Nach dem Ende der Archontenherrschaft und der Stilllegung der Lebensschmiede, steht Kellvian vor der Aufgabe, die vor Helike gestrandete Armee Cantons sicher zurück zu bringen. Bevor sie die Stadt jedoch auch nur verlassen können, erhalten sie Nachricht von einem Totgeglaubten. Und in der Heimat ziehen bereits dunkle Wolken auf. Andre de Immerson hat seine Pläne, sich das Kaiserreich mit Gewalt untertan zu machen, noch nicht aufgegeben. Und ohne eine Armee ist alles, was zwischen
ihm und der Krone steht eine kleine Gruppe heruntergekommener Abenteurer und eine Handvoll Zauberer.
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Cyrus konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie Eden den gleichen Weg gekommen sein musste wie sie. Einen steilen Bergpfad folgend, während die Stadt langsam unter ihnen zurück blieb, der dann vor einem gewaltigen Schlund mitten im Felsen Endete. Auch wenn sie nicht vorhatten, lange zu bleiben, selbst ihm gefiel die Vorstellung nicht, in diese Dunkelheit hinab steigen zu müssen. Und sie hatten wenigstens die Hoffnung, bald wieder zu entkommen. Aber sie wäre seit Wochen dort
unten… Bei dem Gedanken flammte heiße Wut in ihm auf, die sich noch steigerte, als er sich auf den Geröllfeldern und der großen Handelsfläche unter dem Felsüberhang umsah. Sklaven, die trotz des Winters und des immer noch nicht ganz abgeflauten Sturms kaum mehr als dünnes Sackleinen trugen, arbeiteten auf den Abraumhalden, suchten die winzigsten Klumpen Erz zusammen und brachten sie zu den Händlern und Aufsehern, die miteinander über Preise und Qualität feilschten. An anderer Stelle wurde ein großer Holzkarren voll mit Silberbarren aus der Tiefe gezogen und der wertvolle Inhalt sorgsam
geprüft, bevor man ihn auf Lastpferde umlud, welche das Silber ins Tal zu den Schmuckschmieden bringen sollten. Kunstschmiede, die wie Cyrus heute Morgen festgestellt hatte zunehmend von Waffe und Rüstungsmachern verdrängt wurden. Andres Krieg ließ keinen Raum mehr für das wenig Schöne, das der Schrecken hier oben hervorbrachte. Der Wolf ermahnte sich, möglichst teilnahmslos zu wirken, aber in seinem Inneren brodelte es nach wie vor, als Erik ihn und Mhari auf den Minenzugang zuführte. Der Arzt trug die typische graue Uniform von Andres Söldnern. Ein Mitbringsel, mit dem er im Morgengrauen aufgetaucht war.
Zusammen mit der Uniform würde der Passierschein hoffentlich dafür sorgen, dass sie ohne Probleme in die Minen gelangten. Erik jedenfalls schien davon überzeugt, den er trat ohne zu zögern auf einen Posten zu, der unter dem Felsgewölbe des Höhleneingangs stand und sich die Hände an einer Kohlenpfanne wärmte. ,,Ich habe zwei Ausreißer hier.“ , meinte er mit abfälligem Ton und setzte das Gewehr, das er sich ebenfalls besorgt hatte, auf dem Boden ab. ,, Hat mich zwei Tage gekostet, die wieder einzufangen. Andre will, dass ich sie nach unten schaffe. Offenbar hat er
keine Verwendung mehr für sie.“ Der Wachmann blinzelte gegen den Schnee, den der Wind in die Höhle trug. ,, Kenne ich euch ?“ ,, Nach zwei Tagen da draußen vielleicht nicht mehr.“ Erik lachte, aber Cyrus entging der nervöse Unterton in seiner Stimme dabei nicht. ,, Hier, den habe ich zum Glück nicht verloren. Er hielt den Atem an, als Erik das Blatt entfaltete und dem Wächter übergab. Genau jetzt würde sich entschieden, ob sie überhaupt dazu kamen, den Versuch zu wagen, Eden zu befreien. Wenn der Schwindel aufflog wären sie alle Tod oder zumindest genauso Gefangen wie
sie. ,, Und was ist dem da zugestoßen ?“ Der Mann behielt die Papiere und nickte in Cyrus Richtung. Offenbar war ihm sein fehlendes Auge aufgefallen. ,, Habe ich doch gesagt. Er hat versucht abzuhauen.“ ,, Na dann viel Glück.“ Endlich reichte der Posten Erik den Passierschein zurück. ,, Andre mag es normalerweise gar nicht, wenn sie zu verunstaltet sind. Nicht mal die, die er in die Minen schickt. Schafft sie einfach runter. Es gibt noch keinen neuen obersten Aufseher, aber irgendjemand übernimmt sie sicher.“ Und an Mhari und Cyrus gerichtet fügte er hinzu: ,, Willkommen
am letzten Ort eures Lebens.“ Wenn der wüsste, dachte Cyrus, versuchte aber weiterhin, sich von außen nichts anmerken zu lassen. Mit schleppenden, hoffentlich überzeugend wirkenden, Schritten folgte er Erik an dem Mann vorbei in die große Felskammer. Es gab einige Stände, an denen Silbererz gewogen, Barren verkauft und gehandelt wurde. Auf den ersten Blick schienen diese Leute geradezu unbekümmert über das, was unter ihren Füßen vorgehen mochte. Einzelne Fackeln und Kohlebecken sorgten für ausreichend Licht. Die Gänge, die weiter ins Innere der Minen führten, lagen jedoch in Finsternis. Aber
egal, was ihn dort erwartete, dachte Cyrus. Es gab kein Zurück. Und er wollte auch nicht zurück. Seine Hand wanderte unbewusst zu der unter seiner Kleidung verborgenen Axt. Der Weg in die Tiefe war lang und schien sich ewig zu ziehen. Genug Zeit für Cyrus, um sich weitere düstere Gedanken zu machen. Dieser Ort strahlte etwas aus, das er nur als bösartig beschreiben konnte. Und dabei hatte er noch nicht einmal viel gesehen. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sie eine Zweite große Kammer erreichten, die einen gewaltigen See beinhaltete. Lediglich ein schmaler Steg am Rand der Wasserfläche führte sie
weiter und dann leicht abschüssig an einem hölzernen Damm vorbei. Eine große Maschine, betriebe von einem Zahnrad, an dem dutzende von Sklaven Arbeiteten, pumpte ständig neues Wasser aus der Tiefe in den künstlichen See. Die Gestalten, die unter dem Blick einer Reihe von Aufsehern geduckt, ihre Arbeit verrichteten, wirkten kaum mehr Lebendig. Manche starrten nur vor ihre eigenen Füße auf den Boden, ohne jede Neugier, wer sich dort über den Steg am Wasser näherte. Andere waren abgemagert und so zerlumpt, das er auf die Entfernung nicht einmal mit Sicherheit sagen könnte, ob es sich um Gejarn oder Menschen
handelte. Erik beeilte sich, sie weiter zu führen und Mhari musste Cyrus einen Stoß versetzen, bevor er sich bewegte. Er hatte gewusst, womit er rechnen musste, oder? , dachte der Wolf. Natürlich würde man diese Leute nicht gut behandeln. Aber das hier ging sogar darüber hinaus. Wie konnte es irgendjemand hier unten aushalten, ohne schlich zu verzweifeln? Und er hatte Eden hier unten gelassen, anstatt ihr sofort zur Hilfe zu kommen. Für Wochen hatte er nichts getan. Sie erreichten eine zweite Kammer, so hoch, das die Felsdecke sich in der Dunkelheit verlor. Eine schwere Steinsäule in der Mitte des
Kreisförmigen Raums stützte das Gewölbe ab. Stellenweise glitzerten vereinzelte Reste von Silberadern im Gestein, welche den rötlichen Feuerschein eines großen Schmelzofens wiederspiegelten. Weitere Arbeiter beaufsichtigten, wie sich ein endloser Strom aus flüssigem Silber in Formen ergoss, die gleich darauf in kaltem Wasser abgekühlt wurden. Diesmal jedoch schien es sich nicht um Sklaven zu handeln, wie Cyrus feststellte. Die Männer trugen vernünftige Kleidung und schwere Lederschürzen um sich vor Funken und Tropfen geschmolzenen Metalls zu schützen. Die Sklaven hingegen sah man
bestenfalls als Schatten, die unter dem Blick dutzender, mit Eisenkeulen bewaffneter Aufseher dahinhuschten, Karren mit Erz und tauben Gestein aus den von der Kammer abzweigenden Schächten zogen oder sich beeilten, wieder dorthin zurück zu kehren. Einmal sah er sogar, wie eine der mitgenommenen Gestalten einfach in sich zusammenbrach und der leblose Körper von den Aufsehern einfach ignoriert wurde. Erst nach einer ganzen Weile befahlen sie einigen anderen Arbeitern, den Leichnam wegzuschaffen. Vielleicht in irgendeine Felsschlucht. Vermutlich machte sich niemand die Mühe, diesen Leuten ein Begräbnis
zukommen zu lassen. Langsam und sich immer in Eriks Nähe haltend, damit niemand sie für unbeaufsichtigt hielt, folgten sie dem Arzt auf einen der zahlreichen Tunnel zu. Es mussten weit über drei Dutzend Gänge sein, die von der Hauptkammer abzweigten. Und wer wusste schon, wie weit sich diese noch tiefer im Berg verzweigten? Es war ein Labyrinth. Wie sollten sie Eden hier unten bloß schnell genug finden um wieder zu entkommen, bevor jemand sie bemerkte? Und dann sah er sie plötzlich, wie sie aus einem der Tunnel trat. Zu seiner Schande, hätte er sie einen Moment lang fast nicht erkannt. Die
verschmutzte, abgerissene Kleidung war noch das geringste, aber ihre Arme und Beine schienen mit einer Unzahl noch nicht ganz verheilter Schnitte und Prellungen übersäht, genau wie das Gesicht. Das ansonsten weiße Fell hatte einen grauen Ton angenommen, mal abgesehen von den Stellen, wo Blut und Wunden rote Striemen hinterlassen hatten. Trotzdem trug sie den Kopf noch immer hoch erhoben und bewegte sich so zielstrebig wie eh und je. Mit Ausnahme dessen, das sie leicht Humpelte, als wäre ein gebrochener Knochen nicht wieder ordentlich zusammen gewachsen. Aber hätte ihr nicht schon sein Herz und seine Seele gehört, er hätte sich
vielleicht alleine deswegen noch einmal in sie verliebt. Dieser Ort hatte sie nicht gebrochen, das wusste Cyrus in dem Moment, wo er sie sah. Aber konnte sie darüber hinwegsehen, dass er schlicht zu spät war? Er hätte sie vor Wochen schon hier herausholen müssen, ob mit Hilfe oder ohne. Edens Augen sprachen all das aus, was auch in Cyrus Kopf vorging, als sie sie bemerkte. Trotzdem war sie klug genug erst einmal überhaupt nichts zu sagen um jegliche Aufmerksamkeit zu vermeiden. Stattdessen wich sie langsam in den Gang zurück, aus dem sie gekommen war. So lautlos wie ein Schatten. Cyrus, Mhari und Erik folgten ihr genauso
Schweigend. Die Decke des Felsgangs war so niedrig, das er das Gefühl hatte, gebückt gehen zu müssen um nirgendwo anzustoßen und das einzige Licht stammte von sporadisch an der Wand angebrachten Fackeln und dem Schein der Schmiedefeuer, die aus der großen zentralen Kammer drangen. ,, Was macht ihr den bloß hier ?“ , fragte sie schließlich, als sie weit genug gegangen waren. ,, Dich hier herausholen.“ , antwortete Cyrus. ,, Geht es dir gut ?“ ,, Ich lebe noch.“ , meinte sie. Das hatte er nicht gefragt und das wusste sie auch. Aber für den Moment gab Cyrus sich
damit zufrieden. Ihre Stimme klang erschöpft, wie die einer viel Älteren Person. Seine Schuld. Wieder einmal. Er hatte gezögert… Cyrus schlug die Augen nieder. ,, Ich hätte schon vor Wochen kommen sollen.“ Eden schüttelte den Kopf. ,, Dann hätte ich aber keinen Plan, wie ich uns wieder alle hier rausbringe.“ Ein schwaches Lächeln spielte über ihre Lippen und in ihren Augen glomm kurz ein verschwörerisches Funkeln. ,, Ihr habt schon eine Idee ?“ , fragte Erik. ,, Ich habe hier die ganze Zeit nicht bloß herumgesessen, Erik.“ ,, Und wie geht es Zachary ?“ , wollte
Cyrus nun wissen. ,, Wo ist er ?“ ,, Bei Andre. Er kontrolliert ihn auf Schritt und Tritt, nach allem, was er mir erzählt hat.“ Edens Stimme wurde düsterer. ,, Aber ich habe ganz sicher nicht vor, ihn zurück zu lassen.“ ,,Wir bringen euch alle hier raus.“ , meinte Mhari. ,,Genau das hatte ich vor. Wenn wir hier verschwinden, Cyrus, nehmen wir jeden einzelnen hier unten mit. Keine einzige Seele überlasse ich noch diesem Bastard… Aber es gibt ein Problem.“ Die Gejarn warf einen Blick den Gang zurück um sich zu überzeugen, dass sie nach wie vor alleine waren. Mhari nickte. ,, Ich glaube, ich habe es
schon gesehen. Der See oben…“ ,, Genau der. Ich habe die letzte Zeit genutzt, mich mit den übrigen Sklaven hier abzusprechen. Viele sind durchaus bereit, mit uns zu kämpfen, wenn wir uns auflehnen. Es gibt nicht einmal ein viertel so viele Aufseher wie Sklaven. Aber sie haben eben einen Trumpf. Verlieren sie die Kontrolle, fluten sie die Minen.“ ,, Und wir ersaufen alle wie die Ratten.“ , stellte Erik fest. ,, Aber der Mechanismus ist nicht perfekt.“ , fuhr Eden fort. ,, Es gibt ein zweites Pumpensystem, das das Wasser nach draußen schafft, sonst würde der Stausee irgendwann von selbst
überlaufen. Eine Dampfmaschine. Wir müssten sie nur anwerfen und warten, bis nicht mehr genug Wasser da ist, um die Schächte zu Fluten. Dann…“ Sie brauchte nicht erklären, was dann passieren würde. Cyrus war es klar. Und den anderen wohl auch. Es gab nur einen Weg hier heraus. ,, Warum habt ihr bis jetzt damit gewartet ?“ , wollte Erik wissen. ,, Es mangelt mir an einer guten Gelegenheit.“ , antwortete die Gejarn. ,, Normalerweise kommen Sklaven nicht ohne Aufsicht dort hoch. Oder überhaupt irgendwo hin. Aber ihr tragt die Uniform eines Soldaten. Was beim Reingehen klappt, sollte auch beim
rausgehen funktionieren.“ ,, Dann gehe ich also und werfe die Pumpen an.“ , schloss der Arzt. ,, Klingt einfach genug.“ ,, Wir.“ , korrigierte ihn Mhari. ,, Und das wird alles andere als einfach. Wenn man uns bemerkt…“ ,, Dann sehen wir uns alle in den goldenen Hallen wieder.“ , beendete Erik den Satz. Damit stand es fest, dachte Cyrus. Sah so aus, als würde ihr Aufenthalt hier unten so oder so von kurzer Dauer sein. Er sah wieder zu Eden. Geister, es tat einfach gut sie wiederzusehen. Auch wenn er noch nicht wusste, wie es ihr nach all dem wirklich ging. Nach der
ganzen Zeit hier unten. Erneut sagte er sich, dass er schlicht hätte schneller sein müssen. Am liebsten würde er sich allein deswegen um Verzeihung bitten… aber dafür war jetzt noch keine Zeit.
Langsam begleiteten sie Erik und Mhari zurück durch die Tunnel bis zum Aufgang, der zur Oberfläche führte.
EagleWriter Nicht unbedingt eine Umarmung, aber wohl genau so gut. lg E:W |
abschuetze rein ist bestimmt einfacher als raus^^ |
EagleWriter Und ob ^^ lg E:W |