Stützpunkt nutzen um ihnen den Weg abzuschneiden. Doch nun, wo er davor
stand, wusste Quinn, das dieser Ort verlassen war. Nur warum ? Hinter ihm, außerhalb des schneebedeckten Tals, in dem die Burg lag, zog die Armee in einem endlosen Zug die in Serpentinen angelegten Pässe hinauf. Nur er hatte sich kurz von den Truppen getrennt. Wenn er schon hier war, wollte er sehen, was noch von diesem Ort übrig war. ,, Sieht nicht so aus, als wäre jemand Zuhause.“, bemerkte Lucien. Wussten die Götter, wieso der Agent und Syle ihn unbedingt hatten begleiten wollen aber… vielleicht war es in Ordnung, diesen Ort nicht alleine wieder betreten zu müssen.
Der Burghof war eine einzige gefrorene Schlammwüste, in der hartnäckiges, vom Winter gelb verfärbtes Unkraut spross. Eiskristalle waren aus dem Boden gewachsen und wirkten beinahe wie Zähne, die mit leisem Knirschen unter Quinns stiefeln zersplitterten. Zielsicher lenkte er seine Schritte auf das große Eingangsportal zu. Ein gewaltiger Felsblock war aus dem Torbogen geschleudert worden und hatte mehrere Steinplatte und Stufen vor dem Durchgang zerschmettert. Quinn besah sich den Stein, der leicht dreimal so groß war, wie er selbst. Es bräuchte unglaubliche Gewalt, um diesen Koloss auch nur ein Stück weit zu bewegen,
geschweige denn, ihn aus seiner Fassung zu lösen. Der Rundbogen selber, in dem einst die Torflügel eingelassen waren, war halb in sich zusammengesackt und wurde nur noch von einem filigranen Gleichgewicht aus zerschmettertem Holz und Schutt aufrecht gehalten. Quinn trat unter dem Tor hindurch in die Halle dahinter. Das Bild, das sich ihm hier bot, war auch nicht viel besser als das draußen. Wandteppiche, die einstmals die Kälte hatten abhalten sollen, hingen zerrissen an den Wänden oder fehlten gänzlich. Vermutlich hatten einige von Andres Kriegern den Wert der uralten Stickereien erkannt und
mitgenommen. Kriegsbeute… Mehrere lose Seiten lagen über den Boden verstreut, manche davon schlichte Verwaltungsaufzeichnungen, andere hingegen stammten aus den weitreichenden Archiven, die der Orden im Laufe der Jahrhunderte hier angelegt hatte. Abschriften von längst verloren gegangenen Steintafeln des alten Volkes, Aufzeichnungen von Simon Belfare selbst bis hin zu Schriften über Canton und Urkunden über den Besitz der Zauberer. Hoffentlich war wenigstens ein Teil dieser Schätze erhalten geblieben und nicht jenen zum Opfer gefallen, die sie nicht verstehen konnten oder wollten.
Andres Männer hatten sich hier genommen, was sie wollten und waren dann wieder gegangen. Er ging langsam weiter, Syle und Lucien dicht hinter sich. Weitere zerstörte Folianten säumten ihren Weg, zusammen mit zerschmetterten Kristallen und bunten Glasscherben, die einstmals in den hohen Fenstern der Galerie über ihnen gesessen hatten. Die Burg machte vielleicht an vielen Orten einen düsteren Eindruck, aber das hier war einer der wenigen Orte, an denen das ganz sicher nicht zutraf. Selbst jetzt, wo die Fenster nur noch leere Lücken im Stein waren, verliehen die Lichtbahnen, die von
draußen hereinfielen allem einen ätherischen Glanz. Schmelzwasser hatte sich auf den mit Teppichen ausgelegten Böden gesammelt und war dort zu einer feinen Eisschicht gefroren. Irgendwo über ihnen schreckte ein Vogel auf und flatterte verängstigt davon, an einen Ort, weg von den drei Männern, die die Ruhe dieses Ortes störten. Quinn hob eines der beschädigten Bücher auf und blätterte die Seiten durch. Das Papier war durch Wasser und Zeit angegriffen worden und die Buchstaben kaum mehr lesbar. Er ließ es fallen. Aber alles in allem war die Burg in besserem Zustand, als er anfangs gehofft hatte. Leben wollte hier drinnen fürs
erste sicher niemand mehr. Aber eines Tages könnte es vielleicht wieder die Heimat des Ordens werden. Wenn das allesvorbei war. Und wenn er das auch noch wollte. Der Orden würde sich ändern müssen, nach allem was geschehen war. Eine Lebensaufgabe. Nein mehr als das… Selbst wenn er jetzt anfing, er würde wohl nicht mehr erleben, wie sich der Orden reformierte. Aber das Monopol auf Zauberei könnte er lockern. Er hatte noch nicht mit Relina gesprochen, aber wenn sich jetzt eine zweite Gemeinschaft von Magiern auf dieser Welt erhob... mit dem absolutistischen Anspruch den der Orden bisher erhoben hatte, würde das
unmöglich sein. Aber er würde dafür Sorgen… ,, Quinn ?“ Luciens Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. ,, Was ist denn ?“ Er versuchte erst gar nicht den genervten Unterton zu verbergen. ,, Nun…“ Es war Syle der antwortete. ,, Verzeiht, aber ihr seht irgendwie grade… glücklich aus.“ ,, Und ich dachte schon wirklich , das könntet ihr gar nicht.“ , fügte Lucien hinzu. ,, Wisst ihr, Lucien. Eines Tages strapaziert ihr meine Geduld einmal über.“ Er machte einen drohenden Schritt auf den Agenten zu. ,, Leider ist
das nicht heute. In gewisser Weise… ja ich bin zufrieden. Aber ich will auch noch etwas überprüfen. Kommt mit.“ Die anderen folgten ihm, als er den altvertrauten Weg durch das leer stehende Gemäuer nahm, hin zu einem der Türme an der Außenmauer. SO weit er sagen konnte, waren nur wenige Räume hier von Plünderungen verschont geblieben, als Andres Männer den Ort wieder verlassen hatten. Die großen Versammlungshallen waren selbst ihrer Möbel beraubt, Asche aus den Kaminen über den Boden verteilt worden. Stellenweise konnte er auch Spuren eines magischen Gefechts finden. Verbranntes Gebälk, von magischer Energie
aufgeschmolzener Stein, der zu einer glasartigen Masse erstarrt war. Ihm war durchaus klar, was er hier sah. Das Ergebnis von Kiaras Kampf mit dem Magier des alten Volkes. Er hatte seit einer Weile nicht mehr an die Ordensoberste gedacht. Allerdings, er hatte ja auch nicht damit gerechnet, noch einmal hierher zu kommen. Endlich fand er, was er gesucht hatte, eine Tür, die auf die Außenmauern der Anlage hinaus führte. Einstmals hatten die hohen Wälle wohl einen echten nutzen gehabt, aber nun, wie spätestens bei der Belagerung durch Andres Leute klar geworden war, hatten diese lange
ausgedient. Kalter Wind schlug ihm entgegen, sobald er die zumindest halbwegs geschützte Burg verließ und auf die Zinnen hinaus trat. Mehr aus Gewohnheit suchte er den Himmel ab, konnte nur aber ein zwei dunkle Schatten entdecken, die deutlich zu groß für Vögel waren. Wyvern. Die niederen Drachen hatten sich schon immer in der Nähe der Burg gesammelt, vielleicht weil sie wie ihre größeren und edleren Verwandten ein natürliches Gespür für Magie besaßen. Jetzt zumindest, waren nicht ehr viele da. Was ihm nur recht sein konnte, wenn er an ihre letzte Begegnung mit einer dieser Kreaturen
dachte. ,, Was suchen wir eigentlich ? fragte Syle und ließ den Blick über den Innenhof unter ihnen schweifen. Aus der Höhe übersah man die meisten Schäden und konnte so leicht dem Eindruck erliegen, das die Burg noch bewohnt war. ,, Ich suche nichts, ich will etwas nachsehen.“ , antwortete Quinn , während er auf den Turm vor ihnen zuging. Seine Hoffnung, wenigstens diesen Ort von Plünderungen verschont zu finden, löste sich bereits jetzt in Wohlgefallen auf. Das Holz der Turmtür war zerschmettert, offenbar mit einer
Axt. ,, Ich sehe schon“, kommentierte Lucien, ,, Unser Herr Zauberer gibt sich Mysteriös.“ Quinn versuchte erst gar nicht, sich über ihn zu ärgern. Im Augenblick gab es wichtigeres, als die Eskapaden des kaiserlichen Spions. Er streckte die Hand aus und die Tür schwang ohne Wiederstand auf. Dahinter führte eine gewundene Treppe nach oben. Manche der Stufen waren gesprungen, andere von Jahrhunderten der Benutzung ausgetreten. Ohne darauf zu achten, ob die anderen ihm folgen würden, stieg Quinn rasch die Treppe hinauf, auf der teilweise
Holzsplitter und Schmutz verteilt lagen. Nein , auch seine eigene Zuflucht war nicht verschont worden. Etwas, das spätestens nicht mehr zu leugnen war, als er die Kammer im Obergeschoss des Turms betrat. Die meisten Möbel waren verschwunden, bis auf einen großen Klavierflügel am Fenster. Das Instrument war wohl zu schwer gewesen, als das man sich damit hatte abmühen wollen. Trotzdem hatte es jemand zerstört. Mehrere Tasten fehlten, das Holz des Rahmens war wie schon die Tür mit Äxten und Schwertern zerbrochen worden und die Seiten im inneren gerissen. ,, Was ist das hier ?“ , wollte Lucien
wissen , während er an dem nutzlosen Klavier vorbei ans Fenster trat und einen Blick hinaus warf. ,, Wenn wir es unbedingt wissen wollt… das hier waren einmal meine Räume. Aber… hier gibt es nichts mehr zu sehen.“ Er hatte nur das Gefühl gehabt, damit abschließen zu wollen. Und das hatte er getan. Gründlich. Selbst hier war nichts mehr aus seinem alten Leben geblieben. Und auf eine Art war er mittlerweile tatsächlich… froh darüber. Es war ein langer Heimweg gewesen. ,, Gehen wir.“ Als sie in die Eingangshalle zurückkehrten, wartete dort bereits jemand auf sie. Relina sah sich, gegen
die Kälte in einen schweren Mantel gewickelt, in der lichtdurchfluteten Halle um. ,, Das hier war also die Heimat eurer Magier ?“ , fragte sie an Quinn gerichtet. Sie lächelte etwas, eine Geste, die Quinn nicht richtig einzuordnen mochte. Dachte sie nur über etwas nach, oder war es wirklich freundlich gemeint? ,, Es sieht wohl ganz so aus, als sei ich im falschen Land geboren.“ ,, Nun, nach allem was ich gehört habe, baut ihr eure eigene Enklave auf.“ , antwortete er. So spontan hatte er eigentlich nicht darüber sprechen wollen, aber jetzt war wohl eine genau so gute Gelegenheit, wie irgendwann
sonst. Vielleicht ihre letzte, bevor sie Silberstedt erreichten. Die Stadt war nicht mehr weit. Ein paar Tagesreisen vielleicht noch und sie würden Andre de Immerson ein letztes mal gegenüberstehen… ,, Das ist wahr. Aber ich schätze, bis wir so weit wären, etwas wie das hier zu bauen…. Vergehen noch Jahrzehnte. Wir haben alle Hände voll damit zu tun, uns nur zu ernähren.“ ,, Es wird vielleicht nicht ganz einfach, den Orden davon zu überzeugen, so etwas zu dulden.“ Relina zog eine Augenbraue hoch, eine Geste die einerseits komisch wirkte, andererseits irgendwo eine Alarmglocke
in seinem Kopf zum schrillen brachte. ,, Ihr seid ihr Anführer, nicht ?“ Sie schien einschätzen zu wollen, ob er ihr gefährlich werden konnte. ,, Das mag sein, aber im Augenblick gibt es nicht viel, was sich Ordensmagier nennen kann. Viele von uns sind noch verstreut und die die es nicht sind… Ich könnte ihnen sicher diktieren, was sie zu tun haben, aber das würde nur halten, bis es einen neuen ordensobersten gibt. Und ob der oder diejenige euch dann noch duldet… Ich habe vor, den Orden grundlegender zu verändern. Und verzeiht, aber wenn es mehr wie.. . euch gibt, ist das ohnehin notwendig. Wir haben uns zu lange auf unserer Macht
ausgeruht und diese Welt verändert sich. Aber was immer auch geschieht, ich kann euch beruhigen. Der Orden und Maras werden keine Feinde sein, solange ich das verhindern kann.“ Sie nickte. ,, In diesem Fall gebe ich euch das gleiche Versprechen.“ ,, Und ich dachte schon, wir finden uns gleich in einem Inferno wieder.“ ,,Lucien…“ Dieser Mann schien es sich einfach zur Lebensaufgabe gemacht zu haben, seine Nerven zu strapazieren. ,, Besser, wir sehen zu, das wir die anderen Einholen.“ ,, Ihr könnt laufen?“ , fragte Syle an Relina gerichtet. ,, Mir geht es gut…“ , antwortete die
Gejarn lediglich, während sie unter dem instabilen Torbogen hindurchtraten. Hinaus auf den gefrorenen Innenhof, auf dem sich das Licht der Sonne spiegelte. Obwohl es nach wie vor eisig war, schienen die Wolken sich endgültig verzogen zu haben und ließen eine in gleißendes Weis getauchte Welt zurück.
EagleWriter Es darf auch mal Bergauf gehen in meiner Geschichte. Kaum zu Glauben, wie ?^^ lg E:W |
abschuetze Seite 17 "Ich such nichts, ich will etwas anchsahen", antwortete Lucien (sollte es nicht Quinn heißen?) so so, gleich mal wieder einen Szenenwechsel.... ist ja typisch^^ |
EagleWriter upps^^ Jap.... das stimmt. lg E;W |