„Über der Wochen war ich Krankenhaus. Erinnerst du dich? Ich hatte dir Bescheid gegeben. Hatte dir sogar einen Brief geschrieben. Es kam weder eine schriftliche Antwort, noch riefst du an, geschweige denn ließt du dich blicken. Jetzt, wo du wieder im Krankenhaus liegst, verlangst du von mir, das ich dich besuchen komme und dir deine Sachen hinterherschleppe. Weißt du eigentlich, wie oft ich das schon getan habe, für dich? Wo warst du, als ich in der Klinik war? Ich habe dir aufgeschrieben, was ich vergessen hatte. Kamst du und brachtest du es mir
hinterher? Nein! Dabei warst du zu Hause und hattest Zeit dafür gehabt. Und warum kamst du nicht? Ich dachte, wir wären Freunde. Dir ist doch bewusst, das Freunde füreinander da sind. Nicht nur der Eine ständig für den anderen. Geben und nehmen. Schon mal was davon gehört? Und dann wundern, das keiner mehr was mit dir zu tun haben will. Egoist. Hier hast du deinen Schlüssel wieder. Kannst du dich noch daran erinnern, als du im Krankenhaus lagst und keiner kam dich besuchen? Mehrfach hast du mir die Geschichte erzählt. Mir beschrieben, wie du dich gefühlt hast, wenn Besuchszeit war und du nur ansehen
durftest, wie andere Besuch bekamen und du nicht. Nun weißt du auch, wie es mir ging. Das erste mal bin ich längere Zeit in der Klinik und niemand kommt nach mir sehen. Da weiß ich doch, was ich für euch bin. Ein Depp. Mach dir nichts draus. Du warst nicht der Einzige, der es nicht für nötig hielt, nach mir zu schauen. Tolle Freunde habe ich. Wie gut, das ich weiß, das ich mich auf euch verlassen kann, wenn ich euch brauche. Gott, hab ich eine Wut im Bauch. - Was rege ich mich überhaupt auf. Irgendwo hab ich es geahnt. - Deine Nummer habe ich schon gelöscht. Die der anderen auch. Es ist mir egal, das ich nun gar
keinen mehr habe. Ich dachte, das die handvoll Freunde, die ich hatte, wirklich Freunde seien, auf die ich mich verlassen kann. Aber da habe ich mich wohl geirrt. Lange genug war ich im Krankenhaus. Ihr hatte genug Tage zur Auswahl, um kurz nach mir zu schauen. Ein Brief hätte mir auch gezeigt, das ihr an mich denkt. Aber selbst das... Gerade von dir bin ich enttäuscht. Wie oft lagst du in der Klinik und ich kam zu dir? Mindestens einmal im Jahr liegst du drin. Und laut deinem Reden, hast du nur mich und sonst niemanden. Das heißt, von nun an bist du ganz alleine.“ Warum ich im Krankenhaus war? Weil ich wissen wollte, wie es da so ist.
Bisher war ich stets nur Besucher gewesen. Von den drei Leuten, zu den ich noch Kontakt behalten hatte, ging ich davon aus, das sie richtige Freunde seien. Ich ließ mich einliefern, um mir helfen zu lassen, das ich die Welt nicht nur schwarz weiß sehe. Nebenbei wollte ich wissen, ob sie mich auch besuchen würden, wenn ich einmal im Krankenhaus lag. Nun wusste ich, das ich der Einzige war, der nach den anderen schaute und ihnen alles hinterherbrachte. Das stimmte mich traurig. Zornig, machte es mich auch, weil ich immer angab, das ich zwar wenige, aber dafür richtige Freunde habe. Jetzt war ich davon überzeugt, das
ich in dem Punkt falsch lag. Ich machte einen langen Spaziergang durch den nahegelegenen Wald. Meine Gedanken wirbelten durcheinander. Hatte ich überreagiert? Wäre es wirklich ein Zeichen der Freundschaft gewesen, wenn sie mich besucht hätten? Es war ein saublödes Gefühl, wenn ich sah, wie andere Besuch bekamen und ich nicht. Jedem hatte ich geschrieben und die Telefonnummer gegeben, über die ich erreichbar war. Nichts kam. Ich hatte gemischte Gefühle. War traurig und gleichzeitig wütend. Vor allem war ich nachdenklich. Dachte über mich nach. Fragte mich, ob es mir lag. Ob ich in letzter Zeit was falschen gesagt,
beziehungsweise gemacht, hatte. Aber mir fiel nichts ein.
Vielleicht habe ich überreagiert und sollte ihnen noch eine Chance geben. Ich habe sie ja nicht zu Wort kommen lassen. Womöglich kamen sie deswegen nicht, weil sie froh waren, das sie mal kein Krankenhaus von innen sehen mussten. Sie waren nicht mehr die Jüngsten und hatten immer mal was. Es muss ja auch einen rund geben, warum ich die erste Wahl bin, wenn es sie mal wieder erwischt hat.