Eigentlich hatte ich mir die Hölle anders vorgestellt. Heiß, rötlich grell und kaum Platz für die Füße, was den betretbaren Boden angeht. Ich dachte eher an feurige Lachen, die kaum Zwischenraum bieten. Aber nein, hier sah es ganz anders aus. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich ganz woanders war, als andere, kürzlich verstorbene Seelen. Der Teufel und ich schauen uns schon eine ganze Weile an. Eigentlich sieht er nicht aus wie der Teufel. Er schaut aus wie ein Mann in den Ende 40gern. Er scheint mir nicht zu glauben, dass ich, das größte Finanzgenie aller Zeiten, ihm gerade seine letzten Goldreserven im Spiel
abgenommen habe. Ungläubig starrt er auf die Fläche, auf der eigentlich sein Goldschatz liegen müsste. Doch da liegt nichts mehr. Ich habe es von den kleinen Helferlein auf meinen Platz bringen lassen. Zwar ist mir klar, dass das kein dauerhafter Zustand ist, aber erstmal ist das Gold meins. Wie ich dazu komme, mit dem Teufel zu spielen? Nun, das kommt dadurch, dass wir uns glaubwürdige Geschichten erzählen, die so unglaublich sein sollen, dass, immer wenn der eine den anderen mitten in der Geschichte unterbricht, derjenige einen Teil des Goldes verliert. Und ich darf anfangen. War ja klar, obwohl
ich damit gerechnet habe, dass ER anfängt zu erzählen, um MEINE Geduld auf die Probe zu stellen …:
Alles anders
Portal
Die Waffe im Anschlag, betrete ich den Raum. Eigentlich müsste hier das Grauen warten. Zumindest als Portal dienen. Aber – nichts dergleichen. Nur ein einsames Skelett, behängt mit einer Taucherbrille und Schnorchel, sitzt zusammengesunken vor einem Schrank, dessen Türen teilweise verschlossen sind, teilweise offenstehen. Ich sehe mich um und
kombiniere anhand der Dinge, die mich umgeben, meine momentane Situation. Rechts unten steht eine rote Kabeltrommel. Die Steckdose befindet sich in unmittelbarer Nähe der sitzenden Knochen. Noch immer erwarte ich das Ungeahnte. Es ist viel zu still hier. Ich kann einfach nicht glauben, dass hier niemand wartet. Auch sind keine Flecken zu sehen. Zumindest der Boden müsste von Honiglachen bedeckt sein. Auch keine Haken hängen von den Decken, keine Schreie durchforsten den Äther des Raumes – nichts! Das ist unheimlicher, als wenn es sofort losgehen würde …
Dachboden
Ich stoße auf eine Treppe. Was soll schon passieren, denke ich, beschließe aber wachsam zu sein. Ich tappe die Stufen hinauf. Kleine Staubflocken wirbeln leicht bei jedem Schritt und sinken langsam zu Boden. Oben angekommen, öffne ich die kleine Tür. Dunkel – wie zu erwarten war. Kein Honig, kein Fallbeil, keine rumhängenden Pfefferminzstauden. Einfach nur eine Art Wäschekammer, oder eher Rumpelkammer, die eher an einen Keller erinnert, als an einen Raum auf dem Dachboden. Nur ein Lichtschalter hängt informe einer
kleinen Lichterkette von der Decke herab. Ich ziehe einfach mal dran. Und schon entflammen Hunderte von kleinen Weihnachtsbaumlämpchen nebst dem dazugehörigen Tannenbaum den kleinen Raum. Was für eine Herrlichkeit inmitten dieses kleinen Zimmers. Und in welchem Bezug zu dem, was ich eigentlich hier erwarte? Ich beginne an mir zu zweifeln. Bin ich auch richtig? Ist es die richtige Dimension? Ich muss einfach am richtigen Ort sein! Ich ziehe die Schnur nochmals und verlasse diesen unwirklichen Ort. Die Tür lasse ich offen, vielleicht komme ich noch einmal zurück …
Foyer
Die Kabeltrommel hört plötzlich auf zu summen. Nanu? Kein Saft mehr? Nee – ich hab wohl zu sehr gezogen. Wird wohl der Stecker rausgeflutscht sein. Aber jetzt brauche ich sie auch nicht mehr. War sowieso unhandlich. Ich halte mich lieber an meine Waffe. Die liegt wohlausgewogen in meiner rechten Hand. Jedes weitere Teil wäre da überflüssig. Die Thermalskala liegt auch im vollen Bereich. Also – was soll schon passieren? Ich gehe zum Anfang zurück und befinde mich im Foyer. Rechts kam ich herein. Das
Dimensionstor hat sich bereits geschlossen. Beruhigt taste ich nach dem kleinen, kaum auffälligen Kästchen an meinem linken Armgelenk. Jederzeit kann ich zurück. Aber – noch ist es nicht soweit. Schließlich gilt es doch hier mal gehörig aufzuräumen. Eigentlich … Doch diese Situation … Was soll's, nun bin ich ja da und muss wenigstens schauen, was draus zu machen ist! Vor mir steht eine große, durchsichtige Weinampulle. Bestimmt mit 25 Litern Fassungsvermögen. Die kommt mir bekannt vor! Beim letzten Mal war sie noch randvoll und diente mir als
Brandbeschleuniger, auf der Flucht vor den Monstermassen, deren Klauen ich im letzten Moment enteilen konnte. Ich erinnere mich genau, es war genau hier …
Damals
… musste ich schneller sein. Rasselnd im Atem klappte die Tür hinter mir zu. Aber der Mistkerl holte auf. Dieses Fratzengesicht mit nur einem Auge schwang seine stinkende Kettensäge. Das Schwert kreischte empört auf und schnitt rauchend die Bretter der Tür ein. Wohin, wohin? Nächste Tür! Rein und zu! Meine Klamotten waren lädiert. Mein
aufgescheuertes Knie brannte. Aber noch war ich nicht von dieser Welt! Ich legte meine Wumme an. Komm du nur, dachte ich, komm und hol dir eine Ladung Schrot! Mein Nuklearvorrat war schon längst verbraucht. Aber es hatte sich gelohnt! Bald schon würde ich vor IHM stehen und die letzte Schlacht schlagen …
„Und?“, entfährt es dem Teufel voller Ekstase vom Zuhören, dessen Neugierde ihm schon lange ins Gesicht geschrieben steht, „wie ging die Schlacht aus?“ Doch dann erschrickt er, weil er mitbekommt, dass er verloren hat. Und damit einen Teil des Goldes verliert.
„Tja“, meinte ich, „wer keine Geduld hat, muss fühlen. Du hast die Regel gestellt!“, weise ich den Teufel zurecht. Er nickt betrübt. Doch das darauf brisante Glimmen in seinen Augen beweist mir, dass er sich nicht geschlagen gibt. Vielleicht will er mich ja später parodieren …
Doktorspiele
Tom, Nina und Anja treffen sich, wie ĂĽblich, an der groĂźen Eiche.
Es ist ein herbstlicher Samstagmorgen. Keine Verpflichtungen stehen an, die die drei voneinander trennen könnten.
Tom sitzt wie ĂĽblich im Schneidersitz
am Stamm und sieht dem Kommen der beiden Schönheiten gelassen entgegen. Was sollte er auch sonst tun. Langeweile ist nicht sein Ding. Und so wartet er eben. Nina und Anja begrüßen ihn schon von weitem mit einem fröhlich, freundlichen: „Hallo, du alter Sack“! – wobei sie, wie Mädels nun einmal sind, gelassen schelmisch kichern.
Zusammen sitzen sie da und beratschlagen, was denn mit dem heutigen Tag anzufangen sei. „Wir könnten Fangen spielen.“, meint Anja.
„Nööö.“, lehnt Tom ab, „dass hatten wir erst
gestern.“
„Wie wär’s dann mit Verstecken?“, fragt Nina.
„Hm, das wäre mal was Neues.“, meint Anja, „aber wo soll man sich hier verstecken?“ Alle schauen in die Runde. Die abgeernteten Felder leuchten wie zum Hohn in allen erdenklichen Farben.
„Wir spielen heute Doktor!“, sinniert Nina.
„Fein!“ Anja und Tom klatschen vor Freude in die Hände.
„Wer ist der Doktor?“, fragen beide fast gleichzeitig.
„Natürlich Anja.“, meint Nina. Tom versucht seine Enttäuschung zu
verbergen. Immer die! Dabei würde er einen hervorragenden Doktor abgeben. Überhaupt den Besten. Tom ist sich sicher, dass er der beste Doktor weit und breit sein würde. Und nur Jungs könnten Doktor sein! Schon Zuhause hatte er heimlich geübt. Toms Augen werden feucht vor Erregung!
Seiner Schwester das Fieberthermometer heimlich in den Po rammen, kann er schon. Auch das Herzabhorchen mit dem Stethoskop-Ersatz, welches bei ihm ein abgenutztes Trinkhälmchen mit vorgehaltener Faust darstellt, klappt recht gut. Nur, seine Patientin hat
sich bisher mit Händen und Füßen gewehrt, was er nicht verstehen kann, schließlich ist es seine Pflicht als Doktor, zu helfen, ob der Patient will oder nicht.
Und Anja? Als Doktor? Hilfe! Anja ist immer so wollĂĽstig. Und man muss
immer „Danke, Frau Doktor“ sagen. Gut. Vielleicht hat sie ja heute ihren guten Tag. Dann könnte man noch hoffen, glimpflich durchzukommen.
„Nina ist die Schwester!“, kommandiert Anja. Natürlich Nina! Tom will auch mal Schwester sein. Warum muss er immer den Patienten spielen? Er bockt. „Aber Tom, Patient sein ist doch schön!“, tröstet ihn Nina. „Immer kerzengerade im Bett liegen, sich füttern lassen und abends gibt es eine Geschichte.“ Tom schaut schon versöhnlicher.
„Na gut, dann will ich gern der Patient sein.“, meint er, nicht so ganz einleuchtend überzeugt.
„Der Tom hat bestimmt schlechte Erfahrung gemacht!“, mutmaßt der Teufel einwerfend. „Ich wäre bei den
zwei Mädchen auch sehr vorsichtig …!“ Dann besinnt er sich und meint wegwerfend: „Nimm schon deinen Anteil und erzähle weiter, ich weiß…!“ Ich seufze. Ob es mir jemals gelingen wird, ohne Unterbrechung? Das müsste mit dem Teufel zugehen, denke ich und grinse vor mich hin, mir klarwerdend, in welchem Bezug ich das gerade gedacht habe …
Nur zwei Schrauben
Die Regierung ist hier klein
Doch klein heiĂźt leider auch: gemein
So schmiedet sie ganz heimlich Ränke
FĂĽr Tom heiĂźt dies dann:
Küchenschränke
Und da Tom nicht gleichzeitig die Schränke halten und anschrauben kann, benötigte er mal wieder ollen Andy. Andy hilft ja gerne, wenn er kann. Also fuhr Andy zu Tom. Tom und Andrea, die Regierung von Tom, hatten sich ein neues Haus gekauft. Die Renovierungsarbeiten waren soweit fast abgeschlossen. Nun sollten die Küchenschränke an die Wand.
Und schon ging es los. Andy sah sich einer schier unübersehbaren Zahl von Beutelchen mit Schrauben und Winkeln gegenüber. Ikea – aha, alles
klar. Ein sogenannter Männerbaukasten. Wobei es auch Frauen gibt, die mit dem Zusammenbau besser zurechtkommen, als eben manch zu geradlinig denkende Gegenstücke, grins.
Die Wände bestehen aus Gipskarton, dahinter ist Sperrholz. Tom hatte Haken geholt mit entsprechenden Dübeln dran, die sich beim Verschrauben der Haken an die Wand von hinten anpressen sollen. Zwar hatte Tom die Haken, aber nicht das dazugehörige Werkzeug beschafft. Da brauchte man nämlich
ein Tigerauge, das ist eine bestimmte Zange, um die Haken festzuhalten beim Verschrauben in der Wand, sonst würde sich der Dübel ja mitdrehen. Jedenfalls vermaß Tom schon mal die Höhe für die Bohrlöcher. Dann angezeichnet und losgebohrt. In der Beziehung hat er was drauf. Ich hätte einfach die Schränke an die Wand gehalten, natürlich einzeln – grins, und hätte dann das Loch des Schrankes angezeichnet. Profis machen das jedenfalls anders und – im Beispiel Toms – manchmal sogar sehr
ĂĽberzeugend.
*
„Ich hätte die Wand um die Schränke gebaut!“, brüllt der Teufel lachend dazwischen. „Man“, zische ich wütend, „du musst einem aber auch jede Geschichte versauen! Eine Chance hast du noch, dann gehört mir alles, verstehst du? Alles!“ Der Teufel erschrickt. Wenn er sich doch nur zusammennehmen könnte …
Er bittet mich, es noch einmal zu probieren. Jetzt würde er garantiert …! Ich winke ab. Zu oft schon kam ein solches Versprechen. Wenn das Gold nicht wäre, hätte ich schon längst das Weite gesucht. Doch der gelbe Glanz
wirkt auch verlockend auf mich …
*
Wenn ich mir ein Raumschiff bauen würde …
… täte ich nicht etwa mit dem Triebwerk anfangen, mit den Seitenflossen, die sowieso im Raum nicht Verwendung finden, also zwecklos wären, oder gar mit dem Rumpf und den technischen Begebenheiten – nein, ich würde zuerst bei den sanitären Einrichtungen anfangen, vorgeblich dem Klo. Denn was nützt ein voll technisiertes Raumschiff, wenn das Klo nichts weiter ist als ein Loch im
Boden? Hier kann man nicht einfach ein Plumpsklo bauen, denn es plumpst nichts irgendwohin, wenn keine Schwerkraft vorhanden ist und die Richtung muss auch bestimmt werden, in die das Fallrohr hinleiten soll, damit man weiß, das Zeug fällt nach draußen und nicht etwa als schwebender Ballast an die Decke. Oder sonstwohin.
Ein Klo einzurichten, erfordert natürlich vollstes Einfühlungsvermögen in die unterschiedlichen Gewohnheiten der Menschen im Allgemeinen, denn einfach nur draufgehen, alles raus und fertig – ist nicht! Und mir soll
keiner kommen mit den Bequemlichkeiten des sanitären Abzugs im Raumanzug! Was ist, wenn der betreffende Träger Durchfall hat? Und statt trockenen Fürzen auch feuchte hat? Vom Gestank mal ganz zu schweigen, denn ich glaube nicht, dass die Luftaufbereitungsanlage im Raumanzug in der Lage ist, dieser Situation Herr zu werden. Der arme Träger wird in seinem eigenen Mief ersticken, wenn’s ihn nicht schon vorher von den Socken gerissen hat, bei den Winden, die plötzlich um ihn herrschen und er ins Koma tänzelt. Oder es hat ihn erschlagen von der plötzlich herrschenden
Feuchtraummatrix infolge der feuchten Darmanfälle. Und was beim, bzw. im Raumanzug passieren kann, geschieht ja auch öffentlich, wenn man vom Klo im Raumschiff von öffentlich reden kann. Da sollten also die Dämpfe auch dort bleiben und nicht im ganzen Raumschiff verteilt werden. Das einfachste wäre – wenn schon keine Schwerkraft herrscht, im Klo sollte sie vorherrschen, bzw. da sollte angefangen werden, Schwerkraft einzurichten. Das einzige Problem ist aber noch, was ist, wenn man das Bad verlässt und ein feuchter Furz entfleucht. Trockene Luft kann gesäubert
werden, aber feuchte? Und einfach das Fenster öffnen geht nicht. Oder doch? Denn dann wäre es doch soooo einfach …
„Hahaha, du bist ein Witzbold!“, entfährt es dem Teufel. Ich sitze
gelassen im Sessel. „Tja, mein Lieber, das war dann dein letzter Anteil. Vielen Dank für das Gold!“, bedanke ich mich. Der Teufel fährt in die Luft. „Was? Nichts mehr da? Ich Esel …“
Der Teufel sieht ziemlich bekümmert aus. Natürlich sage ich ihm nicht, dass die Geschichte längst zu Ende ist. Ich werde doch das letzte Gold nicht wieder hergeben! Schließlich habe ich alle Zeit der Welt.
Und vor mich hingrinsend, lasse ich einen in sich versunkenen Teufel zurück und verschwinde schwer bepackt, bevor es sich der um sein Gold Erleichterte noch anders überlegt …