Nach dem Ende der Archontenherrschaft und der Stilllegung der Lebensschmiede, steht Kellvian vor der Aufgabe, die vor Helike gestrandete Armee Cantons sicher zurück zu bringen. Bevor sie die Stadt jedoch auch nur verlassen können, erhalten sie Nachricht von einem Totgeglaubten. Und in der Heimat ziehen bereits dunkle Wolken auf. Andre de Immerson hat seine Pläne, sich das Kaiserreich mit Gewalt untertan zu machen, noch nicht aufgegeben. Und ohne eine Armee ist alles, was zwischen
ihm und der Krone steht eine kleine Gruppe heruntergekommener Abenteurer und eine Handvoll Zauberer.
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Cyrus war vielleicht der einzige, den Wys Ankunft nicht in Hochstimmung versetzt hatte und sich bis jetzt nicht von der Begeisterung hatte anstecken lassen. Sicher, im Frühjahr gab es damit neue Hoffnung für sie, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass sie Silberstedt nach wie vor keinen Schritt näher kamen. Er musste gehen. Er warf einen letzten Blick zurück über das Schneebedeckte Lager. Offenbar waren fast alle hier um ihn, Erik und Mhari zu verabschieden. Warum die Älteste sich plötzlich entschieden hatte
sie zu begleiten, war ihm zwar nach wie vor ein Rätsel, aber je mehr sie waren, desto besser waren wohl auch ihre Erfolgschancen. Drei Leute würden Andres Spähern wohl nicht auffallen, falls er auf den Straßen die sie benutzen würden überhaupt welche hatte. Auch der Herr Silberstedts konnte nicht alle Wege über die Berge bewachen lassen und ohne eine Armee im Schlepptau konnten sie sich sogar einfach durch die Wildnis schlagen. Sie würden es schaffen, dachte er mit einer Spur des alten Optimismus. Und mit einem hatte Kellvian wohl Recht. So schnell ließen sich weder Eden noch Zachary klein kriegen. Es würde, musste, ihnen gut
gehen. Jetzt, wo er wusste, das hier alle in Sicherheit waren, dank Wys Leuten, gab es für ihn kein Halten mehr. Cyrus hatte nicht vor sich lange zu verabschieden. Aber etwas musste er doch wissen, wenn es möglich war. Melchior stand am Rand der kleinen Gruppe bestehend aus Kellvian, Jiy, Relina, Zyle und Wys. Syle, Quinn und Lucien hingegen standen etwas abseits. Cyrus wusste, die meisten würden ihn begleiten, wenn er fragen würde. Manche würden ihn wohl auch so folgen wollen, wenn sie nicht andere Verpflichtungen hier halten würden. Und er würde es auch nicht zulassen, dachte der Wolf.
Sie würden alle hier gebraucht. Aber er musste mit Melchior sprechen. Cyrus ging mit wenigen großen Schritten auf den Seher zu, der scheinbar überrascht eine Augenbraue hochzog. ,,Ich kann nicht wissen, ob ihr zurück kommen werdet, noch ob ihr Erfolg haben werdet, Cyrus.“ , erklärte er ruhig. ,,Deshalb bin ich nicht hier, Melchior. Und ihr wisst, dass ich gehen würde, selbst wenn ihr es mir verraten könntet. Aber sagt mir wenigstens eins… Lebt sie noch? Melchior, sagt mir nur das…“ Der Seher zögerte, auf seinen Stab gestützt. Seine weißen Augen schienen in weite Ferne und an Cyrus vorbei zu
blicken. ,,Sie lebt.“ , sagte er schließlich in einem Tonfall, der Cyrus nicht gefallen wollte. Aber er wusste auch, das er sonst keine Antworten bekommen würde. Und dieses Wissen reichte ihm schon. Sie lebte noch. Und wenn sie noch lebte, ging es Zachary hoffentlich auch gut. Er würde nicht ohne ihn und Eden zurückkehren. ,,Ich danke euch.“ , sagte er schließlich und wendete sich zum Gehen. Cyrus wollte das verbliebene Tageslicht so gut wie möglich nutzen. Vielleicht würden sie vor Einbruch der Nacht bereits die Berge sehen können. Bevor er jedoch dazu kam, trat Zyle
einen Schritt vor. ,,Erik, wartet einen Moment bitte. Ihr auch Mhari. Bitte, auf ein Wort. Ihr werdet uns beide verlassen?“ Die Gejarn und der Arzt nickten. ,, Keine Sorge, ich habe durchaus vor, ebenfalls zurück zu kehren.“ , meinte Erik mit einem kurzen grinsen. ,,Das hoffe ich… aber eigentlich wollte ich zumindest einen von euch bitten, hier zu bleiben.“ Zyle warf einen Blick zurück über die Schulter in Richtung Relina. ,, Wegen ihr, oder ?“ , fragte Erik, so dass es niemand außer ihnen hören würde. ,,Ich mache mir einfach Sorgen um sie.“
, gestand der Gejarn leise. ,, Ich weiß ich… sollte den Kopf voll mit anderen Dingen haben, grade als Hochgeneral, aber…“ Mhari brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. ,, Ihr meint nur weil ihr die Truppen befehligen sollt, dürftet ihr euch nicht um eure Freunde und Lieben sorgen ?“ ,, Das nicht, aber… Ich werde euch nicht befehlen zu bleiben. Ich bitte euch nur.“ ,, Zyle, es gibt genug andere hier, die sich genauso um sie kümmern werden, wie jeder von uns. Soweit ich das sagen kann, geht es ihr gut. Und ehrlich gesagt ich habe von Geburten wenig Ahnung. Nun, da war einmal diese Sache in
Kalenchor, aber das zählt nicht wirklich… Das soll einfach heißen: Ganz ruhig.“ Erik tätschelte Zyle die Schulter, bevor er seinen Rucksack nahm und sich wieder Cyrus anschloss. ,, Gehen wir. Ich wird hier sonst noch rührselig.“ ,, Wir sehen uns spätestens im Frühjahr.“ , rief der Wolf noch, bevor er sich ebenfalls umdrehte und den ersten Schritt einer Reise mit ungewissem Ausgang machte. ,, Ich hoffe es sehr.“ , hörte er noch Jiys Stimme, dann konzentrierte er sich ganz auf den Weg. Mhari und Erik folgten ihm Schweigend und langsam aber sicher blieb das Lager hinter ihnen zurück. Zuerst verschwanden einzelne Personen
im weißen Dunst, dann die Zelte und schließlich gerieten selbst die Blockhütten außer Sicht. Auf allen Seiten umgab en sie nun nur noch Wälder und schneebedeckte Ebenen. Cyrus atmete die kalte Luft tief ein. Endlich aufgebrochen zu sein, nicht noch mehr Zeit verschwendet zu haben, das hatte etwas befreiendes, als hätte ihm jemand einen Teil der Last, die er seit Edens Entführung mit sich trug abgenommen. Und der Teil, der noch blieb behinderte ihn nicht mehr, sondern trieb ihn Vorwärts. Jeder Schritt brachte ihn endlich wieder näher daran, seine Familie wiederzufinden. Und vielleicht würde er am Ende dieses Pfads dem
Mann gegenüberstehen, der ihre Trennung zu verantworten hatte. Der Gedanke machte den Wolf nachdenklich. Er hatte Edens Wut auf Andre de Immerson nie geteilt, auch wenn er ihn durchaus nachvollziehen konnte. Jetzt jedoch hatte der Herr Silberstedts ihm selbst einen Grund gegeben, seinen Zorn auf sich zu ziehen. Etwas, das ihm durchaus nicht unbekannt war… Als der Nachmittag anbrach, erreichten sie einen zugefrorenen Bachlauf, der sich mitten durch eine schneebedeckte, jeglicher Konturen beraubte Ebene zog. Wie eine offene Wunde inmitten der unberührten weißen Decke über dem Land, Schnitt sich das Wasser tief in den
Grund und war dort zu bizarren Formen und Skulpturen erstarrt. Erik war der erste, der sich über den Bach wagte. Der Arzt warf zuerst seinen Rucksack auf die andere Seite, welcher sofort im Schnee versank, dann nahm er selber ein Stück Anlauf. Cyrus grinste unwillkürlich, als der Mann auf der anderen Seite landete und Schnee aufwirbelte. Plötzlich bis zur Hälfte im pulvrigen Weiß versunken, blieb Erik nichts anderes übrig, als sich erst einmal mit Händen und Füßen freizugeben und vorsichtig über den instabilen Schnee zu staksen. Irgendwie erinnerte er Cyrus in diesen Moment an einen seltsamen Storch. Einer, der
sichtlich mit dem Gleichgewicht kämpfte. ,, Ich will euch mal sehen !“ rief der Arzt zurück, als nun selbst Mhari kicherte. Cyrus ging vorsichtiger vor und trat mit Bedacht auf die zugefrorene Eisfläche hinaus. Mit zwei Schritten war er bereits am anderen Ufer und kletterte die Böschung herauf. Mhari tat es ihm gleich und folgte ihm auf dem Fuß. ,, Sieht so aus, als hätten wir es bald geschafft.“ , meinte sie, als sie sich weiter durch den Schnee kämpften. Die Löwin deutete auf etwas vor ihnen, dass noch größtenteils in Dunst und Wolken verborgen war. Cyrus erkannte es
trotzdem als das was es war. Graue, fast schwarze Felswände, die weit in den Himmel hinauf ragten wie die Zähne eines gewaltigen, lange toten Untiers. Die Berge. Das letzte große Hindernis auf ihrem Weg nach Silberstedt. Obwohl sie zum Greifen nahe aussahen, wusste Cyrus , das sie noch gut zwei Tage vom Beginn der Pässe entfernt waren. Es war schlicht der Höhe mancher Gipfel geschuldet, das sie näher wirkten, als sie eigentlich waren. Zumindest bedeutete das, dass er nach wie vor viel Zeit zum Nachdenken hätte… Fenisin hatte er verzeihen können. Die Zeit hatte ohnehin fast alles in weite
Ferne gerückt und so schwer es gewesen war, s zuzugeben, aber der Mann hatte sich verändert. Der Älteste war nicht mehr der gewesen, der ihn und seine Eltern einst an die Garde ausgeliefert hatte. Als es schließlich dunkel wurde, schlugen sie ihr Lager im Schutz eines kleinen Tannenhains auf, wo die dicht stehenden Bäume und Äste den Schnee abhielten und der Boden nicht völlig hart gefroren war. Erik entfachte ein Feuer aus einigen, trockenen Zweigen und schmolz etwas Eis für Koch und Trinkwasser ein, während er sich bereits daran machte, die Zelte aufzubauen. Zwar boten diese wenig Schutz vor der
Kälte, aber es war besser, als völlig schutzlos zu sein. Und mit den schwereren Planen und Decken hatte Cyrus sich nicht abmühen wollen. Er wollte so schnell wie möglich sein… ohne sie dabei umzubringen hieß das. Wenn sie es nicht schafften, müssten Eden und Zachary wirklich bis zum Frühjahr durchhalten. Sie konnten es sich nicht erlauben, schon auf dem Weg zu versagen, ohne einen der beiden Überhaupt gefunden zu haben. ,, Wart ihr schon einmal in Silberstedt ?“ , wollte Cyrus wissen, während Erik einige ihrer Vorräte in das mittlerweile kochende Wasser gab, hauptsächlich getrocknetes Gemüse, ein paar Streifen
Fleisch und Brot. Er hoffte, das er vielleicht so herausfinden konnte, worauf genau er sich einstellen musste. Auch wenn sich das Gesicht der Stadt sicher verändert hatte, vor allem nachdem ein Teil davon durch Syle und seine Leute niedergebrannt worden war. ,, ja.“ , antwortete Mhari. ,, Einmal, aber das ist schon eine ganze Weile her. Die Stadt liegt praktisch eingekeilt zwischen den Berggipfeln und die Seite, die nicht derart geschützt ist, ist durch eine Stadtmauer gesichert. Man kann sich unmöglich einfach hereinschleichen, falls ihr darüber nachgedacht haben solltet. Zumal Gejarn… dort nicht gerne gesehen sind. Oder besser, sie gehen
nicht hin.“ ,, Wieso nicht ?“ ,, Es gibt nirgendwo mehr Sklaven als in Silberstedt.“ , schaltete sich Erik ein. ,, Und ein Großteil davon sind Gejarn. Ein Clanhändler, der in der Stadt auftaucht, muss also damit rechnen, dass man ihn unter Umständen für einen Entlaufenen Zwangsarbeiter hält. Was… unangenehm werden kann. Ich brauche euch sicher nicht sagen, dass Andre nicht grade die personifizierte Gnade ist. Und was die Minenarbeiter angeht… Gerüchten Zufolge überlebt keiner von ihnen länger als ein Jahr. Aber… Es ist praktisch noch nie jemand aus den Minen entkommen, also weiß es keiner
genau.“ Hatte Cyrus sich bisher kein genaues Bild von dem Ort gemacht, so änderte sich das spätestens jetzt. Es klang wirklich nicht nach einer Stadt, die er jemals betreten würde, wenn es nicht unbedingt sein musste. So wie jetzt. Eine graue, von Eis und Schnee umgebene Zitadelle, die ihre Existenz dem Leid und dem Tod tausender Zwangsarbeiter verdankte. Natürlich wusste er, dass das wohl kaum der Realität entsprach. Silberstedt war wohl eine Stadt wie jede andere, kein düsteres, wenn auch vielleicht Kaltes, Gefängnis. Trotzdem fragte er sich, wie die Leute dort wohl bloß damit
umgingen… ,, Dann ist Eden eben die erste.“ , erklärte Cyrus entschieden. Es schien klar, das Andre die Gejarn irgendwo sicher wegschließen wollte, wenn er sie nicht tötete… und das würde Zachary einfach nicht zu lassen. Auf seinen Sohn würde der Lord ja hören. Zumindest hoffte er das. ,, Glaubt mir, wenn das jemand fertig bringt, dann sie. Und wenn nicht, helfen wir ihr eben dabei.“ ,,Genau das alter Freund, haben wir vor.“ , stimmte ihm Erik zu. ,, Aber einfacher wird es für euch beide so nicht, in die Stadt zu gelangen.“ Nein, dachte Cyrus. Das nicht. Aber er würde sich etwas ausdenken. Und
vielleicht viel auch Erik bis dahin etwas ein. Der Mann hatte ein Funkeln in den Augen, als schlummerte in seinem Kopf bereits eine Idee, die er lediglich noch nicht mitteilen wollte. Aber wie diese aussehen mochte, wollte Cyrus beim besten Willen nicht einfallen. Am nächsten mögen schließlich, klarte der Himmel auf und zeigte zum ersten Mal seit Tagen wieder etwas blau. Doch obwohl die Sonne schien, war es bitterkalt, als sie ihren Weg fortsetzten, immer weiter auf die dunklen Schatten der Berge am Horizont zu. Die Schneekappen, die sich auf den Gipfeln vom dunklen Gestein abhoben reflektierten das Licht und blendeten sie,
wenn sie zu lange hinsahen. Vermutlich würde die Kälte nur schlimmer werden, je weiter sie nach oben… und dabei auch nach Norden gelangten, dachte Cyrus. Hoffentlich hielt sich wenigstens das Wetter.
EagleWriter Lässt nicht lange auf sich warten^^ lg E:W |
abschuetze Okay^^ |
EagleWriter Keine Sorge die nächsten Kapitel dürften wieder etwas spannender werden ^^. lg E:W |