Nach dem Ende der Archontenherrschaft und der Stilllegung der Lebensschmiede, steht Kellvian vor der Aufgabe, die vor Helike gestrandete Armee Cantons sicher zurück zu bringen. Bevor sie die Stadt jedoch auch nur verlassen können, erhalten sie Nachricht von einem Totgeglaubten.
Und in der Heimat ziehen bereits dunkle Wolken auf. Andre de Immerson hat seine Pläne, sich das Kaiserreich mit Gewalt untertan zu machen, noch nicht aufgegeben. Und ohne eine Armee ist alles, was zwischen
ihm und der Krone steht eine kleine Gruppe heruntergekommener Abenteurer und eine Handvoll Zauberer.
Bildquelle Michaela Schöllhorn / pixelio.de
Der Herbst machte sich auch in den nördlicheren gebieten um Erindal bemerkbar. Nach der Entscheidung der Ältesten, waren sie stetig weiter nach Südosten gezogen, weg aus den Herzlanden und bis fast an die Ostküste Cantons. In der Ferne konnte Kellvian sogar die Brandung hören, wenn der Wind richtig stand. Auf einer Baumbestandenen Klippe hatten die Gejarn eines ihrer Dörfer aufgeschlagen. Vielleicht einhundert aus leichtem Holz und Stroh erbaute Hütten, die aber überraschend standfest waren und mit dem Laub, das sich auf den Dächern
sammelte fast mit der Umgebung verschmolzen.
Über die gesamte Provinz u verteilt, musste es mittlerweile ähnliche, kleine Lager geben auch wenn selbst Kellvian nicht genau wusste, wo alle davon waren. Dafür waren es einfach zu viele, aber in kleinen Gruppen konnten sie ihre Anwesenheit hoffentlich so lange wie möglich vor Andres Spähern verbergen. Ein paar Gejarn würden ihn kaum beunruhigen, aber wenn tausend oder mehr davon durch das Land um Erindal zogen würde er sofort reagieren. Der Herr Silberstedts unterhielt eine überraschend starke Truppenpräsenz in der Gegend. Zwar hatte Kellvian
Gerüchte gehört, das Lasanta und auch Erindal an den Aristokratenbund um Andre gefallen waren, aber erst jetzt begann er sie auch zu glauben. Und damit waren wohl auch die übrigen Berichte war, die ihn aus Vara erreicht hatten. Jiy war Kaiserin… Er lächelte bei dem Gedanken. So hatte sich wohl keiner von ihnen den Ausgang ihrer Hochzeit vorgestellt, aber allein das endgültige Wissen, das sie lebte und es ihr gut ging war erleichternd. Und auch sie machten Fortschritte. Im letzten Monat hatten sie damit begonnen, Andres Männer regelmäßig zu Überfallen. Für eine offene Feldschlacht
reichte ihre Anzahl schlicht nicht, aber sie taten alles, was ihnen sonst blieb. Nachschubtransporte überfallen, Angriffe auf Späher und vereinzelte Soldatentruppen oder Männer, die sich zu weit von ihrer Einheit entfernt hatten. Mittlerweile schickten Andres Offiziere nur noch mindestens Dreiergruppen los, egal um was es ging und nachts erzählten sich die Männer Geschichten über Geister, die die Wälder in der Dunkelheit heimsuchten um Unvorsichtige mit sich zu nehmen. Andres Truppen schwanden genau wie ihre Moral, während nach wie vor immer noch Gejarn zu ihnen stießen, einzeln
oder in Gruppen. Die Nachricht über die Entscheidung der Ältesten hatte sich wie ein Lauffeuer unter den Clans verbreitet. Ob aus dem Norden, noch aus den Herzlanden oder aus den südlichen Gegenden in der Nähe, Kellvian schätzte, das sich mittlerweile mehr als fünftausend bewaffnete Gejarn in der Provinz eingefunden haben mussten. Allerdings waren nicht alle davon Kampferfahren. Für diesen Tag waren für die Gejarn, die Kellvian unterstanden keine Überfälle geplant und so gönnten sich die erschöpften Männer und Frauen eine seltene Pause. Zumindest, die meisten. Kell hatte sich in den Schatten eins fast
schon kahlen Baumes gelegt, währen die Mittagssonne die letzten verbliebenen Blätter ausbleichte. Es war überraschend warm hier, obwohl der Winter nur noch ein, zwei Monate entfernt sein konnte. Ein salziger Geschmack, der von der nahen See stammen musste, lag ihm auf der Zunge. Melchior saß ein paar Schritte entfernt auf einer Bank, die man vor einer großen, mit Steinen ausgelegten Feuerstelle errichtet hatte. Der Seher starrte in die Asche, als könnte er dem verkohlten Holz noch irgendwelche Hinweise entnehmen. Die Pfeife, die er sich angezündet hatte, brannte unangetastet in seiner Hand. Kellvian
stand lautlos auf, klopfte die Blätter aus seiner Kleidung und setzte sich dann zu ihm. Der Seher hatte seinen Bernsteinstab neben der Bank abgestellt. Die Knochentalismane, der an einer Kette daran hing, schlugen in der leichten Brise wie ein makabres Windspiel aneinander. Die Gebäude, die sich an die umstehenden Bäume schmiegten, waren selbst, wenn man sich mitten im Dorf befand mehr zu erahnen, als das man sie direkt erkennen konnte. Lediglich die ausgetretenen Spuren im Laub zeigten einem, wo sich Eingänge oder Kreuzungen zwischen Hütten befanden. Derweil Lucien hatte um sich einige der
jüngsten Neuankömmlinge versammelt und jedem einen einfachen Holzstab in die Hand gedrückt. Passende Äste ließen sich hier draußen schnell finden und passend zurechtschnitzen. Der kaiserliche Agent hatte das Kinn und die Arme auf einen Stab gestützt und musterte die kleine Gruppe vor sich, beinahe gelangweilt, wie es schien. Syle stand dabei und hatte eine Hand auf den Griff des Messers gelegt, das er jetzt immer zu tragen schien. Kellvian hatte die Waffe zum ersten Mal in Vara gesehen, eine rituelle Waffe und ein Geschenk des Ältesten der Wölfe. ,, Also, wer von euch hat schon einmal eine Waffe in der Hand gehabt ?“ ,
fragte Lucien. Mehrere Hände hoben sich. ,, Mit Waffe, meine ich nicht, das ihr einmal mit einer Pistole geschossen habt, oder Steinspeere oder Bögen. Die mögen zur Jagd taugen, aber gegen eine gepanzerte Kavallerieeinheit sind sie etwa so wirkungsvoll, wie ein Stöckchen darin, einen rollenden Felsblock aufzuhalten. Übrigens seht ihr danach auch genau so aus, als wenn ihr das versuchen würdet.“ Genauso viele Hände, wie sich eben noch gehoben hatte, senkten sich wieder, was Lucien mit einem nicken quittierte. ,, Na bitte.“ ,, Ihr braucht sie nicht gleich ganz zu
entmutigen.“ , meinte Syle neben ihm. ,, Ein Bogen kann euch nützen wenn euer Ziel nicht gepanzert ist, oder nur einen Kürass trägt, wie die meisten Offiziere und Musketiere. Leider können wir nicht davon ausgehen, dieses Glück immer zu haben.“ ,, Deshalb werdet ihr auch lernen, richtig zu kämpfen und nicht nur wie aufgeschreckte Hühner herumzulaufen. Du !“ Lucien warf einem verdutzten Löwen seinen Stab zu, der die Waffe grade noch Auffangen konnte. Der kaiserliche Agent nahm derweil einen zweiten Stock von einem Stapel, der unter einem nahen Baum lag. Einen Moment ließ er die improvisierte Waffe
elegant ums Handgelenk kreisen. ,, Passt auf, das ihr euch nicht gleich selbst die Nase brecht.“ , mahnte Syle. Mittlerweile war auch Fenisin dazu gekommen und betrachtete das Schauspiel. Lucien stoppte die Drehbewegung des Stabs mit dem Fuß. ,, Wenn ihr nachher Zeit habt, könnt ihr es ja stattdessen Versuchen.“ ,,Lucien…“ , brummte Syle nur. ,, Wolltet ihr nicht irgendetwas tun ?“ ,, Richtig.“ Der kaiserliche Agent wendete sich wieder dem jungen Löwen zu. ,, Ich will, das ihr mich angreift und dabei versucht, mich zu treffen. Wenn es euch gelingt, gut. Wenn nicht… werde
ich euch später erklären, was ihr falsch gemacht habt.“ Der Gejarn nickte und trat, die Waffe verkrampft haltend, auf den kaiserlichen Agenten zu. Der erste Hieb war stümperhaft und geriet beinahe zu kurz, um Lucien auch nur zu treffen. Er parierte den Schlag und statt der Brandung tönte nun das Geräusch von Holz, das in rascher Folge auf Holz prallte durch den Wald. Luciens Gegner wurde offenbar mutiger. Er wagte sich weiter vor, griff weniger zögerlich an. Einmal machte er einen Ausfallschritt zur Seite und versuchte, in die ungeschützte Seite des Agenten zu kommen. Dieser bemerkte jedoch, was
der Löwe vor hatte und ließ ihn ins Leere stolpern. Ein sanfter Stoß mit dem Übungsstab in den Rücken und sein Gegner landete, das Gesicht voran, im Laub. ,, Euch macht das scheinbar Spaß.“ , bemerkte der Löwe. ,, Ich darf mal ohne Scheu auf anderen Herumhacken, was soll mir daran keinen Spaß machen ?“ , auf Luciens Gesicht zeigte sich ein breites Grinsen, während er seinem Gegner aufhalf. ,, Das war schon gut. Ein bisschen Übung und bald fallt ihr nicht mehr so schnell auf die Nase.“ Der kaiserliche Agent drehte sich wieder zu den übrigen Gejarn um, stockte
jedoch, als er eine bekannte Gestalt sah, die mit einem Stab in der Hand unter die Wartenden trat. ,, Mhari ?“ Lucien musterte die Frau unsicher. Die grauhaarige Gejarn-Älteste ihrerseits legte den Kopf auf die Seite, die Hände entspannt auf die Übungswaffe gestützt. Kellvian stand wie Melchior von der Bank auf. Spätestens seit seinem seltsamen… Erlebnis unter den Seelenbäumen, war er sich sicher, dass sie mehr war, als sie vorgab zu sein. Und vor allen die Löwen, wie der, den Lucien grade besiegt hatte, behandelten sie mit ausgesuchtem Respekt, den sie scheinbar nicht einmal den anderen
Ältesten zukommen ließen. ,, Jetzt sagt bloß, ihr wollt in eurem Alter noch kämpfen lernen ?“ , fragte Lucien leicht spöttisch. ,, Ich kann es wohl zumindest versuchen.“ Ihr Gesicht zeigte keine Regung, aber irgendetwas in ihren Augen leuchtete auf, wie stummes Gelächter. Lucien zuckte mit den Schultern. ,, Ich will euch aber wirklich nicht verletzen.“ Mhari grinste nun tatsächlich. ,, Das könnt ihr gar nicht.“ ,, Ach ? ,, Versucht es, wenn ihr mir nicht glaubt. Ihr könnt mich nicht täuschen.“ Damit, dachte Kell, während er gespannt
zusah, könnte sie allerdings sogar Recht haben. Wen er eines wusste, dann das die Gejarn Lügen sehr leicht durchschaute. Ob das jedoch einfach eine Angeborene Eigenschaft war, oder etwas, das sie gelernt hatte, darüber konnte er nur spekulieren. Und natürlich darüber, ob das auch auf einen Kampf zutraf. Der kaiserliche Agent zuckte erneut mit den Schultern, bevor er einen schnellen, unvorhersehbaren Stoß auf Mharis Schulter führte. Kell fürchtete bereits, das sich gleich jemand um die verletzte Älteste kümmern musste, doch statt einem Schmerzensschrei hörte er nur den dumpfen Schlag von Holz, das auf Holz traf.
Mhari hatte den Angriff scheinbar ohne Mühe abgewehrt. ,, Wie gesagt…“ , meinte sie. ,, Reines Glück.“ Lucien sprang zurück und wollte nun offenbar ernst machen. Der kaiserliche Agent griff wiederholt an, versuchte, ebenfalls in die Seite der Gejarn zu gelangen, oder sie vielleicht wenigstens am Fuß zu erwischen. All dies führte nur dazu, das er nach mehreren Minuten schwer atmend da stand. Schweiß lief ihm übers Gesicht, während die Gejarn nach wie vor völlig entspannt war. Kellvian hatte keine Ahnung, wie sie das machte, aber eines war ihm aufgefallen.
Mhari bewegte sie nur, wenn sie musste. Statt ihrem Gegner zu folgen, oder sich wenigstens etwas mi der Waffe zu schützen, wartete sie bis zum letzten Moment um dann genau im richtigen Moment zu parieren. Es war seltsam mit anzusehen… ,, Na wartet…“ Lucien stürzte erneut vor. Dieses Mal jedoch, schlug Mhari zu. Der Angriff des kaiserlichen Agenten lief ins Leere und er bekam einen Schlag in die Kniekehle. Er klappte mit einem kurzen Aufschrei zusammen. ,, Und ?“ , wollte Mhari wissen, als sie ihm wieder auf die Füße half. ,, Ich bin grade von einer alten Gejarn
verdroschen worden, Mhari. Ich wäre jedem hier sehr verbunden, wenn er das sofort wieder vergisst…“ Syle lachte. ,, Ich fürchte, das behält hier niemand für sich. ,, Das ist nicht lustig.“ , beschwerte der Agent sich, stimmte dann aber doch mit ein. ,,Aber vielleicht schicken wir die Ältesten in Zukunft als eigene Gruppe los. Was glaubt ihr wie Andres Offiziere reagieren, wenn sie eine kleine Streitmacht aus Graupelzen vor sich sehen?“ Fenisin, der allem schweigend gefolgt war, schüttelte nur ungläubig den Kopf. Später am Abend, als in der Feuergrube
im Dorf ein kleines Feuer brannte, wollte Kellvian von Melchior erfahren: ,, Wisst ihr eigentlich… wer sie ist?“ Abends wurde es schnell ruhig in dem Nomadendorf. Die meisten waren froh, eine Nacht in Ruhe verbringen zu können und Luciens Rekruten wohl erleichtert, dem kaiserlichen Agenten fürs erste zu entkommen. Nach Mharis Denkzettel war das Training nicht mehr ganz so verlaufen, wie Lucien sich das vorgestellt hatte. Kellvian und der Seher waren für einen Augenblick alleine am Feuer und er wollte die Zeit nutzen, um vielleicht etwas in Erfahrung zu bringen. Mhari selbst irgendwie dazu zu bewegen,
vielleicht etwas zu erzählen, hatte dabei wenig Sinn. Sie hatte, wie angekündigt, demonstriert, dass man sie schwer täuschen konnte. Und Kellvian bezweifelte, dass sie all zu viel von sich aus verraten würde. ,, Sie ist gar nichts.“ , antwortete Melchior. ,, Wie meint ihr das ?“ ,, Genau, wie ich es meine. Ich kenne sie nicht. Man sollte doch denken können, ihr hättet euch langsam an die Gesellschaft seltsamer Leute gewöhnt.“ ,, Trotzdem.. ihr wisst einmal etwas nicht?“ Kell glaubte ihm dieses Mal zumindest. Wenn der Seher ihm etwas verschwieg, hatte es bisher noch nicht
geschadet. Egal, wie es anfangs ausgesehen haben mochte.
,, Junge…“ Der Seher lächelte. ,, Ich sehe die Zukunft. Die Vergangenheit von jemand ist etwas völlig anderes. Wenn ihr eine Lebensgeschichte haben wollt… fragt sie oder jemanden, der sie kennt“
Kellvian musste selber lachen. ,, Ich hole noch etwas Feuerholz.“ , erklärte er. Die anderen würden sicher auch bald zurückkommen. Und Morgen wären sie vielleicht bereits wieder Unterwegs, wenn Fenisins Späher ein lohnendes Ziel gefunden hatten.
EagleWriter Und gewissermaßen Verdient ^^ lg E:W |
abschuetze Na endlich hat Lucien mal die Hucke vollbekommen :)) Seite 16. ... was der Löwe vor hatte und zog ließ ihn ins Leere.... (ein Wort zu viel oder zu wenig?) LG vom Schuetzlein |
EagleWriter Eines zu viel ^^ lg E:W |