Nachdem sie ihre Katze, mit der sie viele gemeinsame Lebensjahre zusammen verbracht hatte, zusammengerollt auf einem Stuhl liegend gefunden hatte, so als würde sie schlafen, war sie traurig und erlöst zugleich. Das ihr ans Herz gewachsene Tier war es, das sie zuhause, in ihrer gewohnten Umgebung, festgehalten hatte. Ein Wunsch war in Erfüllung gegangen. Sie machte sich schon sehr lange Gedanken über ihre geliebte Mietzekatze. Die Kinder hatten ihr schon viele Male angeraten aus ihrer Wohnung auszuziehen und in ein Haus mit betreutem Wohnen zu gehen. Sehr verständlich waren die Wünsche der Kinder, denn schon mehr als einmal
fanden sie ihre Mutter in einer hilflosen Situation, als sie nach ihr schauten. Sie machten sich sorgen. Wollten das Beste für sie.
Vor allem fühlten Sie eine Verantwortung auf ihren Schultern, die ihnen ihre Mutter zwar nicht auferlegt hatte und doch war sie da. Die jungen Leute von heute waren alle so sehr beschäftigt. Sie waren in einer Zeit herangewachsen, in der Leistung, hohes Einkommen, Luxus mehr gilt als Zeit. In einem Hamsterrad rannten sie täglich ihre acht und mehr Stunden, danach ging es weiter ins Fitnessstudio, oder die Kinder, Familie, der Haushalt mussten versorgt werden. Dann noch Fernsehen bis die notwendige
Bettschwere erreicht war. So ging das Tag für Tag. Immerhin fanden ihre Kinder zumindest am Wochenende Zeit und frühstückten gemeinsam mit ihr und waren etwas länger als nur kurze Augenblicke da. Sie wusste, dass sie es ihr zuliebe taten. Es war ihr auch nicht entgangen, dass die Blicke der Nachkömmlinge immer sorgenvoller auf ihr ruhten.
Der Alltag war beschwerlicher geworden. Doch hatte sie das Empfinden immer noch klarzukommen, alleine, auf eine für sie befriedigende Weise. Die Küche war nicht immer aufgeräumt und es fanden sich immer wieder Wollmäuse hier und da. Doch was war schlimm daran? Im
Alter wird man großzügiger mit diesen Dingen.
Einmal hatte sie den Wunsch gegenüber ihrer Kinder geäußert eine Putzhilfe zu nehmen. Doch Tochter wie auch Schwiegertochter taten dies ab und beschlossen abwechslungsweise das notwendige Putzen zu erledigen. Der Sohn und der Schwiegersohn wechselten sich ab mit Rasenmähen und Gartenarbeiten.
Nun hatte der Sohn und die Schwiegertochter sich ein Haus gekauft, das sie renovieren wollten. Es war klar, dass sie dann jede Minute Zeit für ihr Vorhaben brauchen. Der Schwiegersohn wird die zusätzliche Arbeit übernehmen.
Irgendwie geht es. Irgendwie?
Sie streichelte den leblosen Körper der Katze. Bilder entstanden vor ihrem inneren Auge. Killmausi spielte gerne mit zusammengeknüllten Papiertüten. Manchmal lag sie seitlich auf dem Boden, die Vorderpfoten zusammen, es sah niedlich aus. Dann wieder rannte sie im Übermut durch alle Zimmer. Viele, verschiedene innere Bilder, ein ganzer Film zog an in ihrem Inneren vorbei.
Ich möchte auch so friedlich einschlafen. Am liebsten zuhause, dachte sie.
Und ich bin froh, dass du vor mir gegangen bist. So weiß ich dich aufgehoben und lasse dich nicht alleine zurück. Sie fühlte zwar Traurigkeit,
doch weinen musste sie nicht. Sie war einverstanden mit dem Geschehen.
Es war Freitagabend. Morgen wird eines der Kinder kommen. Solange lasse ich dich liegen. Danke für dein Sein liebes Tierchen. Du hast mir so viel Freude geschenkt. Danke.
Langsam ging sie in die Küche. Setzte sich an den Küchentisch und schenkte sich einen Kräutertee aus der Thermoskanne ein. Er war zwar nicht mehr heiß, doch noch warm.
Morgen wird er so kalt sein wie die Katze, dachte sie.
Wer weiß was morgen sein wird?
Wer weiß, ob es ein Morgen gibt?