„Tobi, bist du schon mit deiner Hausaufgabe fertig?“
Dana steckte ihren Kopf durch die Tür des Kinderzimmers ihres Sohnes. Bei dem ohrenbetäubenden Lärm zog sie die Augenbrauen nach oben.
„Mach doch bitte die Musik etwas leiser. Dabei kannst du dich doch gar nicht konzentrieren!“
Tobi grinste seine Mama spitzbübisch an.
„Oh doch, das kann ich wohl. Das ist nämlich 'Katzenjammer', meine Lieblingsband. Die kommen aus Norwegen. Nur Mädchen. … und die machen volkstümliche Rockmusik.“
So wie ihr Sohn das sagte, musste Dana lächeln.
„Mädchen also? So, so. Das also ist
volkstümlich Rockmusik? … und was machen deine Schularbeiten?“, wollte Dana wissen.
„Ja genau. Ich hab extra nachgeschlagen. Das ist eine Folk-Rock-Band und die Musik ist irgendetwas mit Volk und so.“
Ganz schlau sah er zu seiner Mama auf und bemerkte deren fragenden Blick. Sogleich legte er seine Stirn in Falten. Da war doch noch was. Hausaufgaben.
„Na ja und die Hausaufgaben ... Wir sollen eine tierische Märchengeschichte schreiben. Dabei soll es um eine Intrige unter den Tieren gehen. Was ist eine Intrige, Mama?“
Dana wuschelte ihrem Sprössling über die kurzen braunen Haare und meinte: „Wie wäre es denn mit nachschlagen?“
Als sie aber den enttäuschten Schmollmund
von Tobi sah, fügte sie hinzu: „Okay, ich merke schon. Also eine Intrige ist, wenn jemand einem anderen mit Vorsatz schaden will, indem er hinterhältig und heimtückisch einen Plan schmiedet.“
„Du meinst, wie in den Märchen, als der Wolf Rotkäppchen zum Blumenpflücken schickte, nur um eher bei der Großmutter zu sein? Oder der Wolf von den sieben Geißlein, der sich die Pfote weiß gemacht und die Stimme verstellt hat?“, fragte sofort Tobi und seine Mama nickte ihm zu.
Damit verließ Dana das Zimmer und Tobi begann auf seinem weißen Blatt Papier mit der Überschrift: „Intrigen im Tierreich“.
Dann saß er da, kaute nachdenklich an seinem Füller und wippte im Takt der Musik
mit den Füßen. Was konnte man schreiben. Denken. Langsam wiegte er den Kopf hin und her. Hin und her. Ihm wollte einfach nichts einfallen. Es war gar nicht so einfach, eine Geschichte zu schreiben, die es noch nicht gibt. Lieber hätte er Tiergeschichten gelesen und nacherzählt. Aber allein ausdenken? Das war nicht Seins.
Während er so überlegte, stand plötzlich Zecke mit seiner Leine im Maul neben seinem Stuhl.
„He, schwing die Hufe, ich habe animalische Bedürfnisse.“
Was? Was war das denn eben? Tobi schaute Zecke verdutzt an.
„Hast du eben mit mir gesprochen? … Nee. Nee, das kann ja gar nicht sein. Du bist ein
Pudel und Pudel bellen. Genau wie alle anderen Hunde.“
Tobi schüttelte überzeugt den Kopf. Zecke hingegen stand erwartungsvoll da und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
„Was ist denn nun? Hier meine Leine. Hol deine Jacke, Mütze und Schal. Ich muss dringendst raus.“
Beinahe wäre Tobi vom Stuhl gefallen. Zecke hatte wirklich und wahrhaftig mit ihm gesprochen. Das konnte doch nicht sein. Seit wann können denn Tiere sprechen?
„Wieso kannst du plötzlich sprechen, Zecke? Wieso kann ich dich verstehen? Hat das was mit Hexerei zu tun?“, wollte Tobi nun wissen. Also das interessierte ihn wirklich.
Was wohl Mama dazu sagen würde. Doch
bevor er zu seiner Mutter rennen konnte, um ihr die Neuigkeiten zu erzählen, stellte sich der Pudel vor ihn hin.
„Tobi, das muss unter uns bleiben. Kein Mensch würde tolerieren, dass Tiere sprechen. Sie würden mich in ein Versuchslabor stecken und alle möglichen Untersuchungen anstellen. Das willst du doch nicht. Außerdem würde dir eh keiner glauben, denn nur du kannst mich hören. Die würden doch tatsächlich denken, du wärst nicht mehr bei Verstand.“
Noch immer ungläubig schaute Tobi auf seinen kleinen Hund herab. Sein Zecke konnte tatsächlich sprechen. Das ist ja mal ein Ding. Tobi hockte sich hin, kraulte dem Pudel die Brust und überlegte.
„Aber warum gerade ich?“
Zecke leckte ihm über die Hand und meinte: „Du bist mein bester Freund. Du behandelst mich wie deinesgleichen. Du bist nie gemein zu mir, gibst mir immer wieder mal Leckerli und nicht immer nur diesen Fraß aus der Dose. Du gehst mit mir Gassi und Spielen, ... Was willst du noch hören? … Aber los jetzt! Lass uns gehen, sonst vergesse ich meine gute Kinderstube ...“
Damit nahm der Hund seine Leine und begann an Tobi zu zerren, ihm zu folgen.
Beide beeilten sich in den nahegelegenen Park zu kommen, damit Zecke sein Geschäft erledigen konnte. Sie tollten noch ein Weilchen über die Wiese und dann hieß es
wieder, ab nach Hause und die Schularbeiten beenden.
Nun hatte Tobi auch eine brillante Idee für seinen Aufsatz und dem Thema "Tierischen Märchengeschichten".
Er nahm ein neues Blatt Papier und schrieb:
"Warum soll ich nicht sprechen können" Zecke erzählt aus seinem Hundeleben.
© A.B.Schuetze 01/2015