Kapitel 90 Verzaubert
Kathrin führte ihn schließlich in einen Raum, der, im Vergleich zum Rest des Palastes schon klein zu nennen war. Nach wie vor hätte wohl ein normales Wohnhaus, wie man es draußen in den Straßen Erindals fand, ohne Probleme unter die Decke gepasst, aber man fühlte sich von der Weite des Baues nicht mehr so eingeschüchtert. Kellvian wusste natürlich, das genau das die Absicht der Architekten gewesen war, Ehrfurcht zu erwecken. In der fliegenden Stadt hielt man es genauso. Trotzdem hatte er sich dieses Effekts nicht ganz erwehren
können. Was vielleicht damit zusammenhing, das er bereits damit beschäftigt war, etwas ganz anderes mit aller Macht zu ignorieren.
Kathrin löste sich endlich einmal von seiner Seite und trat in den Raum. Es war ein kleiner Speisesaal mit einem Tisch, an dem wohl leicht zehn Personen Platz gefunden hätten. Wie die Fürstin Erindals jedoch bereits angekündigt hatte, waren nur zwei der Plätze gedeckt. Auf der aus weißem Stoff gefertigten Tischdecke standen neben zwei Silbertellern und Besteck auch dutzende von Platten mit den unterschiedlichsten Gerichten. Über Käse und Obst bis zu Braten und
Geflügel.
Und Kellvian stellte erleichtert fest, dass es ein Fenster im Raum gab, das schon wie die im Thronsaal keine Glasscheiben besaßen und so ständig Luft herein strömen ließen. Das seltsame Parfüm nicht mehr einatmen zu müssen, war bereits eine Wohltat und erlaubte ihm, sich zumindest wieder etwas darauf zu konzentrieren, weshalb er hier war. Dazu kamen mehrere Pflanzen, die in großen Tonkübeln im Raum verteilt standen und so fast den Eindruck erweckten, man befände sich im Freien.
Kathrin hatte sich mittlerweile am Tisch niedergelassen. Kellvian setzte sich zwar zu ihr, machte aber keine Anstalten,
irgendetwas anzurühren.
,, Ich würde gerne sofort zum Punkt kommen.“ , erklärte er. Die Fürstin hob Fragend eine Augenbraue, was einen Moment den immerzu kalt und berechnend Wirkenden Blick ihrer Augen aufhob.
,,Bitte. Sagt was ihr wünscht.“ Sie hatte zwei Becher vom Tisch genommen und befüllte diese nun aus einer Karaffe mit Wein. Kellvian nahm den Kelch mit gemischten Gefühlen entgegen, während Kathrin ihn genau zu beobachten schien, ohne selber einen Schluck zu nehmen. Er würde hier nichts anrühren, wenn es sich vermeiden ließ, sagte er sich. Und schon gar nicht, wenn sie es nicht zuerst tat.
Er musste Zeit gewinnen. Wieder einmal.
,, Also eigentlich wollte ich euch erst einmal meine Bewunderung aussprechen.“ , erklärte er und vollführte eine Geste mit dem Becher, als wolle er ihr zuprosten und deutete mit der freien Hand in Richtung Fenster. . ,, Ein wunderschönes Gebäude.“
Sie drehte einen Moment den Kopf. Kellvian nutzte die Gelegenheit und schüttete den Wein rasch in einen der Pflanzenkübel, die an der Wand standen.
,, Danke.“ , meinte sie, als sie sich wieder ihm zuwendete. ,, Aber ich habe nichts hiervon bauen lassen. Die Gebäude stammen noch aus der Zeit der
freien Königreiche, Herr.“
,, Du trotzdem sind sie fast so schön wie ihre Besitzerin.“ Verflucht, das hatte er gar nicht sagen wollen. Hastig fügte er hinzu: ,, Da ihr allerdings mit Andre im Bund steht, werde ich im Zweifelsfall nicht zögern, die Mauern bis auf die Grundmauern einzureißen.“
Das klang wiederum viel zu hart. Ihr musste klar sein , dass er nur bluffte. Wenn Kathrin halbwegs über seine Situation Bescheid wusste, dann wusste sie auch, dass er kaum genug Leute hatte, um auch nur eine offene Schlacht zu riskieren. Halb rechnete er bereits damit, dass sie erklären würde, seine Drohung wäre
leer.
Doch sie blieb ganz ruhig. ,, Nur weil ich mit Andre im Bund stehe, kann ich mir doch meine Optionen anhören.“
,, Ihr wollt also, das ich euch ein Angebot mache.“ , stellte Kellvian fest. Er konnte wieder klarer Denken, wofür er allen Göttern dankbar war. Diese Frau war auf mehr als eine Art gefährlich. Doch langsam kam er mit der Ausstrahlung klar, die sie hatte. Faszinierend, aber… es gab nur eine Frau in seinem Leben, wie weit weg diese sein mochte.
,, Das kommt darauf an, was ihr anbieten könnt, nicht ?“ , fragte Kathrin. Sie hatte sich leicht über den Tisch gebeugt
und musterte ihn, wie einen Käfer, der etwas Ungewöhnliches tat. Mit einer Hand pflückte sie derweil eine Weintraube aus einer der Schalen auf dem Tisch.
Kellvian atmete tief durch und nahm dabei noch einen Hauch des Parfüms war, das die Fürstin trug. Es war nach wie vor faszinierend, aber es schien sich nicht mehr direkt in seinen Verstand einzuschleichen.
,, Es ist einfach.“ , meinte er und nahm auch eine Weintraube, wartete jedoch, bis Kathrin zuerst aß. Es gab nur eine Lösung, die er akzeptieren würde. ,, Ihr übergebt die Stadt wieder unter die Kontrolle des Kaiserreichs und schwört
erneut die Treue. Dafür verspreche ich euch im Gegenzug, dass niemanden innerhalb dieser Mauern etwas passieren wird. Keine Belagerung, keine Vergeltung, keine Handelseinschnitte. Ihr behaltet alle eure alten Rechte und, nachdem Andre in seine Schranken verwiesen ist, dürft ihr auch wieder euren Titel als Fürstin Erindals annehmen. Bis dahin jedoch würde die Stadt jemanden unterstehen, dem ich… mehr vertrauen kann.“
,, Das ist alles ?“ Kathrin klang enttäuscht und stand auf.
,, Eure Bürger bleiben unbehelligt und ihr erspart euch eine Wochenlange Belagerung und behaltet euren Titel…“ ,
führte Kellvian weiter aus, während die Fürstin mit gemäßigten Schritten um den Tisch herum gelaufen kam. ,, Was wollt ihr mehr?“
,,Vielleicht eine etwas verlässlichere… Rückversicherung.“ Bevor Kellvian wusste wie ihm geschah, hatte sie sich auf seinen Schoß gesetzt. Ihre Gesichter waren sich plötzlich fiel zu nahe und er atmete erneut den seltsam würzig-süßen Duft ein, den Kathrin mit sich trug. Die Überraschung machte ihn einen Moment unfähig etwas zu erwidern. Diesen kurzen Augenblick nutzte sie bereits um ihre Lippen auf seine zu drücken.
Kellvian wehrte sie mit einer Hand ab. Hätte sie das gleiche zu Beginn versucht,
er wusste nicht, wie er darauf reagiert hätte. So jedoch, musste er sich zwar zusammenreißen, schob sie aber entschlossen von sich fort. Er hatte keine Ahnung, was mit ihm, losgewesen war. Sie war schön sicher, aber das alleine reichte nicht aus, zu erklären, wie er derart… geblendet sein konnte.
Das Parfüm viel ihm ein … Irgendein Trick vielleicht? Jetzt wo er einmal darüber nachdachte, suchte er nach einer Spur von Magie… und fand sie schließlich auch. Kleine Funken lagen wie ein Schleier um Kathrin. Jetzt wo er es einmal als das erkannte was es war, verlor der Zauber gänzlich seine Wirkung auf
ihn.
,,Nicht, das ich mich nicht geehrt fühlen würde. Und es tut mir wirklich leid, wenn ich euch… irgendwie Hoffnungen gemacht haben sollte, “ , erklärte er und versuchte dabei so höflich wie möglich zu Klingen. ,, Aber erstens bin ich Verheiratet. Und Glücklich dabei, wenn man von ein paar unglücklichen Umständen absieht… und zweitens, selbst wenn nicht, es geht hier um mehr als euch und mich.“ Egal, ob sie das hier ernst meinte oder nur als einen Weg sah, sich einen Vorteil zu verschaffen… Es funktionierte nicht mehr. Ihm war jedoch klar, dass er Glück gehabt hatte. Entweder war der Zauber, den sie nutzte
schon fast verbraucht oder von einem abtrünnigen Zauberer ohne richtige Materialien erschaffen worden. Einem wirkungsvollen Bann entkam man nicht so einfach. Götter, das hätte durchaus damit enden können, das er seinen freien Willen verlor. Kellvian stand langsam auf. ,, Ich werde jetzt gehen. Mein Angebot steht. Mehr, werdet ihr nicht bekommen, es tut mir leid.“
,, Ihr hättet es euch einfach machen können.“ , meinte die Fürstin, während er sie schon nicht mehr beachtete. Bevor Kellvian die Tür erreichte, nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung war.
,, Er meinte es würde funktionieren.“ Kellvian musste gar nicht Fragen, wen
sie mit ihm meinte. Es gab nur einen wichtigen Zauberer, der Andre unterstand. ,, Dann sterbt eben…“
Grade noch Rechtzeitig drehte er sich herum und sah das Aufblitzen von Metall. Kathrin hielt ein Messer über den Kopf erhoben. Kellvian riss die Arme hoch, um die Klinge abzuwehren, spürte jedoch, wie ihm der Stahl über den Handrücken Schnitt. Glücklicherweise war die Fürstin jedoch keine geübte Kämpferin und setzte nicht sofort nach. Stattdessen legte sie viel zu viel Schwung in den Angriff und sie beide gingen zu Boden. Das Messer wurde ihr aus der Hand geschleudert und landete fast in Kellvians Reichweite.
Bevor er jedoch danach greifen konnte, erschütterte ein schwerer Schlag die Mauern des Palastes. Die Klinge machte einen Satz über den Boden und schlug gegen die Wand des Raums. Was war jetzt wieder schiefgegangen?
Zyle konnte die Mauern Erindals bereits aus der Ferne sehen. Die hohen Wälle aus Sandstein erinnerten ihn etwas an Helike. Nur das sie sich wohl nicht so einfach hätten Übertölpeln lassen. Bis zuletzt war es ihnen gelungen, sich der Stadt fast unerkannt zu nähern. Etwas, das sie Roland zu verdanken hatten. Der Mann war auf die Idee gekommen, sich der Stadt nicht auf dem direkten Weg zu
nähern, sondern einen Bogen nach Osten zu schlagen, so dass sie nun aus einer Richtung auftauchten, aus der Andre sie sicher nie erwartet hatte. Aus dem von ihm besetzten Gebiet.
Bis zuletzt war es ihnen so gelungen, sich der Stadt unerkannt zu näheren. Nun jedoch, wo Erindal in Sichtweite war, wurden dort hastig Vorkehrungen getroffen.
Zyle konnte den endlosen Strom der Händler und Reisenden vor de Toren sehen, die plötzlich ausgesperrt wurden, als Stadtwachen und Soldaten die gewaltigen Haken lösten, welche die schweren Holzflügen in Position hielten. Mit einem donnernden Schlag, der selbst
über die grasbewachsene Steppe vor Erindal hinweg noch zu hören war, fielen die Tore ins Schloss.
Die Reisenden wiederum, die sich plötzlich eingekeilt sahen zwischen einer fremden Streitmacht auf der einen und der versperrten Stadt auf der anderen Seite, ergriffen hastig die Flucht nach Westen, um wenigstens ihr Hab und Gut zu retten. Zyle ließ sie gewähren, während Roland vom Pferderücken aus Befehle gab, damit niemand auf die Händler feuerte. Ihr Ziel war nur die Stadt.
Er und Roland hatten sich an die Spitze des Zugs aus Gardisten gesetzt, der nun, noch außer Reichweite der Schützen, die
sich auf den Mauern Erindals verbergen mochten, ausfächerte und sich über die Ebene verteilte. Mehr als Zwanzigtausend Mann. Aber ob es auch ausreichen würde, das wusste Zyle nicht sicher zu sagen.
Jiy und Eden würden jeweils einen eigenen Abschnitt der Truppen übernehmen. Und Relina… Zyle schüttelte den Gedanken sofort ab. Er konnte es sich jetzt nicht erlauben, schon wieder darüber nachzugrübeln. Allerdings hatte er die sich auch auf dem Weg hierher kaum gegönnt. Es war einfacher, sich nicht damit zu beschäftigen. Und wozu sollte es führen… Sie hasste ihn. Das hatte sie
deutlich gemacht.
Auf den ersten Blick war Erindal beinahe zu Friedlich. Aber wenn man bedachte, dass sie die Verteidiger völlig unvorbereitet erwischt hatten, war das nicht zu verwunderlich.
Auf Rolands Zeichen wurden hinter den Reihen der Soldaten die schweren Geschütze bereit gemacht. Sie hatten nicht vor, sich auf eine lange Belagerung einzulassen. Schon alleine, weil ihnen dafür schlicht die Vorräte fehlten. Sie hatten sich weit vorgewagt… Nur wenn Erindal ihnen auch in die Hände fiel, konnten sie hoffen, sich hier auch zu halten.
Die Mauern würden dem Beschuss wohl
eine Weile standhalten, aber diese waren auch gar nicht ihr Ziel.
Zyle trat zu Roland, der mittlerweile bereits den Schützen Anweisungen gab.
,, Das Tor ist alt.“ , bemerkte er zufrieden.
Der Gejarn nickte.
,,Mit etwas Glück gehört die Stadt vor heute Abend uns.“ Es war ein weiter Weg gewesen. Und jetzt, gab es kein Zurück mehr.
Bevor er oder Roland jedoch den Befehl an die Kanoniere geben konnten, tauchte die Gestalt aus den Reihen der Gardisten auf, die Zyle hier am allerwenigsten erwartet hatte.
Relina trug einen weiten Wollmantel,
wie an dem Tag, an dem sie zu ihnen gestoßen war. Im Augenblick zumindest konnte der Umhang ihren Zustand noch recht gut verbergen. Zyle seufzte. Er hatte sie bis jetzt nicht gebeten, sich herauszuhalten. Einmal weil er einen weiteren Konflikt mir ihr scheute… und weil er sie ohnehin zu gut kannte. Jetzt jedoch sah es so aus, als wollte sie es genau darauf ankommen lassen.
,, Entschuldigt mich nur einen Moment.“ , wendete er sich an Roland. ,,Entscheidet bis dahin selbst wann der Angriff beginnen soll.“
Der Mann nickte, während Zyle sich abwandte und Relina entgegenging.