Romane & Erzählungen
Save me - Teil 2

0
"Save me - Teil 2"
Veröffentlicht am 18. Januar 2015, 28 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte. Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( ...
Save me - Teil 2

Save me - Teil 2

Kapitel 2

„Marieta ...” Für einen Moment kämpfte ich mit den Tränen, hatte die schlechte Nachricht selbstverständlich noch nicht verdaut. „Marieta, sie … Sag mal, was hast du gerade gesagt?!?” „Dass du ganz sicher nicht einfach so nach Afrika abhauen wirst, das hab ich gesagt.” „Ähm, ich glaub ich hab mich verhört! Was soll das denn bitte heißen? 'Nicht so einfach nach Afrika abhauen' – und das vom Reiseweltmeister, der locker mal sechs Monate allein unterwegs ist!”, platzte ich laut heraus. Ja, diese Reiseleidenschaft, das war ein Punkt, in dem ich schon arg viel Verständnis für meinen Mann aufbringen musste … Hat ja keiner was dagegen, wenn der Partner auch mal alleine verreist, aber bekannterweise war Rollen

D. Rubel immer extrem lange unterwegs, ich hatte schon mal vorgeschlagen, dass er sich in 'Wanda Aus' umbenennen sollte … Naja, im Großen und Ganzen kam ich damit klar, es gab in meinem Job immer genug zu tun, um diese Zeit rum zu kriegen. Oder die Zeit, die er mit Pfanni und Vince auf Tour war. Oder die Zeit, wenn er solo unterwegs war …. Und jetzt saß er hier neben mir und wollte mir ernsthaft verbieten, ein paar Wochen an den schönsten Ort der Welt zu fahren, wenn ich dort gebraucht wurde?!!? Erbost sprang ich aus dem Bett und zwang mich zur Ruhe, sog ein paar Mal tief die Luft ein, bis mir fast schwindelig wurde. „Jens, ich … Also jetzt noch mal langsam: Jo, du kennst sie, sie ist Schalks Ehefrau und damit Marietas

Schwiegertochter, also, sie schreibt hier ...” Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme etwas kippte, „ ... dass Marieta … sie hatte einen Schlaganfall! Und Jo kommt mit allem zusammen alleine nicht klar und Schalk hat es ja nicht so mit Menschen ...” „Hast du doch auch nicht, Kitty, was wollen die denn eigentlich von dir?” Gut, die Frage war berechtigt, denn Jens kannte sich im Gefüge rund um Harnas natürlich nicht ganz so gut aus wie ich. Marieta van der Merwe war die Gründerin und große Mutter der Foundation und war mir, vielleicht gerade wegen ihrer etwas burschikosen Art, in meiner Zeit dort eine gute Freundin geworden und umgekehrt. Nervös rieb ich mir über die Stirn. „Es ist kompliziert, die ganzen Volontäre, die ja auch mit ihren Spenden das ganze am Laufen halten, zu koordinieren, sie so auf die Tiere aufzuteilen,

dass es passt … Das ist eigentlich in der Hauptsache von Marieta organisiert worden, ihre Küche ist die Schaltzentrale”, erklärte ich und musste in Erinnerung daran grinsen. Denn dieser Ort war gleichzeitig häufig Kinderstube, wo bereits kleine Leoparden mit Mini-Äffchen zusammen gespielt hatten, was für ein entsprechendes Chaos sorgte … „Huhu, Catherine”, wedelte mir Jens mit der Hand vorm Gesicht rum, „bist du noch da? Komm, das ist doch trotzdem kein Grund, dass du dich da jetzt auf den weiten Weg runter machst!” Ich schreckte aus der Erinnerung hoch. Er war auch aufgestanden und hielt mir fürsorglich meinen Morgenmantel hin. „Was soll ich damit?” „Anziehen natürlich, es ist Januar und es ist kalt!” „Ein Grund mehr, nach Afrika zu fahren”,

knurrte ich leise und dann, „danke, mir ist nicht kalt!” „So, wir wollen also wieder bocken”, schmunzelte Jens süffisant und da platzte mir der Kragen. „Hör auf, mich immer wie ein kleines Kind zu behandeln!”, schrie ich. Und erntete den Satz, den ich nie beim ihm vermutet hätte „Dann hör auf, dich wie eines zu benehmen!” „Waahhh!” Mit einem lauten Brüller drehte ich mich um und lief lieber aus dem Schlafzimmer, bevor ich mich auf Jens stürzen würde, und rannte die Treppe runter. Eine Tür klappte auf und diesmal war es mein Bruder, der dort heraus schaute. „Kitty, um Gottes Willen, was ist los, warum macht ihr hier

so einen Radau?!” „Niels, seit wann bist du denn schon wieder da?” „Ich-” „Ach egal, geh wieder rein, das geht dich nichts an!”, kürzte ich die Unterhaltung ab und sah natürlich, dass er den Ton nicht so toll fand. Na prima, jetzt hatte ich wahrscheinlich gleich den nächsten Krach am Hals, denn mein Brüderchen konnte genau so in die Luft gehen wie ich. Und wirklich holte er bereits tief Luft, da ertönte hinter mir eine Stimme, seine Stimme, die ich normalerweise so liebte: „Deine Schwester hat recht, bitte Niels, geh wieder schlafen!” Prompt klappte Niels' Mund wieder zu und er zeigte ein geradezu seliges Lächeln. „Ist gut, Jens, wenn du das sagst”, murmelte er und zog sich in sein Zimmer

zurück. Eigentlich hatte der große Blonde mich ja gerettet, aber meines Bruders hündische Ergebenheit machte mich im Moment rasend! Hinter mir hörte ich ein weiteres Geräusch, fuhr herum und schoss mit den Augen giftige Pfeile in Richtung Stan, der auch kurzzeitig seine Nase in den Flur gesteckt hatte, sie nun aber ruckartig zurück zog. Wenigstens einer, den ich mit meinem Blick im Griff hatte! Heftig vor mich hin schimpfend ging ich weiter in die Küche, schnappte mir die Weinflasche und goss mir den Rest ein. Grimmig vor mich hin starrend nippte ich an der schon viel zu warmen Flüssigkeit, die mir gar nicht richtig schmeckte. Allein Jens' skeptischer Seitenblick, als er sich nun in aller Gemütsruhe daran machte, Tee zuzubereiten, brachte mich dazu, noch einmal zu trinken. Bäh!

Widerwillig, weil es einer Niederlage nahekam, schüttete ich den Rest in den Ausguss und hockte mich an die Insel in der Küchenmitte. Herrgott, wie ich jetzt Tinkerbell vermisste … Mit ihrem freundlichen und klugen Wesen wäre sie von einem zum anderen getänzelt und hätte die Stimmung im Nu gehoben! So aber wartete ich stumm darauf, dass Jens im Licht der Notbeleuchtung mit seiner Teezeremonie fertig war und mir meinen Lieblingsbecher zuschob. Mit seiner eigenen Tasse setzte er sich mir gegenüber. „Cat ...” „Jens, bitte, ich versteh überhaupt nichts mehr. Was spricht dagegen, dass ich eine Zeitlang unten aushelfe?!” Seine Hand legte sich warm auf meine. „Schatz, funkel mich nicht so an! Hast du denn schon vergessen, dass wir in einer Woche unsere

gemeinsame Reise antreten wollen?!” „Oh ...” Ja, stimmte ja, unsere Tour durch Südamerika, die erste gemeinsame nach langer Zeit mal wieder, auf die ich mich ja eigentlich tierisch freute. Dafür war auch schon alles eingeleitet, hier brauchte uns im Moment keiner: Stanley würde eh bald wieder aufbrechen, Niels war letztendlich auch schon volljährig und Vince würde ein Auge auf ihn haben, außerdem verstand er sich sehr gut mit Julias Kindern, die ungefähr in seinem Alter waren. Auch im Zoo war alles geregelt, meine Vertretung war eingearbeitet, jetzt im Winter war eh nicht so viel zu tun. Und das war, so schoss es mir durch den Kopf, doch erst recht ein Segen! Ein Zeichen vielleicht sogar?! Ich hatte Zeit und Gelegenheit, meinen alten Freunden zu helfen, die mich darum baten,

besser konnte es doch gar nicht laufen! Ich drehte meine Hand um und umfasste aufgeregt Jens' Finger. „Aber das ist ja um so besser! Du liebe Güte, ich könnte schon in ein paar Tagen starten, der Zoo weiß eh Bescheid, und du könntest sogar mitkommen nach Namibia!” Mein Mann kniff die Augen zusammen, um die sich nun, nach seinem 50. Geburtstag, schon so einige niedliche Lachfältchen tummelten. „Da war ich doch schon. Möchtest du wirklich unsere so schön geplante Reise aufs Spiel setzen? Wir beide, allein auf Abenteuertour quer durch den Amazonas? Heiße Nächte unter freiem Himmel?!”, lockte er und ich schüttelte leicht fassungslos den Kopf. „Jens, verstehst du denn nicht, das ist schon fast keine Frage des Wollens mehr. Ich fühle mich den van der Merwes verpflichtet, die

hatten es eh schon hart genug, nachdem Nick nicht mehr da war ...” Ohne es zu wollen, wurde ich schon wieder lauter. Seine Reaktion war entsprechend. „Ach komm, die werden doch von allen Seiten unterstützt! Dieser Hype um ihre Farm schwemmt ihnen doch ein Haufen Geld in die Kasse und dich haben sie damals auch nur eingestellt, weil du als Anfängerin so billig warst. Da werden sie sich doch einen anständigen Geschäftsführer engagieren können, der ihnen den Laden schmeißt, oder?” Langsam an meinem – oder an seinem – Verstand zweifelnd starrte ich ihn an. „Ähm, Jens, Schatz, du verstehst es wirklich nicht, oder?” Seine Gesichtszüge waren seltsam hart. „Nein, Catherine”, brummte er und zum ersten Mal klang seine Betonung nicht mehr so verlockend

wie sonst immer, „ich kann wirklich nicht verstehen, wie du ein paar Fremde unserer Ehe vorziehen kannst!” Fast konnte ich nicht glauben, was ich da hörte und spürte, wie ich langsam den Tränen nahe war, etwas, dass mich immer ganz wütend macht, denn es ist für mich ein Zeichen der Schwäche. Wahrscheinlich Quatsch, aber damals im Verließ war es das, was mich aufrecht hielt, nicht vor ihren Augen zu heulen … Dementsprechend zitterte meine Stimme auch, als ich sagte: „Jens, du machst mich wahnsinnig! Bitte, auch wenn du sie nicht so gut kennst, es sind meine Freunde und sie brauchen mich!” Für mich war die Sache sonnenklar. Ein Auswärtiger, und mochte er sein BWL-Studium noch so gut abgeschlossen haben, würde nie das

nötige Know-How und das besondere Gespür für die vernetzen Strukturen auf Harnas aufbringen. Und schließlich war ich Tierärztin mit inzwischen reichlich Erfahrung … Jo hatte sich die Sache sicher nicht einfach gemacht, ich kannte sie, wenn sie mich rief, musste es ernst sein. Das alles versuchte ich Jens erklären, doch er sah mich traurig an. „Cat, meine Süße, ich hatte mich aber so auf diese Zeit mit dir gefreut!” Ungeduldig zuckte ich mit den Schultern. „Dann verschieben wir das halt ein paar Monate, was soll's?” „Und wenn ich keine paar Monate mehr habe?!”, sagte er plötzlich laut und ich japste: „Jens! Bist du krank?” „Nein, aber alt!” Das kam so spontan und wirkte auf mich so grotesk, dass ich erst mal ins Lachen verfiel.

Dann sah ich sein Gesicht und stoppte. „Oh, du meinst das ernst, oder?” Jetzt machte er einen Riesenseufzer. „Weißt du, seit diesem Scheiß-Geburtstag letztes Jahr denke ich immer daran, wie jung du doch noch bist ... und ich so alt ... Verdammt, du bist jünger als mein Sohn!“ „Na und? Ich bin auch jünger als die Hälfte der Menschen in dieser Stadt! Und gleichzeitig älter als die andere Hälfte, so what?! Wo ist das Problem?!??“ „Ich ... Ich hab Angst.“ „Angst? Du?! Wovor?“ „Davor, dass du ... oh Mann!“ Er rieb sich mit beiden Händen über sein Gesicht, ließ sie einen Moment dort liegen. Als er sie wieder fort zog, sah er plötzlich im fahlen Mondlicht wirklich älter aus, aber ich wusste, das war nur eine Illusion. Rasch sprang

ich auf, lief um den Tisch herum und schnappte mir eben diese Hände. Da Jens immer noch saß, waren wir in diesem Moment endlich mal auf Augenhöhe, zumindest körperlich. „Hör, mal, du großer Spinner, was machst du dir da eigentlich für krude Gedanken? Ich hätte nie geglaubt, dass ausgerechnet DU so abhängig von einem schnöden Datum sein könntest! 50plus, na und?“ Mit einem müden Lächeln meinte er, das würden alle unter 40 sagen. Zuerst wollte ich lachen, dann sah ich ihn an. „Sag mal, das macht dir wirklich Sorgen, oder?“ Ein zaghaftes Nicken war die Antwort und ich verdrehte die Augen zur Küchendecke, drängte mich dann auf Jens' Schoß. „So kenn ich dich ja gar nicht“, murmelte ich und legte die Arme um seinen Hals. „Was ist denn plötzlich los, hab ich irgendwas gesagt oder getan, das dich

annehmen lässt, was weiß ich, dass der Altersunterschied zwischen uns ein Problem darstellen würde?!?“ Für einen Augenblick presste Jens sein Gesicht gegen meine Brust, seufzte dann. „Ach Cat, das ist  schwer zu beschreiben. Aber glaub mir, ab 40, 45 merkt man die Jahre auf einmal, die man auf dem Buckel hat, selbst wenn man eigentlich gesund ist. Ich hab das selber früher nie glauben wollen und meine Mutter ausgelacht, oder andere Bekannte, die über ihre Zipperlein klagten. He, ich fang langsam an, Verständnis für die Tribünensitzer zu haben!“ Angesichts dieses schockierenden Geständnisses überschwemmte mich eine kleine Welle der Liebe, voller Mitgefühl beim Anblick seines in komischer Verzweiflung verzogenen Gesichts. Er fuhr fort: „Und ich habe auch das Gefühl, dass unser Alltag, der ja eigentlich

gar kein Alltag ist, uns immer weiter auseinander treibt. Ich gebe ja zu, ich bin ein wenig unstet … Tour mit den Jungs, Solo-Tour, meine Reisen, die Fotobände … Und du bist den ganzen Tag im Zoo eingespannt oder machst Fortbildungen. … Und da gibt es, ich hab's ja selbst gesehen, immer einen Haufen knackiger junger Veterinäre …” „Ja, unsere Gang-Bang-Partys in der Futterküche sind legendär ...”, murmelte ich grinsend und Jens knurrte unwillig. Wieder lehnte er seine Wange an meine Haut. „Weißt du denn nicht mehr, wie schwer wir uns schon allein diesen Termin erkämpft haben? Ich will endlich einmal wieder Zeit mit dir”, er nickte plötzlich mit dem Kinn unbestimmt in Richtung der übrigen Schlafzimmer, „mit dir allein verbringen. Dir beweisen, wie sehr ich dich liebe, damit

...” „... damit ich nicht auf den erstbesten Jüngeren springe?”, vollendete ich seinen Satz ungläubig. „Ähm, vielleicht nicht so krass, aber so ungefähr, ja ...” Ich stöhnte. „Jens, das ist … auf welpenhafte Art und Weise süß, aber im Grunde total lächerlich. Lächerlich und total unfair mir gegenüber!” „Unfair?” „Ja, unfair”, jammerte ich. „Du tust ja gerade so, als würde ich auf den nächstbesten hübschen Kerl lauern, um dich so schnell wie möglich zu verlassen! Hab ich dir jemals Anlass dazu gegeben?!” „Nein, aber-” „HAB ich dir jemals Anlass dazu gegeben?!!”, wiederholte ich meine Frage wesentlich schärfer. Jens' Midlifecrisis in allen

Ehren, aber war es nicht gemein, dass er mir so etwas zuzutrauen schien?! „Nein, Cat, das hast du nicht”, gab er zu. „Siehst du … Jens, mein geliebter großer blonder Schutzengel, ich liebe dich über alles und könnte dich nie verlassen! Also Schluss damit.” Ich nahm sein Gesicht in beide Hände und sah ihm tief in die Augen, verlor mich in ihnen. Sicher eine Minute verharrten wir so, bis ich leise „Okay?”, flüsterte, worauf er vorsichtig nickte, weil ich ihn immer noch festhielt. Dafür bekam er einen Kuss, doch plötzlich knarrte hinter uns etwas, die Diele am Eingang der Küche, die zu fixieren noch niemand Zeit gefunden hatte. Dann hörte man ein zischendes Flüstern, so etwas wie „Pass doch auf!” - „Pass doch du

auf!” Seufzend löste ich meine Lippen von seinen und sagte, ohne mich umzudrehen: „Was wollt ihr denn ihr hier?” „Well, ihr Zwei habt euch gestritten und das war ziemlich laut ...” „Jo, und außerdem kennt man das von euch gar nicht … Jedenfalls nicht in dieser, uhm, Dauer.” Da hatte mein Brüderchen wohl recht. Ein Wutgroschen konnte ich noch immer sein, aber das waren nur kurze Ausbrüche. „Und da dachtet ihr, ihr schaut mal nach, bevor wir uns die Köpfe einschlagen?!”, fragte nun Jens amüsiert und ich dachte mir, was macht er sich eigentlich für Sorgen um 'UNS', den exakt den gleichen Satz hatte ich schon auf den Lippen gehabt. In seltener Einigkeit sahen sich die beiden

jungen Männer an und nickten. „Na ja, so ungefähr ...” Jens würde mir sicher von nun an überhaupt nie mehr glauben wie heftig die zwei sich zoffen konnten! Müde ließ ich meinen Kopf in Jens' Halsbeuge sinken. „Hm, Männer, ihr könnt euch abregen, es ist alles wieder gut. Ist es doch, oder, Catherine?” Da war es wieder, diese Timbre, welches mich immer noch vom Kopf bis zu den Zehenspitzen vibrieren ließ … Ich nickte stumm, da stand Jens auch schon auf und hob mich in seine Arme. Nur zu gerne schmiegte ich mich an ihn, während er meinte, wir sollten jetzt alle wieder ins Bett gehen, die Nacht sei eh bald rum. Gehorsam löschten die Jungs die Lichter hinter uns und Jens trug mich hoch in unser Bett. Nun wirklich hundemüde kuschelte ich mich an meinen Mann. Knapp zwanzig Jahre

Altersunterschied, pfff, das mag für Normalsterbliche ein Problem sein, aber doch nicht für ihn! * Am nächsten Morgen wachte ich trotz der kurzen Nacht voller Tatendrang auf, küsste meinen Schatz, ließ den Herren Künstler aber dann noch weiter schlafen. Von den Jungs war ebenfalls noch nichts zu sehen, ich frühstückte rasch eine Kleinigkeit allein und rannte dann beinahe den ganzen Weg zur Arbeit. Die schlechten Nachrichten aus Namibia waren zwar über Nacht nicht besser geworden, aber die Tatsache, dass Jens und ich uns geeinigt hatten und ich in Kürze dort zum Helfen antreten konnte, beflügelte mich ungemein. Aktiv sein, selber etwas organisieren, das war

mein Ding. Schon damals auf der Straße habe ich immer versucht, kein Opfer zu sein und möglichst wenig dem Schicksal zu überlassen. Na gut, in einem Punkt hatte das Schicksal allerdings zugeschlagen und mir einen blonden Schutzengel zugewiesen … Was heißt Schicksal, in Wirklichkeit war es einer von Tonis Schergen gewesen, der mich damals ins Wasser geschubst hatte! Beim Gedanken an meinen einstigen Peiniger lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Man soll ja sowas eigentlich nicht denken …. aber in diesem Fall war ich froh, dass er gegen Ende seiner Haftzeit im Knast gestorben war … Wer weiß, ob ich ansonsten sicher gewesen wäre? Und nach dem Umzug nach Berlin war die Gefahr, meinem leiblichen Kind über den Weg zu laufen, ebenfalls extrem gemindert. Noch

immer spürte ich kein Bedauern über die Adoption, wünschte dem 'kleinen' Mädchen, das inzwischen wahrscheinlich schon auf die weiterführende Schule ging, im Leben nur das Beste. Und vor allem, dass es von dem Scheiß vor seiner Geburt nie etwas erfahren würde! Im Zoo musste ich ja gar nicht groß Bescheid geben, es änderte sich eigentlich nur das Reiseziel, und die Zeit, die wir für unseren Urlaub eingeplant hatten, sollte wohl auch reichen, um das Wichtigste in Harnas zu regeln und die Weichen zu stellen. Allerdings nahm ich mir heute über Mittag ein paar Stunden frei, um vom Computer zuhause aus unsere Reise zu organisieren. Das Stornieren der ursprünglichen Buchungen musste Jens selber übernehmen, darüber hatte ich keinen Überblick. Also organisierte ich alles, Flug nach Windhoek,

ein Mietauto, natürlich einen Jeep, außerdem informierte ich die Farm per Mail, irgendjemand käme ja vielleicht doch mal dazu, das zu lesen; gleichzeitig schickte ich ebenfalls ein Telegramm. Gerade als ich wieder gehen wollte, klingelte das Telefon, als ich dran ging war es Jens, der aber etwas überrascht wirkte. „Cat, du bist zuhause? Ist was nicht in Ordnung?!?” „Nein nein, alles OK”, lachte ich, ich hab nur-” „Puh, dann ist ja gut, eigentlich wollte ich dir auf den AB quatschen, hast du dein Handy nicht an?”, rasselte er hektisch runter und ich realisierte erst da, dass ich das in meinem Büro hatte liegen lassen. „Jedenfalls, Schatz, ich werd heute erst sehr spät nach Hause kommen, stell dir vor, die Galerie will mir vorschreiben, welche Bilder wo hängen ...” Ich lachte einmal kurz auf. Klar, das konnte sich

seine Künstlerseele natürlich überhaupt nicht gefallen lassen. Das konnten sie vielleicht mit einem Anfänger machen, aber doch nicht mit ihm, seiner Meinung nach, und ich finde, da hatte er Recht! „Gut, dann weiß ich Bescheid. Zeig's ihnen, mein Großer!” „Danke! Ich wusste, du hast dafür Verständnis!”, seufzte er erleichtert und hatte auch schon wieder aufgelegt. Es war wirklich sehr spät in der Nacht, als ich spürte, dass sich jemand aufs Bett setzte und richtete mich auf. „Sht Süße, schlaf weiter”, flüsterte Jens, „ich geh nur noch schnell duschen.” „Nein lass das”, murmelte ich verschlafen, „ich riech dich doch gern so”, und streckte die Hände nach ihm aus. Mit einem kleinen Brummen nahm er mich in seine Arme, in die ich mich selig kuschelte.

Nach ein paar Minuten stand er zwar doch noch kurz auf, um sich wenigstens die Zähne zu putzen, kam dann aber gehorsam sofort wieder ins Bett. Dementsprechend war ich am nächsten Morgen wieder als erste auf, diesmal traf ich wenigstens Stan in der Küche. Als ich ihn sah, kam mir eine Idee. Er würde ja auch bald abreisen, aber leider war Jens so schrecklich beschäftigt. Deswegen schlug ich ihm vor, seinen Vater doch einfach zu fragen, ob er ihn heute mit in die Galerie begleiten durfte. Ich hoffte, Jens würde sich über das Interesse seines Sohnes freuen und ihn nicht als Balast empfinden … Na, darüber konnten mir die Beiden ja dann beim Abendessen berichten.


Dachte ich.

0

Hörbuch

Über den Autor

QueenMaud
Bin Mitte 40, habe in Bonn Theologie studiert, arbeite aber jetzt was ganz anderes :-) Verheiratet ohne Kinder, habe aber trotzdem weniger Zeit zum Schreiben, als ich möchte.

Trotzdem habe ich es geschafft, ein ganzes Buch zu schreiben, DIN A4 doppelseitig bedruckt immerhin 240 Seiten. Und jetzt habe ich den Schritt gewagt und es als reines E-Book auf Amazon veröffentlicht ( http://www.amazon.de/Verrat-und-Vertrauen-ebook/dp/B007OH3DXI/ref=sr_1_1?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1332863393&sr=1-1 ), vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen ... Eine Leseprobe von "Verrat und Vertrauen" findet ihr auch in meiner Bücherliste.

Ansonsten gebe ich zu, eher einen Hang zum Happy-Ending zu haben, aber auch nicht immer, wie die Leser meines "Klassentreffen" sicher bestätigen können :-)

Leser-Statistik
5

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
QueenMaud Den ersten Teil gab es hier:
http://www.mystorys.de/b124242-Romane-und-Erzaehlungen-Save-me--Teil-1.htm
Von dort aus wird jeweils im Kommentar auf den nächsten Teil geleitet :-)
LG
QueenMaud
Vor langer Zeit - Antworten
QueenMaud Die Vorgeschichte findet sich hier:
http://www.mystorys.de/b113998-Romane-und-Erzaehlungen-Lebensretter--Die-Gesamtausgabe.htm

Der erste Teil Save me :
http://www.mystorys.de/b124242-Romane-und-Erzaehlungen-Save-me.htm

LG :-)
QueenMaud
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
2
0
Senden

124425
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung