Drei Worte
Es ist vorbei.
Er starrte auf das Kuvert, das er aus dem Umschlag gezogen hatte. In vertrauter, verschnörkelter Schrift hatte sein Name darauf gestanden, auf feinem Leinenpapier und mit einer geschwungen Linie unterstrichen. Er hatte schon Herzklopfen gehabt, hatte auf einen weiteren Liebesbrief seiner Angebeteten gehofft, hatte sich schon im siebten Himmel gewähnt, eingedenk der süßen Worte die ihn erwarten mochten. Überschwenglich hatte er zum Brieföffner gegriffen, in Form eines silbernen Dolches und den Umschlag
aufgeschnitten und den Brief hervorgezogen. Nun saß er da wie betäubt, der Umschlag war ihm aus den tauben Fingern geglitten und er konnte nichts tun, als auf diese Worte zu starren, sie immer und immer wieder zu lesen und zu begreifen versuchen. Verzweifelt versuchte er einen Sinn in ihnen zu erkennen, versuchte er ihnen eine andere Bedeutung als die offensichtliche aufzuzwingen. Es war unmöglich. Immer noch hielt er den Brieföffner in der Hand und langsam wanderte sein Blick zu der scharfen Spitze und an der scharfen Klinge entlang. Vielleicht sollte er sich ein heißes Bad einlassen. Den Brieföffner
mitnehmen. Den Champagner aus dem Eisschrank holen. Sich ein Glas einschenken. Es trinken und dabei ein letztes mal den Brief lesen und dann die Klinge an seinen Handgelenken ansetzen... Minutenlang sinnierte er über diesen Gedanken, drehte und wendete ihn, wie man vielleicht ein edles Schmuckstück drehen und wenden würde um es von allen Seiten zu betrachten und jedes Detail zu erkennen.
Es ist vorbei.
Er ließ die Worte einsinken, ließ ihnen Zeit unter die Haut zu kriechen, seine Nerven zu betäuben, ihr Gift abzugeben. Für gewöhnlich waren ihre Worte wie sanfte Küsse gewesen, zart, liebevoll,
angenehm. Diese drei Worte nun, waren wie eine Gewehrkugel, es war als würde sie durch alles hindurchrasen, was irgendwie mit ihr in Verbindung stand Träume, Gedanken, Wünsche, Vorstellungen, Erinnerungen und sie mit einem einzigen, kolossalen Schlag von seinem Herz, von seinem Verstand abtrennen. Ihn taub und stumm machen. Gefühllos. Kalt. Einsam. Langsam ließ er den Arm sinken, mit dem er den Brief gehalten hatte. Mit einem leisen, schabenden Geräusch glitt ihm das Papier aus den Fingern und segelte lautlos hinab zu Boden, wo es mit den Worten nach oben liegen blieb. Kurz darauf klirrte es, der Brieföffner war
ihm aus der gefühlslosen Hand gerutscht und hinterließ einige tiefe Kratzer, als er auf dem Holzfußboden aufschlug.
Es ist vorbei.
Mit stumpfen, blicklosen Augen starrte er aus dem Fenster. Sein Leben hatte soeben seinen Sinn verloren...