Seit einiger Zeit leben Cat und Jens zusammen in Berlin. Trotz diverser Probleme in ihrem Umfeld führen sie eine glückliche Beziehung – bis zu dem Tag, an dem ein dringender Hilferuf Cat erreicht!
Denn diesmal wurde es bei mir spät. Oder früh, je nachdem ... Aber eigentlich war es ein Grund zur Freude, ganz klar, denn ich hatte schon gedacht, das Ganze würde erst in meiner Abwesenheit passieren. So aber entschloss sich unsere Giraffendame Koobi nach 17 Monaten Tragezeit nun doch schon in dieser Woche, ihr Kalb zu bekommen! Sogar der Reviertierpfleger des Giraffenhauses und alter Hase Thomas Messinger war aufgeregt, als er die ersten Anzeichen meldete und mich holen ließ. Koobi, für die es die erste Geburt werden sollte, lief extrem unruhig in ihrem Stall herum, ließ sich aber durch die Trennstäbe vorsichtig untersuchen. Vielleicht taten ihr die sanften Berührungen gut, denn die Kontraktionen konnte man fast mit bloßem Auge
sehen! Doch trotzdem ließ sich die Gute dann als typische Erstgebärende sehr viel Zeit und es dauerte noch etliche Stunden, bis die Austreibungsphase begann. Die ganze Zeit über war jemand von uns anwesend, auch Dr. Jarofke, der für meinen Urlaub aus seinem Ruhestand reaktiviert worden war und meinen Vertreter, Dr. Mühlen, unterstützen würde. Letzterer würde sogar wie schon Dr. Jarofke aufs Gelände ziehen, in die Dienstwohnung zwischen Robben- und Zebragehege. Das zu tun hatte ich bei meiner Einstellung verweigert, ich wohnte nah genug, um auch Nachts im Notfall schnell genug da zu sein. Zum Glück dachte auch jemand aus dem Team an uns und versorgte uns mit belegten Brötchen, heißem Kaffee und Tee. Jens hatte
natürlich Verständnis gehabt, als ich ihn kurz telefonisch informierte, er wusste, wie sehr mich jede Geburt dieser seltenen Tiere freute. Schließlich ist die gerade bei den Giraffen immer eine doppelt aufregende Angelegenheit, weil das Kalb als erstes mal rund zwei Meter abwärts auf den Boden plumpst, wenn es geboren wird. Das einzige, was man da tun kann, ist, eine möglichst dicke Schicht Stroh auf den Boden zu bringen; die darf aber wieder nicht zu hoch sein, dass sich die Mutter nicht mehr bewegen könnte … Da kann der Zoo wirklich stolz auf seine Leute sein, denn die hatten die nötige Erfahrung, um das genau richtig zu machen. Und es ist wirklich so ziemlich das einzige, was wir vor Ort tun können, denn bei der Geburt an sich helfen oder eingreifen wie bei einem Pferd oder einer Kuh konnte man hier nicht. Nur beobachten und für den absoluten Notfall das
Nötige parat haben …. Aber Koobi hatte Glück, genauso wie ihr Kalb: Um 3:43 Uhr plumpste ein gesundes kleines Giraffenmädchen ins Stroh und wurde sofort von seiner Mutter abgeleckt, worauf es sich auch bald regte. Schon 40 Minuten später übte es sich das erste Mal im Aufstehen, was bei jetzt schon so elend langen Haxen gar nicht so einfach war! Aber was sollte die Kleine machen, der Hunger und die Instinkte trieben sie hoch und im fünften Anlauf schaffte sie es, schwankend stehen zu bleiben und dann sogar zur Mama hin zu staksen. Wir mussten uns echt zurück halten, nicht laut zu jubeln! Als das Baby zum ersten Mal trank, gönnten auch wir uns reihum einen Schnaps und stießen auf die erfolgreiche Geburt an. „So, jetzt lassen wir die Zwei sich erst mal in Ruhe kennen lernen, die Grunduntersuchungen
können wir morgen machen”, bestimmte ich und sah auch den Veteranen unter uns Tierärzten zustimmend nicken. Obwohl er ja etliche Jahre mehr an Erfahrung auf dem Buckel hatte, war er immer wenn er aushalf so zurückhaltend, meine momentane Führungsposition zu respektieren. Er war es auch, der mich rasch nach Hause fuhr, seine Ritterlichkeit verhinderte dann doch, dass er eine Frau um diese Uhrzeit alleine durch die Straßen gehen ließ. Diesmal zog es mich unter die Dusche, so toll riecht Giraffenstall nun auch nicht, dann kroch ich todmüde zu Jens ins Bett. Der brummte nur und machte Platz, damit ich mich an ihn kuscheln konnte, dann war ich auch schon weg. Und wachte erst auf, als mich Sonnenstrahlen an der Nase kitzelten, was im Winter nun mal erst spät der Fall war, aber klar, ich hatte mir
den Wecker absichtlich nicht gestellt. Und natürlich war der Platz neben mir schon leer, dafür fand ich einen Zettel von Jens, auf den er mit seiner gestochenen Handschrift geschrieben hatte: – Guten Morgen, meine fleißige kleine Geburtshelferin. Dein Baby ist schon in den Morgennachrichten im Radio, herzlichen Glückwunsch! Leider werde heute schon wieder ich am Abend nicht da sein, aber wenigstens hab ich mich mit der Galerie einigen können. Danke für deine Idee, Stanley mitzunehmen, unserem geballten Charme konnte die alte Schachtel nicht widerstehen :-) Aber jetzt müssen Sabine und ich uns natürlich arg beeilen, alles für morgenAbend
für die Vernissage vorzubereiten, bitte vergiss den Termin nicht! Ist ja gleichzeitig unser Abschiedsabend hier in Deutschland. Geliebtes Kätzchen, du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue, demnächst mal mehr Zeit mit dir zu verbringen! In Liebe Dein 'Retter' Jens – Ein bisschen musste ich schmunzeln, als ich seine Zeilen lass, so schrecklich viel Zeit würde ich anfangs nicht für ihn haben, aber er ahnte sicher, dass die Nächte ganz ihm gehören
würden. * Natürlich wurde es am letzten Tag im Zoo noch einmal so richtig hektisch, ich hatte ständig das Gefühl, bei der Übergabe an Dr. Mühlen was vergessen zu haben und ich gebe zu, manche Schützlinge ließ ich nicht gern allein. Doch es gab im Moment andere dort in Afrika, die meine Hilfe dringender brauchten, das half mir, mich zu verabschieden, außerdem war ich ja nicht für ewig weg. Eine Dusche verhalf mir zu neuer Energie und ich machte mich, während die Jungs ungeduldig mit den Hufen scharrten, extra schön für diesen Abend, schminkte mich sorgfältig und schlüpfte
ins kleine Schwarze, das elegant meinen Körper umspielte und eine interessante Rückenansicht frei gab. Damit drehte ich mich einmal stolz vor Niels und Stanley, die auch brav applaudierten. „Katy, du siehst toll aus!”, lobte mich mein Stiefsohn und mein lieber Bruder fügte an: „Stimmt, Kitty, ist doch ein Wunder, was Make-Up kann, vorhin als du kamst hab ich noch gedacht, au weia! Aber jetzt schaust du nicht mehr so müde aus.” Ach ja, Geschwisterliebe, mein Brüderchen war ja mal wieder überaus charmant! „Na herzlichen Dank”, murrte ich. Aber in einem hatte er ja Recht, müde war ich nach dieser Woche schon. „Es gibt ja noch Leute, die arbeiten müssen, sorry, dass ich da mal müde ausschaue! Aber morgen kann ich ja ab Frankfurt im Flieger
pennen.” Stan grinste und bot mir galant seinen Arm. „Hör nicht auf den Kleinen”, sagte er, was ihm wieder mal ein wütendes Schnaufen einbrachte, „du siehst immer toll aus. Und wenn du morgen erst mal 14 Stunden geschlafen hast, kannst du ja nicht anders, als fantastisch ausschauen!” Lachend hakte ich mich ein. „So ist es recht. Aber ganz so ein Dauerschlaf wird’s dann doch nicht, ich kenn die Strecke ja, der Flieger braucht bis Windhoek nur knappe 10 Stunden.” Seine Augenbraue zuckte in einer nur zu bekannten Art und Weise nach oben und er fragte „Windhoek? Wieso Windhoek?!?” Mein Stiefsohn, der ja eigentlich sogar etwas älter war als ich, guckte immer noch fragend und ich runzelte kurz die Stirn. „Ja klar,
Windhoek!” Dann fiel mir ein, dass die letzten Tage für uns beide, Jens und mich, doch extrem anstrengend und hektisch gewesen waren und dass die Jungs anscheinend noch nicht über die Änderung unserer Pläne informiert waren. Was ja auch nicht so schlimm war, denn de facto würde sich dadurch für sie gar nichts ändern. Deswegen fuhr ich fort, während wir die Treppe runter gingen: „Habt ihr wahrscheinlich nicht mitgekriegt, aber ich muss überraschend nach Namibia, auf meiner alten Wirkungsstätte gibt’s Probleme, da muss ich helfen.” „Ja aber”, warf nun Niels ein, „ihr wolltet doch nach Südamerika?” „Niels”, antwortete ich geduldig, „das versuche ich ja gerade zu erklären, das Reiseziel hat sich halt geändert!” „Echt?” Stan schien sehr überrascht. „Echt!”, gab ich zurück und verdrehte die
Augen. „Komisch”, meinte Niels und murmelte „ich könnt schwören, dass ich die Tickets für Buenos Aires gestern noch auf Jens' Schreibtisch gesehen hab ...” In diesem Moment hupte das Taxi und ich scheuchte meine Begleiter vorwärts. „Ja, ich weiß, aber vielleicht braucht man das heute beim Stornieren nicht mehr, sie zurückgeben”, grübelte ich halblaut vor mich hin. Oder er hatte keine Zeit zum Zurückgeben gehabt, na, das würde knapp werden, denn eigentlich sollte es morgen ganz früh mit dem ersten Flug nach Frankfurt los gehen, Schlafen war tatsächlich für diese Nacht keine Option, weil wir noch Packen mussten! Egal. „Aber jetzt macht hinne!”, scheuchte ich die Männer zum wartenden Taxi, dessen Tür mir Stan dann
aufhielt. Bei der Ankunft erinnerte sich auch mein Bruder an seine guten Manieren und hielt mir die Tür auf, an seinem Arm betrat ich dann auch die Galerie. Noch war nicht viel los, um so eifriger stürzten sich die vereinzelt anwesenden Fotografen auf uns, so dass ich froh war, mich zurecht gemacht zu haben. Es handelte sich hauptsächlich um ein paar Journalisten aus dem Bereich der Fotokunst, da Rollen D. Rubel ja inzwischen mit dieser dritten Ausstellung ein gewisses Renommee erworben hatte, dazu natürlich welche aus der Musikbranche und die üblichen lokalen Boulevardreporter. Es war inzwischen eine Art offenes Geheimnis, dass Rollen D. Rubel verheiratet war, das sah man allein schon am Ehering, den er offen trug. Und auch, wenn wir zusammen 'erwischt'
wurden, verhielten wir uns ganz normal, das war ein guter Tipp seines Bandkollegen Pfanni gewesen. Der hatte in einem Interview mal sinngemäß gesagt, dass er es überhaupt nicht einsehe, wegen dieser ständig um ihn herum kreisenden Hyänen auf ein normales Verhalten zu verzichten geschweige denn, sich einen spontanen Kuss zu verkneifen, wenn ihm einfach danach war! Gut, knutschen würden wir vor der Kamera sicher nicht, aber man hatte uns schon händchenhaltend abgelichtet. Jedoch verweigerte Jens einfach standhaft jeden Kommentar dazu in Interviews, so dass sich die Reporter meistens voller Begeisterung auf mich stürzten, wenn wir mal zusammen in Erscheinung traten. Das machte mich immer noch nervös und ich war froh, heute nicht allein hier lang zu
marschieren, fühlte mich in dem Blitzgewitter schrecklich unwohl. Natürlich kannten sie inzwischen auch meinen Namen und wahrscheinlich würde am nächsten Tag vor allem den Altersunterschied thematisiert werden. War Jens deswegen auf so dumme Gedanken gekommen, die ihn seit seinem Geburtstag umtrieben …? Aber die würde ich ihm schon austreiben in den nächsten Tagen und Wochen! Vielleicht wegen dieser Aussichten glühte ich auf den Fotos von der Eröffnung regelrecht von Innen heraus, als ich am Arm meines Bruders über den roten Teppich schritt. Wie eigentlich immer zu diesen Gelegenheiten war Jens fast schon trotzig lässig gekleidet, eine Bundfaltenhose zum schwarzen Hemd war sein einziges Zugeständnis an die Feierlichkeit.
Er wusste, dass ich seinen Hintern in dieser Hose liebte und hatte sie vielleicht deswegen gewählt, mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als ich ihn dort umrahmt von den üblichen Verehrerinnen stehen sah. Und auch Jens' Augen leuchteten auf, als er mich sah und sich von der Gruppe löste. Er begrüßte mich mit einem Küsschen auf die Wange, flüsterte mir dabei ins Ohr „Du siehst hinreißend aus!”, was ich mit einem kleinen Kieksen wie ein nervöser Teenager quittierte. „Du solltest erst mal den Rücken sehen”, raunte ich zurück und instinktiv legte er die Hand darauf, spürte prompt nur nackte Haut und keuchte einmal leise. Dann flüsterte er etwas und ich verstand soviel wie „Hoffentlich gibt es gute Hotels am Flughafen, länger werde ich es nicht aushalten, egal wie viele Pesos es kostet!” „Dollar”, korrigierte ich automatisch und er
zuckte mit den Schultern, da wurden wir auch schon wieder unterbrochen, von Sabine, die mich herzlich begrüßte. Sie strahlte vor Stolz über das Aufsehen, welches diese Vernissage verursachte. Mit dieser Ausstellung war Rollen D. Rubel endgültig im Olymp der bildenden Kunst angekommen und an deren Zustandekommen war sie maßgeblich beteiligt. Deswegen erwiderte ich ihre Umarmung genau so herzlich und nickte lachend, als sie dem Kellner winkte und meinte, wenigstens ich würde ja sicher stellvertretend für meinen Mann mit einem Glas Sekt mit mir anstoßen. Auch meine Begleiter wurden versorgt, dann wurde Jens schon wieder mit Beschlag belegt. Er zog überraschend meine Hand zu einem Handkuss heran und wisperte „Schaut euch ein bisschen um, ich hab nachher noch eine
Überraschung für dich!” Wir zogen uns ein Stück zurück, wanderten durch die Ausstellung, zu der uns Stan einiges erzählen konnte, er war ja zum Teil dabei gewesen, als Jens sie positioniert hatte. Ich dagegen konnte zum einen oder anderen Foto etwas über seine Entstehungsgeschichte erzählen oder warum er es ausgewählt hatte, vieles davon hatte er mit mir geteilt. Witzig waren immer die kleinen technischen Schildchen, die ganz genau Auskunft darüber gaben, mit welcher Kamera, welchem Objektiv, welcher Blende, welcher Belichtungszeit etc. etc. das Foto aufgenommen worden war, das hätte für mich auch chinesisch sein können! Aber den meisten Fotografen würde es sicherlich auch bei der anatomischen Beschreibung eines Gibbonarmes so
gehen. Plötzlich hörten wir das Klingen eines Löffels an einem Sektglas und eilten zu der kleinen Bühne zurück, denn nun begann der offizielle Teil. Es war diesmal wesentlich feierlicher als beim ersten Mal und es wartete auch ein üppiges Buffet auf die Gäste. Zu Wort kamen zunächst jemand von LUMAS, dann die Galeristin und zuletzt durfte der Künstler selber etwas sagen. Mit einem strahlenden Lächeln begrüßte er die Anwesenden, die heute übrigens nur auf Einladung hier waren, ein generelle Öffnung hätte sämtliche Kapazitäten überlastet! „Ich freue mich sehr, hier mit Ihnen einiges von dem, was mir auf meinen Reisen begegnet ist und was mich bewegte teilen zu können. Ja, man kann sagen, ich bin überaus privilegiert.
Denn ich bin in der glücklichen Lage, meinen zwei, nein, inzwischen drei Lieblings-Hobbys nachgehen, Musik machen, Reisen und dabei fotografieren. Unglaublich, dass ich für eines davon auch noch Geld bekomme!” Das Publikum lachte, denn die meisten wussten ja, was er meinte. Sämtliche Einnahmen bzw. die Reinerlöse seiner Bilder und Bücher spendete er an diverse Organisationen. Dass darunter seit vielen Jahren auch das Abendroth-Haus in Hamburg dabei war, wusste nur ich. Jens fuhr fort „Aber insgesamt verdanke ich meine Zufriedenheit auch der Tatsache, dass ich immer den Rücken frei habe. Und das verdanke ich jemandem, der immer an mich geglaubt hat und den bzw. die ich euch heute endlich einmal offiziell vorstellen möchte ...” Ein Raunen ging durch die Menge. „... damit all
diese Gerüchte und dummen Fragen endlich einmal ein Ende haben. Darf ich vorstellen-” Meine Augen suchten Sabine, wahrscheinlich würde er nun ihr die gebührende Anerkennung zollen und ich freute mich für sie. Plötzlich stupste mich Niels in den Rücken. „Na los!” „Was?” „Er meint dich, du Tüffel!”, schmunzelte er und erst jetzt registrierte ich, dass Jens seine Ansage mit „-meine Frau!”, beendet hatte. „A-Aber”, stammelte ich, während Jens eine Hand ausstreckte und wiederholte „Komm her Schatz, zeig dich!” Vor mir bildete sich eine kleine Gasse und ich hatte gar keine andere Wahl, als auf die kleine Bühne zu zu staksen, wo mich Jens in Empfang nahm und mich kurz umarmte, bevor wir uns dem Blitzlichtgewitter stellten. „Jens, du bist verrückt!”, zischte ich leise, aber
er drückte mich mit der Hand, die er um meine Schulter gelegt hatte und sah mich an. Mit einem wundervollen Lächeln, das eindeutig nur für mich und nicht für die Fotografen bestimmt war. Mein Herz klopfte bis zum Hals und allmählich überwog die Freude der Nervosität über diese verrückte Geste. „Verrückt, ja, nach dir! Du hast es verdient und eigentlich wissen doch eh schon alle Bescheid.” Er gab mir ein kleines Küsschen, nein, nicht auf die Wange, sondern auf den Mund, und beinahe hätte ich ihn gefragt, ob er nicht vielleicht doch an einem Sektglas genippt hätte! „Danke”, wisperte ich zurück, „aber du bist ja richtig überdreht!” „Warum auch nicht, ich hab dich, diese Ausstellung und ich dachte mir, das ist der ideale Zeitpunkt, weil wir ja morgen weg fahren, da kriegen wir den Pressesturm nicht so mit. Wenn wir in ein paar Wochen aus
Südamerika zurück kommen, interessiert sich kein Schwein mehr für uns.” Ich stemmte mich ein Stückchen von ihm weg und sah zu ihm hoch. „Ich hör immer nur Peso und Südamerika, hast du ganz vergessen, dass wir morgen erst mal nach Afrika fliegen?!” Sein Gesicht versteinerte. „Afrika? Ich dachte, diese Verrücktheit wäre vom Tisch und wir hätten uns geeinigt?” „Ja, natürlich; auf Namibia, Harnas, was denn sonst?!”, keuchte ich entsetzt. Jens' Lippen kräuselten sich, während er mich ungläubig anstarrte. Ich hasse noch heute die Fotos, die diesen und die nächsten Momente festhielten. „Jetzt sag bloß du hast geglaubt, wir würden morgen nach Windhoek
starten?” „Ja natürlich, was denn sonst?”, wiederholte ich fassungslos. Eine Literatin war nun mal nicht an mir verloren gegangen. „Wir hatten doch-” Ja, was eigentlich? Maßlos verwirrt rief ich mir jene Nacht ins Gedächtnis. Jens hatte mir seine grundlosen Ängste wegen unserer Geburtsjahrgänge gestanden und ich hatte ihm klar gemacht, dass das für mich keine Rolle spielte und ich sicher nicht deswegen nach Harnas abhauen wollte statt den sorglosen Urlaub mit ihm zu machen. Und danach war für mich klar gewesen, dass wir unsere Pläne änderten, auch wenn wir in den ganzen Tagen kaum ein weiteres Wort miteinander gewechselt hatten. Ein großer Irrtum, wie es
schien! Immer noch unter den Blitzen der zahlreichen Fotos sahen wir uns an und auch in Jens' Blick entdeckte ich eine ähnliche Verzweiflung, wie ich sie gerade fühlte. „Wir hatten uns doch geeinigt”, flüsterte ich leise. „Ja, auf unseren Urlaub!”, gab mein Mann zurück und ich warf den Kopf hoch. „Nein!” „HEY!”, hörten wir einen extrem lauten Ruf, „SCHAUT MAL ZU UNS, IHR TURTELTÄUBCHEN!”, das kam aus den Reihen der Reporter. Reflexartig wandten wir uns der Masse zu und setzten ein Lächeln auf. „Jens, ich”, krächzte ich, „ich hab schon alles arrangiert, Jo und Nick wissen Bescheid ...” „Sht”, machte Jens und küsste mich lächelnd noch einmal auf die Wange, „darüber sprechen
wir dann später.” Für einen Moment war ich erleichtert, doch er fügte plötzlich an „Ich bin sicher, sie werden Verständnis haben ...” „Wofür?”, wisperte ich. „Na, wenn du morgen früh absagst-”, erwiderte er selbstgefällig und ich hatte das Gefühl, als würde etwas in mir zerbrechen. Ich stieß mich ab, zischte leise, nur für ihn hörbar „Vergiss es! Nur über meine Leiche!” Laut sagte ich „So, ich denke, das reicht nun, die Leute haben Hunger. Das Buffet ist eröffnet!” Dann flüchtete ich regelrecht von der kleinen Plattform, die Leute würden es mir eh als Schüchternheit auslegen. Direkt hinter mir schob sich die Menschenmenge wieder zusammen und ich hörte, wie Jens mit Fragen
bestürmt wurde, zum Teil über seine Arbeit, zum Teil über sein überraschendes 'Outing'; selbst schuld! Ich floh in den hinteren Bereich der Galerie, wollte einfach nur allein sein, schnappte mir unterwegs ein weiteres Glas von einem der herum gereichten Tabletts. Neben den Toiletten war ein kleiner Hinterausgang, durch den ich in den kleinen Garten rauschte und tief Luft holte. Am liebsten hätte ich laut geschrien, um all die wahnwitzigen Gefühle in mir raus zu lassen, registrierte jedoch im letzten Moment, dass ich nicht allein war. Einer der Kellner, der hier anscheinend grad Pause machte, starrte mich erschrocken an, die Hand mit der gerade angerauchte Zigarette auf halbem Weg zum Mund eingefroren. „Tschuldigung, darf ich mal?”, überrumpelte ich ihn, wartete seine Antwort nicht ab sondern
pflückte ihm den Suchtstengel ohne weitere Umschweife aus der Hand und nahm einen tiefen Zug. „Ähmm, Sie können die auch gern behalten”, stammelte er und ich brummte nur „Danke”, gönnte mir gleich den nächsten Zug. Das Ganze war dem Guten dann anscheinend doch zu seltsam und er verschwand wieder drinnen, ohne seine Packung noch einmal zu zücken. Nun war ich allein, mit dem leichten Schwindel, der sich prompt wegen der starken Zigarette einstellte. Mit einem tiefen Seufzer warf ich das Ding auf den Boden und zertrat die Glut mit meinen schönen Schuhen, gerade als neben mir die Tür aufging und Jens herauskam. Unwirsch drehte mich von ihm fort, um mich zu fassen, schauderte leicht in der Kälte der Nacht, aber nicht nur deswegen.
Was war das gerade eben gewesen, er wollte noch immer nicht, dass ich auf Harnas aushalf?! Ich spürte, wie er hinter mich trat und mir eine Jacke über die Schultern legte. Das erinnerte mich so an damals, als er mich hinter dem Lokal ebenfalls beim Rauchen erwischt hatte, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Ja, da war er ein Beschützer gewesen, ein Pfeiler im Strudel der Umstände, den ich zu jener Zeit dringend gebraucht hatte, auch wenn ich mich lange dagegen gewehrt hatte. Aber jetzt war ich doch schon groß, ich brauchte – und dachte die ganze Zeit, ich hätte ihn! – einen Partner, keinen Vormund!! Genervt schüttelte ich das sentimentale Gefühl ab, drehte mich wieder zu Jens um. Er stand
eindeutig zu nah bei mir, so würde es keine vernünftige Diskussion geben, deswegen rückte ich ein Stück von ihm ab. Ein trauriger Ausdruck lief über sein Gesicht und er setzte seinen Hundeblick auf. „Können wir reden?”, fragte er leise, freundlich … ja, eigentlich viel zu siegesgewiss. „Reden?”, fragte ich bissig, denn ich ahnte, worauf das hier hinaus laufen sollte. „Darüber, dass wir uns anscheinend grob missverstanden haben”, schmunzelte er, aber ich stieg nicht darauf ein, ergänzte nur „und dass du mich jetzt auf Kurs bringen wirst, was?” „Nun ja, Kitty, ich dachte-” „Nix da Kitty!”, brauste ich auf. Damit wollte er mich anscheinend wirklich klein halten! „Nenn mich bei meinem richtigen Namen, ich bin kein kleines Kätzchen
mehr!” „Den Eindruck habe ich auch”, knurrte er und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Okay, Cathy, Schatz, jetzt mal ernsthaft: Wir beide haben diesen Urlaub seit fast einem Jahr geplant und ich möchte dich daran erinnern, wie schwer es war, uns dabei zu koordinieren. Wir beide arbeiten seit Jahren fast ununterbrochen, wir sind vor 3 Jahren hierher umgezogen und haben noch immer unausgepackte Kartons im Keller. Es war unheimlich schwer, das zu planen und nun willst du das einfach so dran geben?” „Ich geb es ja nicht dran!”, begehrte ich auf. „Ich fühle mich nur dazu verpflichtet, es zu verschieben, um alten Freunden in der Not beizustehen.” „Aber wann anders wirst du wahrscheinlich nicht weg dürfen!” „Jetzt tu nicht so, als wäre ich der
Problemfaktor in dieser Planung gewesen!” „Na, es hat viel Zeit und Überredungskunst gekostet, dich vom Zoo für diese lange Zeit loszueisen, oder?” °Ganz ruhig!°, mahnte mich meine innere Stimme, aber ich konnte nicht anders, was er sagte, regte mich einfach auf. „MICH loszueisen? Ich glaub es hackt! Es ist nun mal für den Normalbürger nicht üblich, drei Monate am Stück Urlaub zu machen, da muss man schon mal Kompromisse eingehen. Darf ich dich daran erinnern, wie schwer es dir gefallen ist, deine letzte Reise zu verkürzen um die Eröffnung hier vorzuziehen?” „Na gut”, er warf einmal genervt den Kopf in die Höhe, das brachte mich noch mehr in Rage, ebenso wie die Art wie er nun langsam weiter sprach, geduldig wie mit einem kleinen Kind. „Aber jetzt sei auch mal vernünftig,
ja?” „Vernünftig?”, grollte ich, eigentlich müsste Jens den Sturm, der sich hier zusammenbraute, auch aufziehen sehen. „Jens, was bitte ist unvernünftig daran, wenn ich ein altes Versprechen einlösen will? Mir tut es auch leid, dass wir unsere Ferien verschieben müssen, aber verstehst du denn nicht, dass ich einfach dort hin MUSS?!? Ich hab alles schon gebucht für uns, ich dachte, du kümmerst dich um den Storno der anderen Reise ...” Meine Stimme versagte kläglich. Wie hatte ich mich nur so in ihm täuschen können? Warum verstand er mich nur nicht?!? „Und wir wären doch trotzdem zusammen, ein anderer Kontinent, ja, aber auch schön warm und Sommer ...” Schließlich liebte ich ihn, trotz der Wut, die so allmählich mein Denken
überlagerte. „Catherine, das wäre nicht das Gleiche. Du würdest den ganzen Tag arbeiten und ich würde mich die ganze Zeit langweilen, fest gebunden an ein- und denselben Ort.” „Ja, Mr. Unstet muss ja immer weiter ziehen, auf Reisen, auf Tour ...”, höhnte ich, stinksauer über seinen Egoismus. Ich spürte, wie ich am ganzen Körper zitterte, und das beileibe nicht wegen der Kälte! „Eine Tour ist nun mal notwendig, bei all dieser Downloaderei ist es das einzige, was noch Hand und Fuß hat”, verteidigte er sich. „Du schaffst es wirklich, dich noch als Opfer hin zu stellen”, rief ich wütend. „Dabei bist es doch du, wegen dem wir so ein enges Zeitfenster haben. Du kannst es ja gar nicht abwarten, im Herbst die Promo zu machen und dann mit deinen Weibern auf Tour zu gehen,
vorher machst du Promo … Wo ich dabei bleibe, ist dir dabei doch auch immer egal!” Jens kniff die Augen zusammen. „Meine Weiber … ? Du meinst-” Was sollte ich schon meinen, er hatte sich ja bewusst dafür entschieden, weiblichen Musikern eine Chance zu geben – und dabei hatte ich ihn sogar unterstützt! „Ja klar, Janet, Claudia, Babsi und wie sie alle heißen”, zählte ich trotzdem ätzend sein sogenanntes Noten-Harem auf. „Und weißt du was?” „Was?”, fragte er zurück, schnarrend, mit zusammen gekniffenen Augen. Oh oh, ich spürte, wie sich hier Dinge Bahn brachen, die offenbar schon lange in mir geschlummert hatten. Aber ich konnte es nicht stoppen, zu sehr schmerzte es mich in diesem Moment, dass der 'Angriff' auf seinen Harem ihn
mehr zu interessieren schien als meine Einsamkeit. „Junge, langsam glaube ich, du hast es wirklich nötig. Benimmst dich wie ein alter Sack in der Midlifecrisis, der sich mit lauter jungen Mädchen umgeben muss, um sich wie ein Mann zu fühlen! ...” Oh Gott, hatte ich das gerade wirklich gesagt?!?? Offenbar ja, denn mein sonst so wortgewandter Mann starrte mich mit offenem Mund an, bevor er ihn zuklappte und die Lippen aufeinander drückte. „Aha”, presste er hervor und sah mich böse an. „Oh Gott, Jens“, stammelte ich den Tränen nah, „das wollte ich nicht sagen, das hab ich nicht so gemeint ...“ Und doch war es mir heraus gerutscht. Warum musste er sich auch so komisch benehmen und über sein Alter klagen? Warum
musste er mich plötzlich wie sein Eigentum behandeln, über das er beliebig verfügen und dann wieder in die Ecke stellen konnte?!? Er antwortete nicht, blies nur dicke Atemwolken aus seiner Nase, was ihm das Aussehen eines wilden Stiers gab. Würde er gleich explodieren? Ja, sollte er ruhig, sollte er ruhig in die Luft gehen, mich übers Knie legen, mich dann unter Tränen um Verzeihung bitten und schließlich eingestehen, dass er falsch gelegen hatte und wir natürlich nach Namibia reisen würden ...! Und ich würde ihm verzeihen, mich entschuldigen und mich in seine Arme schmiegen ... Aber er schwieg noch immer. „Liebling ... Jens, es tut mir leid, das musst du mir glauben“, setzte deswegen ich noch einmal an.
Er nickte in Zeitlupe, streckte einen Arm aus und legte seine Hand zärtlich an meine Wange. Dann lächelte er. „Okay, ist in Ordnung. Wir sind wohl, ähm, beide etwas überdreht.“ Diese Platitüde half mir nicht wirklich weiter. Aber mein Mann, doch eigentlich mein bester Freund, war anscheinend soweit einsichtig, dass nicht ich das alleinige Problem hier war. Vielleicht konnten wir ja doch noch mal in Ruhe– In diesem Moment sprang die Tür wieder auf und Sabine kam heraus gestürmt. „Ah, Rollen, hier bist du ja! Wir suchen dich schon überall, du wirst drinnen dringend gebraucht! Stell dir vor, Frederic Streicher ist hier und möchte mit dir sprechen!!“ Jens brummte ungehalten und ihr Blick fiel auf
mich. „Ach Catherine, Schätzchen, du bist auch hier, ach ihr zwei Turteltäubchen. Aber tut mir leid“, säuselte sie dann, „ich muss dir deinen Göttergatten für einen Moment entführen. Du hast ihn ja oft genug für dich allein!“ Damit hatte sie Jens schon am Arm gefasst und zerrte ihn hinter sich her, während ich verzweifelt krächzte „Na eben nicht!“ Ich hatte Jens so gut wie nie für mich allein und auch jetzt war wieder alles andere wichtiger als ich, ließ er sich doch bereitwillig mitschleifen. Aus dem Türrahmen heraus warf er mir noch schnell ein hastiges „Wir reden später weiter“, zu, dann fiel die Tür auch schon hinter ihm ins Schloss. Sicher, wahrscheinlich war ich gerade unfair, kindisch, egoistisch; das hier war nun mal seine Vernissage und er wollte, musste sich eigentlich
sogar um die Gäste kümmern. Aber in erster Linie war ich verzweifelt, denn ich hatte seinen Blick gesehen ... Dieses ‚Wir reden später’ hieß eigentlich: ‚Du wirst schon machen, was ich will!’! In seinen Augen hatte ich es gesehen, nämlich, dass es, egal wann und wo wir miteinander sprechen würden, dabei bleiben würde: Jens würde nicht mit nach Harnas kommen.