Der letzte Augenblick
Meine Gedanken begannen sich zu häufen. Als spiele sich alles was mich bewegte vor meinen Augen ab. Alles was mich berührte sah ich, immer wieder. Jede Sekunde begannen die Szenen von neuem, aber keine dieser Szenen endete. Sie blieben offen. Offen wie das Fenster vor mir, welches kühle Luft reinwehen ließ. Ich sah zum Mond, zu den Sternen, wünschte mir, ich wäre dort, irgendwo. Und als ich an die herrliche Einsamkeit dachte, die mich dort genauso umhüllen wie erfüllen würde, wurde die Kühle zur Kälte, und die lang unterdrückte Furcht, wurde zur entfesselten Panik. Die Panik vor dem Kreislauf, vor dem unendlichen
Ringelspiel, bis sich meine Seele übergeben muss. Ich hatte etwas in mir unterdrückt. Nein, nicht nur ,etwas', sondern ,mich'. Seit meiner Geburt tat ich das. Ich tat es für andere. Ich wollte perfekt sein. Perfekt für andere, und andere wollten mich perfekt. Doch ich war nicht perfekt, aber meine Fassade war es. Und je besser ich für andere war, desto unwirklicher war ich für mich. Ich habe kein wahres Gesicht, keinen wahren Charakter, keine wahren Gefühle. Nichts an mir ist wahr. Alles an mir ist eine Lüge. Ich bin eine Lüge. Vielleicht gibt es mich, aber ich weiß nicht wo, wo ich suchen soll, wo ich mich finden kann. Wo ich bin. Wo bin ich? Ich finde mich
nicht. Bin ich wirklich in diesem Körper? Gehört dieser Körper zu mir? Bin ich der Körper? Nein, ich bin nicht dieser Körper. Der Körper ist meine Maske, mein Gefängnis. Ich will raus aus dieser Hülle. Ich will Freiheit spüren, wie die Dunkelheit um mich. Ich will raus. Ich umklammerte den Griff des Messers fester. Ich hatte Angst. Meine Seele war in Trümmer, mein Herz zerrissen. Es fehlt nur mein Körper, der über meine Seele und mein Sein herrscht. Doch mein Körper hat eine Leibwache, die Ursache meiner Angst: den Schmerz. Doch was konnte mehr weh tun, als das Leben selbst? Gleichgültigkeit erfüllte mich, die mich zu jener Bewegung
hintrieben. Ich durchschnitt mir die Pulsadern. Ich lies das Messer fallen. Und dann gab es nur noch das Blut, und das Nichts. Keine Geräusche mehr. Keine Gedanken mehr. Keine Angst. Da war nur dieses Gefühl. Ich sah dieses Blut aus dem Messerschnitt quellen, und wusste, dass nicht nur das Blut, sondern auch das Leben aus meinem Körper floss. Es war so schön. So wunderschön. Dieses Rot hatte eine wunderschöne Farbe. Ich fiel. Dann sah ich den Mond. Der Mond, umarmt von der Dunkelheit. Ich umarmt von der Einsamkeit.
Ich war befreit von den Gedanken, und der Angst. Und als ich erlöst dalag, wurde mir zum ersten Mal klar, wie
schön der Mond war. Der Mond war das Letzte was ich sah. Doch nicht, weil ich meine Augen schloss, denn ich wagte nicht meinen Blick von dem wunderbar hellem Fleck mitten im Dunkel abzutun, sondern weil mein Sinn erstarb. Das letzte was ich wusste war, dass ich mit meinem ersten Lächeln, dass nicht auf meinen Lippen, sondern im Herzen zu sehen war, starb.