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Nach über fünfzehn Jahren

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"Und plötzlich standen sie vor Tür, mit einem Brief in der Hand"
Veröffentlicht am 10. Februar 2015, 24 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Und plötzlich standen sie vor Tür, mit einem Brief in der Hand

Nach über fünfzehn Jahren

Titel

„Irgendwie habe ich geahnt, das ihr eines Tages hier erscheinen werdet. Vor der Vergangenheit kann man eben nicht weglaufen. Irgendwann holt sie einen ein.“ Die Stimmung war hinüber. Zwar freute ich mich, meine Kinder nach über fünfzehn Jahren wieder zu sehen. Aber mit ihnen kamen auch die Erinnerungen, die ich bis dato verdrängt hatte. Weswegen ich weit weg von ihnen gezogen war. Damals hatte ich die Chance dazu bekommen und genutzt. Es war keine richtige Spontanaktion gewesen, da ich schon seit einigen

Jahren aus jener Stadt ziehen wollte. Weg von dem Umfeld und der Frau, der ich verfallen war. Als sich die Chance dann endlich bot, nutzte ich sie aus. Es tat mir auch sehr gut. Innerhalb weniger Wochen hatte ich Lust am Leben gewonnen. Das war vorher unvorstellbar für mich gewesen. Ich war am Ende meiner Kraft gewesen. Größtenteils nur Niederlagen erlebt. Sah keinen Sinn in meinem Leben. Das änderte sich fast schlagartig, als ich mit der Exfrau vom Mann meiner besten Freundin zusammenkam. Das heißt, er wollte mit meiner besten Freundin zusammen sein und war zu feige sich von seiner Frau zu trennen. Also tat ich mein Bestes, um

meiner besten Freundin zu helfen, mit ihrem Schwarm zusammen zu kommen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht damit gerechnet, das ich wirklich mit ihr zusammen komme und noch viel weniger, das ich mit ihr so lange zusammen bleibe. Es war nicht immer leicht gewesen und es kam vor, das ich sie verlassen wollte. Aber ich blieb dennoch bei ihr und bereue es nicht. Als meine Kinder plötzlich vor der Tür standen, bereute ich ein wenig, das ich einfach abgehauen war. Das ich einfach mein Sorgerecht abgegeben und sie nie wieder besucht hatte. Aber damals, als ich die Chance dazu bekam, abzuhauen, hatte ich, ehrlich gesagt, keinen

Gedanken an sie verschwendet. Als hätte es sie nicht gegeben. „Du freust dich ganz und gar nicht, uns zu sehen, stimmt´s?“, stöhnten sie. „Kommt rein. - Wie habt ihr mich eigentlich gefunden? Ich habe mir so viel Mühe gegeben, das mich keiner findet. Weder wollte ich mir das Gemaule der Jugendamtschlampe anhören, noch das Gejammer eurer Mutter. Beide haben unsere Ehe kaputt gemacht. Die Eine, weil sie ihre falschen Freunde zu wichtig nahm und die andere, war einfach nur dumm und hasste mich, weil ich ein Mann war. Besser gesagt, der Abklatsch eines Mannes. Die hackte nur auf mich rum.

Und wenn sie nichts Neues hatte, weswegen sie mir die Hölle heiß machen konnte, kramte sie uralte Geschichten aus. Eure Mutter sah ihre Fehler nie ein. Gab immer anderen die Schuld. Wiederholte ihre Fehler, anstatt daraus zu lernen. Deswegen wurdet ihr uns auch weggenommen. Die Männerhasserin machte uns von Anfang an klar, das ich nie eine Chance bekäme euch zu kriegen. Eurer Mutter machte sie klar, wenn sie einiges nicht dauerhaft ändert, ist sie die Kinder für immer los. Bewusst wurde ihr es, als ihr dann weg wart. Auf mich wollte sie nie hören. Bei ihrem Auszug war es doch das Gleiche

gewesen. Anstatt sich darum zu kümmern, ihren angesammelten Müll loszuwerden,...Kurz gesagt; ich und meine Freunde halfen ihr am Ende. Wer auch sonst. Dafür hasste ich mich. Deshalb wollte ich unbedingt weg. Weil ich sie immer wieder auffing. Immer wieder zu ihr ging und ihr half, obwohl ich wusste, das ich keinen Dank dafür bekam und das sie es nicht verdient hatte. Deshalb kam es mir sehr gelegen, das meine beste Freundin mit einem Typen zusammenkommen wollte, der mit seiner Frau sehr weit weg wohnte. Meine damaligen Säufer waren zwar alles Säufer. Aber wenigstens waren sie ehrlich. Waren da, wenn man sie

brauchte. Halfen kostenlos. Ich erwähne es nur, weil mich eure Mutter ständig gefragt habe, warum ich mit denen Kontakt habe. Immer, nachdem ich von ihr wissen wollte, warum sie die verlogene Schlampe, die sie für zu wichtig nahm, die sogar noch vor euch kam, als Freundin bezeichnete. Ihr hattet auch an ihr gehangen, obwohl sie viel auf euch gemeckert hatte und dafür sorgte, das eure Mutter den Kontakt zu mir sein lässt. Achja. Ihr wart beide auf eure Mutter fixiert. Meist war ich nur Luft für euch. - Jedenfalls kam ich mir so vor, wenn wir beide euch besucht haben – das war auch ein Grund, warum ich euch nicht

mehr besuchen kam und mein Sorgerecht für euch abgab.“ Man war ich fertig gewesen, als ich das alles von mir gegeben hatte. Dabei war es nur ein grober Querschnitt gewesen. War noch nicht einmal ins Detail gegangen. Aber das reichte schon, um den Saufdruck, den ich seit über vierzehn Jahren nicht mehr hatte, wieder aufleben zu lassen. Zwar hatte ich in den letzten Jahren alkoholische Getränke konsumiert, aber nicht in Massen, wie damals, als das ganze Theater war. Ich hatte gelernt, den Alkohol zu genießen. Mal ein Glas ein. Zu Silvester ein Gläschen Sekt. Zwischen durch mal ein Bier. Aber nicht

jeden Tag. Nicht mal jede Woche. Besoffen war ich schon lange nicht mehr gewesen. Dafür hatte meine Frau gesorgt. Und dafür war ich ihr sehr dankbar. Für das und alles andere, was sie für mich getan hat. Auf sie konnte ich mich verlassen. „Wir haben deine Brief erhalten, den du uns damals geschrieben hast. Vor über drei Jahren habe ich ihn wieder gefunden. Als ich meine Sachen packte, um in meine erste eigene Wohnung zu ziehen. Seit dem suche ich nach dir. In dem Brief hast du uns ausführlich beschrieben, was deine Beweggründe sind, warum du uns nicht mehr besuchen kommst. Damals hatte ich das nicht

verstanden. Aber jetzt... Ich habe mit Mama gesprochen. - Mehrmals. - Jedes mal hatte sie eine andere Meinung über dich. Meist negativ. Gab dir für alles die Schuld. Manchmal sprach sie auch ganz anders dir. Sah ein, das sie viel falsch gemacht hat. Sagte, das sie dir Dank schuldig sei, weil du so viel Geduld mit ihr hattest und immer für sie dagewesen warst. Selbst, wenn ihr Streit hattet, warst du für sie da.“ „Ich erinnere mich. Auch an meine Fehler. Selbst ich habe manchmal falsche Freunde gehabt und es nicht gemerkt. Vergaß, das ihr Kinder wart und es nicht besser wusstet. Das ihr alles

erst lernen müsst. Viel zu oft habe ich gemeckert und geschrien. Ab und zu rutschte mir auch die Hand aus. Aber ich habe mit der Zeit gelernt, es zu unterdrücken. Ruhe zu bewahren. Dafür rutschte eurer Mutter des öfteren die Hand aus, oder regte sich auf.“, erinnerte ich mich. „Hast du in den letzten Jahren an uns gedacht?“, fragten sie. „Um ehrlich zu sein, Nein. Ich habe euch, eure Mutter und alles andere verdrängt. Wollte alles vergessen. Diese Schönheit hatte mir dabei geholfen. Wir sind uns zwar nicht sicher, ob unsere Tochter meine leibliche Tochter ist, aber das ist mir, ehrlich gesagt, völlig egal.

Mit ihrer Geburt fing für mich ein neues Leben an. War damit mein altes Leben vergessen. Auch ihr. Es tut mir leid. Aber es war so. Wenn ich das Gegenteil behaupten würde, wäre ich wie eure Mutter und das will ich nicht. Die Wahrheit tut manchmal weh. Ich weiß das. Dennoch ist es besser, als belogen zu werden. Die Wahrheit zu verschönern, bringt nichts. Eines Tages wird sie ans Tageslicht kommen. Ob man will, oder nicht. Glaubt mir. Jede Lüge eurer Mutter flog eines Tages auf.“ „Bereust du, uns gezeugt zu haben?“ „Ja. Aber euretwegen. Ich habe mich gefreut, als ihr auf die Welt kamt. Das ihr dann aber so viel Scheiß erleben

musstet, das wollte ich nicht. Oft habe ich daran gedacht, wenn ihr nicht geboren worden wärt, würdet ihr nicht so leiden müssen. Eigentlich hatte ich gehofft, das eure Mutter Verantwortung übernimmt. Anfängt mit denken. Aber da hatte ich mich geirrt. Es tut mir leid, wie alles kam. Gern hätte ich es euch erspart. Als Einzelkämpfer ist man aber ziemlich Chancenlos. Das einzigste, was ich geschafft habe, ist, das ihr vom Kinderheim ins Kinderdorf kommt. Denn im Kinderheim wart ihr fehl am Platz. Weder gab es Erziehung, noch passte jemand wirklich auf euch auf. Ihr hättet ebenso gut bei

uns bleiben können. Ich ging der Schlampe vom Jugendamt auf den Sack, das sie euch woanders hinbringt, weil ich wusste, das sie euch niemals wieder zu uns geben würde, so lange sie lebte. Wenn ich daran denke, was da los war. Im Knast kann es nicht schlimmer zugehen. Außerdem kannte ich einige, die im Kinderheim waren; Alkohol und Gewalt. Wir waren froh, das ihr dann ins Kinderdorf kamt. Eure Mutter hatte Zweifel gehabt und ich Hoffnung. Als sie dann sah, wie es im Kinderdorf ist und wie ihr euch entwickelt, war sie dann auch froh, sich dafür entschieden zu haben, das ihr dahin kommt. Ihr hattet

euch zwar nicht mehr ganz so sehr gefreut, wenn wir kamen, aber euch ging es besser und wir durften mehr machen, von Anfang an. Wir hätten schon am ersten Besuchstag in die Stadt fahren dürfen. Das Kinderheim verbot uns ja alles. Wir hatten nur eine Ansprechperson. Die, die für euch zuständig war. Typisch blond und kaum erreichbar. Entweder grad nicht da oder im Urlaub. Wie gern wären wir öfter mit euch weiter weg gegangen, aber die haben es uns verboten. Seltsamerweise ging es im Kinderdorf, obwohl wir uns in der Gegend gar nicht auskannten.“ „Wir hätten nicht herkommen sollen.“ „Ach Quatsch. Ja, dank euch kommen

beschissene Erinnerungen wieder zum Vorschein. Aber ihr seid meine Kinder. Irgendwann wärt ihr mir wieder in den Sinn gekommen und ich hätte mich gefragt, wie es euch geht, was aus euch geworden ist. Klar tut es weh. Dennoch freue ich mich, das ihr zu mir gekommen seid. Ich hoffe nur, ihr versteht mich. Eure Schuld war es nicht, das alles so kam. Ihr wart nur die Leidtragenden. Wie ich. Wenn ihr wollt, bleibt. Die Couch ist zum Ausziehen. Ihr beide findet bequem drauf Platz. Oder hast du was dagegen, Schatz?“ „Ich schmeiße deine Kinder bestimmt nicht vor die Tür. - Ihr dürft so lange

bleiben, wie ihr wollt. Ich freue mich, euch kennenzulernen. Leider erfahre ich erst heute von euch. Aber nach diesem kurzem Gespräch, verstehe ich ein wenig, warum euer Vater mir nichts erzählt hat.“ „Ich weiß, ihr seid jetzt erwachsen. Aber wie wäre es, wenn wir morgen eure Kindheit ein bisschen nachholen. Drachen steigen lassen, Rad fahren und was Väter sonst so mit ihren Söhnen machen. Wenn ihr nicht wollt, ich werde euch nicht dazu zwingen. Es war nur so ein Gedanke. Zeit nachholen und so.“ Schweigen. Es war eine ungemütliche Stille. Meine Söhne dachten über meine Idee intensiv nach. Jedenfalls sah es so

aus. Auch wenn Salz in meine Wunden geschüttet hatten, indem sie einfach so bei mir auftauchten, waren es doch meine Kinder. Es tat mir auch leid, wie damals alles lief. Und auch wenn die Hauptschuld an der Kindesmutter lag, trug ich auch mit Schuld, das wir sie verloren hatten. Zu wenig hatte ich meine Rechte gefordert. Anstatt meine Meinung zu sagen, habe ich die Fresse gehalten. Um sie zu schützen, habe ich die Wahrheit verschwiegen. Ich habe sie nun mal endlos geliebt. Wollte nicht, das ihr jemand ein Leid zufügt. Als ich die Beiden so sah, wollte ich am Liebsten aufspringen und sie in meine Arme nehmen. Sie ganz fest drücken.

Tränen drückten schon. Aber ich ließ nicht zu, das sie sichtbar werden. „Es ist noch früh. Lass uns heute einen Drachen bauen und morgen steigen lassen.“, schlug mein Erstgeborener vor und mein Zweitgeborener nickte zustimmend. Also bastelten wir uns Drachen. Es machte riesigen Spaß. Später stieß noch meine Tochter dazu. Sie wollte unbedingt mitmachen, obwohl sie eigentlich aus dem Alter raus war. Aber sie hatte sich noch nie dafür interessiert, was altersbedingt ist. Sie hatte ihren eigenen Kopf und den setzte sie erbarmungslos durch. Meine Tochter. Man war ich stolz auf sie. Warum konnte

ich nicht so, wie sie, sein? Es war eine schöne Zeit, mit ihnen, gewesen. Wir hatten einiges nachgeholt. Zwar war es nicht das Selbe, als hätten wir es getan, als sie in dem Alter waren, dennoch genossen wir die Zeit miteinander. Seit dem Spontanbesuch, haben wir engen Kontakt. Sehen uns oft. Es ist zwar schade, das ich die anderen Jahre verpasst habe. Aber ich bin froh, das sie mich und meine Entscheidung verstehen. Das sie meine Frau und Familie akzeptieren. Sich mit allen verstehen. Wir reden nicht über ihre Mutter, die immer noch nicht falsche von richtigen Freunden unterscheiden kann. Meine

Kinder haben sich auch von ihr abgewendet, weil sie bei ihr nicht wissen, wann sie die Wahrheit sprach und wann sie log. Ob ihre Mutter wirklich Interesse an ihnen hatte, oder nicht. Ich zeige ihnen, das ich sie liebe. Das ich mich freue, wenn wir uns sehen. Nur manchmal denke ich noch daran, wie alles war und werde traurig. Frage mich, warum Gott all das Leid zulässt. Wieso musste ich so lange warten, bis ich mit meinen Kindern echten Kontakt habe? Ich weiß, das ich nicht der einzige Leidtragende bin. Das es viele Männer gibt, die ihre Kinder nicht sehen dürfen. Auch gibt es Eltern, denen die Kinder

einfach weggenommen werden, ohne ersichtlichen Grund. Und es gibt Eltern, die ihre Kinder behalten dürfen, obwohl sie sich nicht darum kümmern. Es gibt Kinder, die werden missbraucht, und keiner bemerkt es. All dies lässt Gott zu. Deswegen wende ich mich von ihm ab. Ich möchte keinen Gott, der Leid und Elend zulässt. Mein Gott schützt die, die sich an Gesetz und Ordnung halten und nicht die anderen.

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