PROLOG
"Sie nahmen mir meine Eltern, meine Schwester, meine Freunde. Sie nahmen mir alles, denn nun sind sie tot. Und ich werde keine Sekunde zögern, wenn ich sie finde und ihnen in die Augen sehe, während ich jeglichen Hauch Leben aus ihnen sauge."
Schon seit Anbeginn der Menschheit gibt es "die Anderen". Der Auslöser war ein Gott und zwar Zeus. Als er seinen Vater Kronos in den Tartaros verbannte und in Stücke zerteilte, vergaß er, dass sein reizender Erzeuger mit einem Fluch belegt worden war. Es hieß, alle zehn Jahre würde ein Ebenbild jedes Gottes
und jeder Göttin geboren, welche über so große Macht verfügten, dass es entweder der Aufstieg oder der Untergang der Olympier werden würde. Dies schwor das Titanenoberhaupt, bevor er von der Dunkelheit des Tartaros verschlugen wurde. Zugleich entsprangen dem Körper des Kronos die Seelensauger. Kreaturen die den Unterschied zwischen Freund und Feind nicht sahen. Sobald einer der Ebenbilder geboren wurde, entfloh einer dieser Seelensauger dem Tartaros und beschattete den Neugeborenen. Er musste gegen die Götter ausgebildet werden. Denn die Götter waren nicht dumm. Sobald diese speziellen Kinder auf die Welt kamen, suchten sie sie und hielten
sie auf Abstand zum Bösen. Natürlich taten die Gottheiten dies nur aus Selbstnutz. Jedoch waren die Götter nicht immer schnell genug. Ein paar dieser Kids wurden von den Seelensaugern zuerst gefunden und somit war die Reinheit des Kindes definitiv dahin. Sie wurden zu kaltblütigen Killern , die weder fühlten noch einen eigen Willen besaßen. Einzig der Drang nach Blut und Zerstörung trieb sie an. Vor genau hundert Jahren machte das Orakel eine Prophezeiung. "Der Engel wird schon bald auferstehen, getränkt in Schwarz und Weiß. Möge sie eure Rettung sein, der Schlüssel zur Freiheit. Doch wenn sie dies nicht ist, wird ihr
Stoß euch alle vernichten. Allein der Reiter der Nacht und der Prinz des Lichtes können Sie umstimmen. Also hütet euch ihr Götter und Proleten, denn das Ende ist näher als ihr zu glauben vermagt!" Diese Worte versetzten die Götter in Furcht. Die Zeit der Geburt dieses Kindes rückte immer näher und näher. Bloß wusste niemand so recht, wo das Kind geboren werden würde. So wurden Nebengötter und Halbgötter geschickt, um das Mädchen zu finden. Es hieß außerdem in der Prophezeiung, sie habe ein besonderes Mal an der Schulter. Würden die Götter sie jemals finden? Und wenn ja, würde sie ihre Rettung sein oder der Untergang ihrer Ära?
KAPITEL 1
Ich blinzelte und stützte meinen Kopf mit dem Arm ab, damit mein Gesicht nicht die Tischplatte besuchte. Bryan schnarchte eine Reihe hinter mir. Dabei war sein Mund geöffnet und die Augenlieder flatterten. Sein muskulöser Körper bedeckte den ganzen Tisch. Mein bester Freund war Captain des Rugbyteams unserer Schule. In sportlichen Aktivitäten war er ein Star, weswegen er die Schule ziemlich vernachlässigte. Auch dieses Jahr kämpfte er um die Versetzung in die 12. Klasse. Ich kannte den Kerl seit dem Kindergarten, als er mich vor ein paar fiesen Typen beschützt hatte. Nach
diesem Ereignis waren wir unzertrennlich. Bryan hatte schon immer den Helden raushängen lassen, doch irgendwie passte dies zu seiner Persönlichkeit. Unsere Mütter waren ebenfalls befreundet, weswegen sie sich jeden Sonntag zu ihrem heiß geliebten Gärtnern trafen und über die "groteske Nachbarschaft" lästerten. Selbst im Winter fanden die Beiden irgendein Gewächs, das sie massakrieren konnten. Vermutlich war die Gärtnerei nur eine Ausrede, um sich über den neusten Klatsch und Tratsch auszutauschen. Bryan und ich hatten keinen blassen Schimmer, wieso unsere MütterGefallen daran fanden. Doch so unternahmen wir
auch mehr zusammen. Wie zum Beispiel am Wochenende irgendwelche Football -oder Rugbyspiele ansehen. Mir machte es zwar nicht besonders viel Spaß, breiten Kerlen dabei zuzusehen, wie sie sich über den Haufen rannten, jedoch amüsierte mich der Anblick von Bryan, wenn die gegnerische Mannschaft einen Punkt erzielte. Anschließend tiegerte mein Freund durch das kleine Zimmer und beschimpfte meinen Fernseherbildschirm mit selbstausgedachten obszönen Wörtern. Man konnte ihn leicht aus der Ruhe bringen, vor allem, wenn es um sein heiliges Rugby ging. Ich versuchte den Sturkopf immer wieder von der
Wichtigkeit der Schule zu überzeugen, woraufhin er nur mit den Augen rollte und mich als seine Mutter bezeichnete.
Nun lag er mit dem Kopf auf seinen verschränkten Armen und schnarchte vor sich hin. Bryan sah definitiv gut aus, mit seinen schokoladenbraunen Augen, dem wuscheligen dunkelblondem Haar und dem nicht zu verachtendem Körper. Während mein Kumpel schlief, rümpfte er die Stupsnase. Diese passte so gar nicht in sein Erscheiningsbild als harter Kerl. Dennoch stand sie ihm gut und verlieh ihm etwas süßes. Einige Mädchen hätten alles für ein Date mit ihm getan. Für mich allerdings war Bryan nur eine
Art älterer Bruder. Dabei war er nur knapp ein Jahr älter.
Der Geschichtsunterricht von Mrs. Patton war nicht auszuhalten. Wir behandelten das Thema französische Revolution bereit zum zehnten Mal. Napoleon hing mir schon sowas von zum Hals raus. Die gesamte Klasse kämpfte mit der Müdigkeit. Manche, so wie Bryan, hatten den Kampf bereits verloren. Noch dazu hatten wir Ende Juni in Kalifornien. Jeder Schritt in die Mittagshitze war ein Selbstmordversuch. Außerdem waren die Klimaanlagen nicht mehr in bestem Zustand.
Als die Glocke klingelte, erwachten die Schüler aus ihrer Trance und verließen eilig den Raum. Bryan rieb sich verschlafen die Augen und gähnte. Eric, sein bester Freund und Mitspieler des Rugbyteams, schlenderte zu ihm rüber und beklagte sich über den öden Unterricht. Der Captain nickte und ging mit ihm Richtung Ausgang. "Kassia, kommst du mit uns essen?" erkundigte er sich bei mir. Ich bejahte und folgte den Jungs mit meiner besten Freundin Adalyn. Sie war etwa einen halben Kopf größer als ich und hatte lange lockige hellblonde Haare, die zusammen mit den blauen Augen ihr engelsgleiches Aussehen unterstrichen. Meine Freundin
nutzte meine Kontakte zum Rugbyteam total aus. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit zerrte sie mich zu den Sportlern und zettelte ein Gespräch an. Momentan hatte Adalyn an einem aus der 12. Interesse. Auch ein Spieler selbstverständlich. Sie hoffte, seine Begleitung für den Prom zu sein. Der war zwar erst in einem Monat, doch meine quirlige Freundin hatte bereits alles geplant. Selbst die Farbe MEINES Kleides stand fest. Dabei war ich der Ansicht, dass gelb nicht meine Farbe war. Wenn Adalyn dadurch allerdings glücklich war, war es mir recht. Wir setzten uns an einen Tisch in der Speisehalle, wo die restlichen
Teammitglieder saßen. Vermutlich war es von jedem Schüler der Traum, an dem Tisch "der Beliebten" zu sitzen. Meiner Meinung nach, war das Schwachsinn. Die Spieler waren so gut wie alle Angeber und Proleten, die jede Woche eine neue Freundin hatten. Also in mein Beuteschema passten sie ganz und gar nicht. Adalyn warf hingegen ihrem Schwarm Shay schöne Blicke zu. "Isst du noch die Hälfte deines Sabswiches?" fragte Bryan mich mit vollem Mund. Der Kerl aß so viel, wie eine tollwütige Bande Schimpansen. Meine Mutter verglich mich in der Hinsicht ständig mit ihm, das ich nie wirklich viel aß. Womöglich war ich deswegen so klein.
Ich schüttelte den Kopf und reichte ihm die Hälfte meines Essens. Er verschlang das Sandwich mit einem Bissen und legte sich die Hände auf den Bauch, als habe er soeben einen Bierbauch bekommen. "Kommst du heute zu unserem Spiel?" wollte Eric beiläufig von mir wissen. "Klar. Jemand muss euch doch mit Tomaten bewerfen, falls ihr verliert!" Die Mannschaft lachte. "Wie gütig von dir", schmunzelte Eric. "Und was machst du, wenn wir gewinnen? Gehst du dann mit mir aus?" I seinen grauen Augen lag etwas Forderndes. Bryan verschluckte sich an seinem Wasser und starrte seinen besten Freund entgeistert an. Er hatte es schon
immer gehasst, anderen Typen zu zusehen, wie sie mit mir ausgehen wollten. Mit denen, die es bei mir versucht hatten, prügelte sich mein Kumpel anschließend und laut der Gerüchte drohte er ihnen sogar. Dieser brüderliche Beschützerinstinkt war schon immer nervig gewesen. Mit 16 Jahren war ich schließlich alt genug, um auf mich selbst aufzupassen! Alle am Tisch warteten gespannt auf meine Antwort. Bryan verkrampfte sich merklich neben mir. Adalyn warf mir ein breites Lächeln zu, was soviel hieß wie: Schnapp ihn dir Tieger! Ich war nicht unbedingt scharf drauf, mit Eric etwas zu unternehmen, dennoch hatte ich auch
nicht vor, ihn abzuweisen, geschweige denn vor so einer großen Gruppe. "Wirst du nach dem Spiel überhaupt noch im Stande sein, irgendwas zu machen? So wie ich das in den letzten Jahren mitbekommen habe, habt ihr euch nach einem Sieg immer betrunken und wart froh, wenn ihr heil zu Hause ankamt!" Ich versuchte seiner Frage geschickt auszuweichen. Die Gesichtszüge meines Kumpels entspannten sich, da er meinen Plan durchschaut hatte. Sein bester Freund grinste schief. "Es geht ja auch nichts über ein zwei Bier. Aber das stecke ich locker ein und dann bin ich wieder zu allem bereit." Eric zwinkerte und ich war mir nicht sicher, worauf er
versuchte eine Anspielung zu machen. Bryan beugte sich über den Tisch rüber zu seinem Kumpel. "Treib deine dreckigen Spielchen mit jemand anderem!" Einer der Mannschaft pfiff durch die Zähne. Er ging wohl davon aus, dass es gleich etwas zu sehen gäbe. Ich hoffte inständig, das würde nicht passieren. Eric hob beschwichtigend die Hände, immer noch mit einem Grinsen im Gesicht. "Reg dich ab Mann. Ich mache doch nur Spaß! Bei dir kriegt man ja das Gefühl, dass du auf Kassia stehst." Bryan schüttelte den Kopf. "Du weist genau, dass dem nicht so ist. Und deine Späße werden irgendwie immer unwitziger." Mein bester Freund schnitt
eine Grimasse. Die Lage schien sich wieder zu lockern. Adalyn vertiefte sich erneut in ein Gespräch mit Shay, wo sehr viel mit den Augenbrauen gezückt und gezwinkert wurde. Addy war auf jedenfalls eine Meisterin in Sachen Jungs um den Finger wickeln. Ich war da etwas konservativer. Die restliche Mittagspause verlief ohne weitere Probleme. Adalyn verabredete sich mit Shay nach dem Rugbyspiel, weswegen sie mir die komplette nächste Englischstunde die Ohren vollschwärmte. Mir kam Shay nicht so sympathisch rüber. Er hatte etwas selbstgefälliges und eingebildetes an sich. Außerdem war seine Liste an
Ex-Freundinnen nicht gerade kurz. Natürlich sagte ich meiner Freundin nicht meine Meinung. Sie wäre zutiefst beleidigt und für die nächsten paar Tage sauer. Das waren nicht unbedingt meine Absichten. Addy hielt mir noch eine Predigt, von wegen ich hätte mich auf Eric einlassen sollen und Bryan mehr an der Leine halten. Bla bla bla. Sie konnte einfach nicht einsehen, dass mir diese großkotzigen Spieler nicht gefielen. Der Schultag verging viel zu langsam für meinen Geschmack. Als die letzte Schulstunde endete, machten Adalyn und ich uns auf den Weg zu mir nach Hause. Ich wohnte zwar nur eine halbe Stunde weit weg, dennoch wünschte ich
mir endlich ein eigenes Auto. Das Leben wäre um einiges leichter und praktischer.