Titel
Ich plädiere immer noch auf Notwehr. Schließlich habe ich ihn oft genug ermahnt, mir nichts mehr über seine eingebildeten Krankheiten zu erzählen. Ich wollte nichts darüber hören und auch nicht, das er es immer und immer wieder wiederholt.
Ja, ja. Wenn es ihm schlecht geht, muss die ganze Welt es wissen und Mitleid haben. Meinetwegen kann er mir ja sagen, das er krank ist und was er hat. Aber nicht ausführlich, bis ins allerwinzigste Detail und nicht zehn mal hintereinander. Einmal genügt völlig. Selbst das ist schon zu viel. Bekam ich
Mitleid, als sie mich verknackt haben? Obwohl, wenn ich mich recht erinnere, konnte ich an einigen Gesichtern Verständnis ablesen. Niemand wollte sich sein Gejammer antun. Jedem war es zu viel. Er zeigte auch kein Mitleid, wenn es anderen schlecht ging. 'Das ist Pech.', war häufig seine Reaktion und wollte nichts darüber hören.
Ich will nichts Falsches behaupten. Aber ich glaube, wenn ich es nicht getan hätte, dann jemand anderes. Garantiert. Jedem ging sein Gelaber auf dem Sack. Einsehen kannte er nicht. - Rechthaberischer alter Sack.
Ich muss gestehen, das ich mich nach der Tat besser fühlte. Irgendwie befreit.
Ja, ich weiß, wie es klingt. Ist mir aber, ehrlich gesagt, egal. Mir sind bestimmt einige dankbar, das ich den Streithammel aus dem weg geschafft habe. Er hätte ja auch mal andere zu Wort kommen lassen können. Seine Fresse halten und uns mit seinen eingebildeten Krankheiten in Ruhe lassen können. Damit hätte er uns allen einen riesigen Gefallen getan.
So weit ich mich erinnere, habe ich ihm mehrfach darum gebeten, den Mund zu halten. Ja, anfangs war ich noch höflich. Doch weil er nicht aufhören wollte, mich weiter zuzutexten, habe ich ihm gedroht. Ich hielt ein langes, scharfes Messer vor mich und sagte ihm im
ruhigen Ton, das ich ihm die Klinge in seine Rippen stechen werde, wenn er nicht sofort das Maul hält. Keine Reaktion. Daher wiederholte ich mich. Diesmal lauter. Aber er hörte wieder nicht auf mich. Eine Sekunde später löste ich mein Versprechen ein und stach zu. Dann zog ich das Messer aus seinem Leib und stach wieder zu. Ich wiederholte es solange, bis ich keinen Ton mehr von ihm hörte. - Endlich Ruhe, dachte ich mir. Dieser Moment der Stille war so wunderbar. Unbeschreibbar. Dann wachte ich auf und sah die Bescherung. Seine Leiche war mir irgendwie egal. Mir ging es um die Blutflecke. Wie bekam ich die wieder
weg?
In der Zwischenzeit hat sich ja dieses Problem für mich erledigt. Für die nächsten Jahre lebe ich auf Staatskosten und lerne endlich richtig Schach spielen.