Warum bin ich hier? Wieso musste ich ausgerechnet diese Woche anfangen, mit saufen aufzuhören? Die trinken, vor mir, ein Bier nach dem anderen und ich schaue zu, wie sie immer besoffener werden. Das Treffen habe ich mir ganz anders vorgestellt, auch wenn mir meine Schwester schon am Telefon gesagt hat, das ihr Vater nicht ganz nüchtern ist. Dabei wusste er doch, das sie diese Tag kommt. Wenn ich bedenke, das dies meine Familie ist. Gruslig. Und mein neuer Schwager lernt sie kennen, wie sie wirklich ist. Wie er wohl über uns denkt?
Okay, er trinkt auch. Wahrscheinlich hat er auch schon einen in der Krone und bekommt nicht mit, wie der alte Mann ist. Beleidigend und eklig. Ich sage kein Ton. Bringt ja nix. Wenn mich meine Schwester fragt, unterbricht ihr Vater die Unterhaltung mit seinem neuen Schwiegersohn und antwortet, dumm und ungefragt, für mich. Es fällt mir sehr schwer dem Saufdruck zu widerstehen. Am liebsten würde ich mir jetzt auch die Kante geben, um den Tag zu überstehen. Aber ich darf nicht schwach werden. Schließlich bin ich mit dem Fahrrad da. Damit will ich auch wieder nach Hause fahren. Außerdem habe ich mir ganz fest vorgenommen, mit
dem Saufen aufzuhören, um nicht so zu enden, wie ihr Vater. Der lebt im Dreck. Seine Bude stinkt. Und ich war oft bei ihm, zum Saufen. Nach ein paar Bierchen kriegt man nicht mehr mit, wie sehr es bei ihm stinkt. Man interessiert sich auch nicht mehr, wo die Couch ist. Aus meinem Opa hatte er damals Geld geleiert, für ein Sofa mit Schlaffunktion, falls einmal jemand bei ihm übernachten will. Ein paar Tage lang sah man die Couch. Doch schon kurz darauf war sie verschwunden. Unter einem riesigen Berg Müll. Immer wieder versucht meine Schwester mich dazu zu bringen, mit zu trinken. Kann sie nicht einfach akzeptieren, das
ich endlich damit aufhören will? Jeden Tag trank ich mindestens zehn Bier. Fing schon vormittags damit an. Vernachlässigte meine Wohnung. Der Alkohol drückte mich nieder. Ließ mir ließ egal sein. Deshalb entschloss ich mich, mit dem Saufen aufzuhören und nüchtern zu werden. Denn so, wie ihr Vater, wollte ich nicht enden und will es immer noch nicht. Wieso kann sie nicht endlich damit aufhören, mir Bier aufzudrängeln? Will sie, das ich mich besaufe und dann einen Unfall baue? Mein Rad lasse ich nicht hier. Mehr als einmal, bin ich besoffen Rad gefahren. Das heißt, ich war mehr gestürzt, als gefahren. Ein Fehler, den
ich viel zu oft wiederholt hatte. Morgens wachte ich dann mit Schürfwunden und Schmerzen auf. Im Moment bin ich stocknüchtern und kann klar denken. Bin nur genervt von seinen dummen Sprüchen, die gern unter die Gürtellinie gehen und genervt von ihr, weil sie nicht akzeptieren will, das ich kein Bier will. Ihr Vater vergleicht mit seinem einzigen Freund, den er hat. Stellt die Behauptung auf, das wir unter der Woche saufen und am Wochenende nüchtern sind. Was gar nicht stimmt. Wenigstens gibt sein Freund zu, das er Alkoholiker ist. Der alte, sabbernde Sack ist natürlich kein Alkoholiker.
Deshalb kam er auch so nüchtern an. Zu mir kam er auch häufig angetrunken. Natürlich war es nur Einbildung von mir. Er würde nie angetrunken zu jemanden gehen. Zum dritten mal fragt sie, wegen essen gehen. Nun bin ich dran, ein bisschen zu drängen, damit ich endlich nach Hause kann. Einfach so gehen, kann ich nicht. Ich weiß nicht warum. Am liebsten würde ich einfach den Abgang machen. Denn besser wird es eh nicht. Ihr Vater kennt keine Ende, wenn er einmal angefangen hat, zu saufen. Und die geben ihm ja eines nach dem anderen. Sehen die nicht, das er schon mehr als genug
hat? Wenigstens gehen wir endlich zum Essen. Es beginnt langsam dunkel zu werden. Und morgen muss ich wieder raus. Zwar habe ich Spätschicht, aber übertreiben muss ich es dennoch nicht. Muss nicht erst Mitternacht zu Hause sein. Oh Gott. Ich hätte doch schon längst gehen sollen. Jetzt macht er Theater, weil sie draußen dicht machen und er drinnen nicht rauchen darf. Vor ein paar Jahren habe ich auch noch geraucht. Oft habe ich es damit stark übertrieben. Aber nicht so sehr. Er tut ja fast so, als würde die Welt untergehen, nur weil er mal eine halbe Stunde nicht rauchen
darf. Und für mich ist sein Auftritt peinlich. Könnt ihr ihn nicht nach Hause schicken? Er kann kaum noch stehen. Ein Wunsch wird mir wenigsten erfüllt. Ich brauche nicht neben dem Stinker zu sitzen. Mein neuer Schwager scheint ganz nett zu sein. Aber ach naiv. Wie kann man so was sympathisch finden? Hat er nicht mitbekommen, wie seine Scherze sind? Beleidigend. Unter der Gürtellinie... Jetzt wird er auch noch eklig. Wir wollen essen und er holt seine Zähne raus. Nicht heimlich, sondern ganz öffentlich und grinst dabei, damit jeder sieht, wie er ohne Gebiss aussieht. Der Sabber trieft nur so. Ich kann nicht
hinschauen. Zu eklig ist das Ganze. Warum geh ich nicht einfach? Ich habe doch allen Grund dazu. Der Appetit ist mir eh vergangen. Der Saufdruck ist enorm. Hat seinen Höhepunkt erreicht. Dennoch bleibe ich stak. Genieße mein Essen und achte nur auf meinen Teller und dessen Inhalt. Es ist das Erste und das Letzte mal, das ich hier bin. Das weiß ich. Nochmal komme ich nicht hierher. Die werden mich hier wiedererkennen und mit dem Finger auf mich zeigen. Garantiert. Es ist schon spät. Das dumme Gelaber, meiner Schwester, geht mir auf den Sack. Ihr Vater und sein Schwiegersohn, stehen wieder einmal vorm Lokal und
rauchen. Ich schaffe es endlich, mich zu bewegen. Wenn ich jetzt nicht gehe, würde ich völlig ausrasten. Da bin ich mir sicher. Sie will weder kapieren, das ich nichts alkoholisches trinken will, noch, das sie keine Ahnung hat, von mir und meinen Gefühlen. Ich verabschiede mich nur von ihr und ihrem Freund. Den alten Mann lasse ich links liegen. Mich ekelt allein der Gedanke, ihm die Hand zu geben. Mir ist auch klar, das er mein Verhalten, ihm gegenüber, nicht verstehen wird. Das ist mir aber egal. Die ganze Familie ist mir egal. Keiner will mich verstehen, oder mir richtig zuhören. Sonst wüssten sie, beispielsweise, warum ich eine
Regenjacke angehabt hatte. Weil es nach Regen aussah, als ich losfuhr. Ruhe und Stille. Mein trautes Heim, hier bin ich und hier bleibe ich. Wenn du wüsstest, wie es mir geht. Was ich für einen Saufdruck ich habe. Aber ich bleibe standhaft und rühre nicht einen Tropfen an. Ich habe eh nichts da. Davon abgesehen. Dennoch, auch wenn ich was dagehabt hätte...Ich habe mir vorgenommen, nichts mehr zu trinken und ich werde versuchen es durchzuhalten. Der Weg ist schwere, siehe heute, aber mit eisernem Willen zu schaffen. Meine Kollegen trinken fast alle und sie akzeptieren meine Entscheidung. Keiner von ihnen drängt
mir was auf. Warum kann das meine Familie nicht?