Der neugierige Haarschnei
Männer tratschen nicht, behauptet mein Mann, sie diskutieren. Männer sind nicht neugierig, nur wissensdurstig und wollen gerne am Laufenden sein. Nur sein Frisör, räumt er ein, bildet eine Ausnahme – er ist eine echte Klatschtante. Kein Kunde entgeht seiner Befragung und auch nicht den darauf folgenden gut gemeinten Ratschlägen.
„Wohin geht es denn heuer in den Urlaub?“, fragte er meinen Mann, während er nach Kamm und Schere griff.
„Nach Rom.“
„Jesus Maria, Rom! Überall sonst hin, nur nicht nach Rom!“
„Ja, warum denn nicht?“
Der Figaro hielt inne, sah meinen Mann an, als ob dieser Selbstmord verüben wollte und beugte sich dann nahe zu seinem Ohr. Sein heißer, nach Knoblauch riechender Atem legte sich wie eine Wolke um den Kopf meines Mannes.
„Na hören Sie, die Kriminalität dort! 100%ig wird man Sie überfallen.
Und die Stadt – schmutzig, heiß, stinkend. Das wahre Fegefeuer.
Also, wenn Sie noch nicht gebucht haben – ich würde Ihnen dringend von dieser Reise abraten.... Wo steigen Sie denn ab?“
„Hotel Termini.“
„Auch das noch! Um Gottes Willen!“, rief er so laut, dass die Wartenden die Illustrierten beiseite legten und aufhorchten. Etwas gedämpfter fuhr er fort:
„Dieses Hotel hat einen äußerst schlechten Ruf. Miserable Küche. Jeden Tag nur lauwarmen Spinat und Hühnchen. Salmonellenvergiftungen sind an der Tagesordnung. Bettzeug vom Vorgänger, schmutzige Handtücher.“
Abermals beugte sich der Meister zum Ohr seines Kunden und senkte die Stimme zu einem unheilschwangeren Flüstern:
üstern:
„Habe sogar von Flöhen und anderem Ungeziefer gehört.“
„Hm“, machte mein Mann und bemühte sich, sein Schmunzeln zu unterdrücken.
In Ermangelung des gebührenden Interesses schwieg der Figaro und widmete sich ein wenig enttäuscht dem Haarschnitt. Energisch hantierte er mit dem Kamm und das Scherengeklapper ging in ein bedrohliches Stakkato über.
Nach einer Weile, die Haare waren schon fast geschnitten, fragte er sachlich:
„Fliegen Sie?“
„Nein, wir reisen mit dem Zug.“
„Im Zug? Doch nicht im Nachtzug? Da betäuben die Mafiosi die Passagiere und rauben sie total aus. - Keine Seltenheit.“
„Wir nehmen ein Vorhängschloss mit, unseren Hund und ein paar Dosen Pfefferspray.“
Nun griff der Frisör zum Rasiermesser, um sein Werk zu vollenden.
Als auch im Nacken kein einziges Härchen mehr zu entdecken war, betrachtete er sein Kunstwerk von allen Seiten. Zupfte da und dort ein wenig herum und strich zum Abschluss etwas Brillantine in die Haare meines Mannes.
„Haben Sie sich auch bei einer Massenaudienz beim Papst angemeldet?“
„Freilich“, bestätigte mein Mann und versprach, beim nächsten Haarschnitt alles zu berichten.
„Also, einen schönen Urlaub und viel Glück!“
„Danke!“
Sechs Wochen später erschien mein Mann braungebrannt im Frisörsalon.
„Ja, Grüß Sie Gott! Wieder im Lande? Waren Sie tatsächlich in Rom?“
„Ja, waren wir!“
„Na und?“
„Es war herrlich! Rom ist eine wunderbare Stadt! Sauber, interessant, kultiviert.
Die Menschen gastfreundlich und liebenswürdig.“
„Und das Hotel?“
„Hotel Termini? Was soll ich Ihnen sagen? Ein Traum! Wir wurden mit Musik empfangen und bekamen eine ganze Suite zugeteilt – haben selten schöner gewohnt.
Täglich frische Bettwäsche und Handtücher, überall Blumen.. Als Willkommensgruß ...auf dem Tisch in unserem Salon ein Eiskübel mit einer Flasche Champagner, dazu Brötchen mit Lachs und Kaviar. Und natürlich täglich eine Schale mit frischem Obst.
Vor allem aber ein reizendes, deutsch sprechendes Personal.“
„Nein, so etwas! Sie übertreiben?“
„Nein, tu ich nicht – es war umwerfend schön.“
Der Frisör schüttelte ungläubig den Kopf.
„Da hat sich in letzter Zeit aber viel geändert in diesem Italien.“
Nach einer kleinen Weile, in der er gedankenverloren den Kopf meines Mannes bearbeitete, fragte er:
„Und die Audienz beim Papst? Sie sagten ja, dass Sie angemeldet waren. Sind Sie empfangen worden? Wie war es denn da?“
„Wie man es im Fernsehen sieht - eine lange Kolonne von Menschen, die ehrfurchtsvoll beim Papst vorbeizieht.
Jeder kniete vor dem Hl. Vater nieder und deutete einen Kuss auf seinen Siegelring an. – Nur bei mir gab es eine kurze Unterbrechung.“
„Warum?“
„Als ich niederkniete und mich über den Siegelring beugte, berührte mich die Hand des
Hl. Vaters an der Schulter. Ich schaute auf und der Papst lächelte mich an.
„Mein Sohn“, fragte er voll Mitleid, „ mein Sohn, welcher Pfuscher hat denn dir die Haare geschnitten?“
Von diesem Tag an hat sich der Frisör nie wieder nach unseren Urlaubsplänen erkundigt.