-
Geschrieben am: 04.01.2015
Ein kurzer Text den ich geschrieben habe, als ich dabei war mich selbst als transgender zu entdecken.
aurelia
Der Geruch von Plastik, Fabrik und billigen Stoffen füllte den Raum. Elias rümpfte die Nase, während er Richtung Ausgang sah und in brünstig hoffte, dem Horror hier bald entfliehen zu können. Doch seine Mutter wühlte nachwievor gedankenverloren in einem Stapel T-Shirts und murmelte vor sich hin wie eine Geisteskranke. Elias‘ Finger spielten mit den Cent-Münzen und Fusseln, die sich in seinen Hosentaschen befanden und er warf nervös Blicke um sich. Er hasste es angestarrt zu werden und als Junge in der Mädchenabteilung mit seiner Mutter gesehen zu werden,
war so ziemlich das peinlichste Erlebnis des Monats. „Ah“ seine Mutter zog ein pinkes T-Shirt mit Figur betontem Schnitt aus dem Stapel und hielt es Elias vor die Brust. „Müsste deine Größe sein. Probier es an“, ihr Lächeln war so naiv, am liebsten hätte er geweint. Doch er riss sich zusammen und meinte betont locker: „Nein. Gefällt mir nicht.“ Seine Mutter begutachtete das T-Shirt mit dem Katzenaufdruck verwirrt und meinte dann: „Schade, ich glaub es würde dir gut stehen.“
„Jaja“, murmelte er und wandte sich ab um zur anderen Seite des Ladens zu gehen, wo die Abteilung für Herrenmode war. „Wo gehst du hin, Aurelia?“ Er biss
sich auf die Unterlippe beim Klang seines Namens und rief über die Schulter zurück: „Ich geh mich nur wo anders umsehen, okay?“ Derweil sie sich wieder den pinken T-Shirts zuwandte, kämpfte Elias mit den Tränen. Schnell durchwühlte er einen Stapel Jeans, befühlte den lockeren Stoff, fuhr mit den Fingern über ausgefranste Stellen und seufzte. Er selbst besaß nur eine Hose die nicht unter die Kategorie „Mädchen“ fiel und locker an seinen Beinen hing und seine weiblichen Kurven gut verdeckte. Er hatte sie sich und einen schwarzen Pulli(eine Größe zu groß natürlich)letzten Monat mit seinem letzten Taschengeld gekauft. Für
mehr hatte es leider nicht gereicht. Was waren Klamotten denn auch so unnötig teuer? Heutzutage halten normale Shirts doch nicht mal ein halbes Jahr. Elias schlenderte durch die Reihen und ließ den Blick hin und her schweifen. Kurz vergewisserte er sich dass seine Mutter noch immer damit beschäftigt war ihrer Tochter etwas hübsches heraus zu suchen. Sie hielt gerade ein hellblaues T-Shirt in die Höhe, auf der irgendetwas in schwungvollen Buchstaben stand, umrahmt von vielen Herzchen und Smilies.
Elias schnaubte nur verächtlich und suchte sich von einer Reihe roter Kapuzenpullis seine Größe raus. Vor
einem Spiegel striff er sich seine eigene ab und legte die rote an. Zupfte sie zu recht und starrte sein Spiegelbild lange an. Verdammt. Das T-Shirt, das er trug, war nicht weit genug um seine Brüste zu verdecken. Entnervt versuchte er auch das zu recht zu rücken, bis sie unter dem dunklen Stoff kaum noch zu sehen waren. Zugegeben Elias war noch mitten im Wachstum und seine Brüste waren nur als sanfte Wölbung zu erkennen, aber es störte ihn trotzdem. Er hatte schon so viele Tops probiert, die ihm definitiv zu klein waren und hatte sie sogar noch verstellt, damit sie enger lagen, aber egal was er machte, die Wölbung blieb immer zu sehen.
Die beiden waren mit drei Einkaufstaschen beladen unterwegs zum Ausgang des Einkaufszentrums, als sie an einer Apotheke vorbei kamen und Elias plötzlich etwas einfiel, was er einmal im Internet gelesen hatte. Das war bereits lange her und er hatte es wieder vergessen, aber auf einmal war es ihm wieder eingefallen und er blieb stehen und fragte vorsichtig: „Äh, Mom? Haben wir Verbandszeug zuhause?“ Sie blieb ebenfalls stehen und blinzelte: „Wieso fragst du? Hast du dich wo verletzt?“
„Ähm, naja, also, ich wollte nur fragen
weil…sich neulich ein Mädchen aus unserer Klasse im Hof verletzt hat und die Schulärztin musste einen Druckverband machen, darum habe ich mich gefragt ob wir eigentlich Verband zuhause haben. Man kann ja nie wissen wann mal was passiert“, erfand er schnell und hoffte sie würde ihm glauben. „Ich glaube im Erstehilfekasten haben wir noch eine dicke Rolle. Jetzt komm, ich bin müde und will nachhause“, drängte sie ihn und ging weiter. Im Auto auf Rückweg klopfte Elias das Herz bis zum Hals, da er jetzt wusste wie er sein Problem lösen konnte.
Das bin nicht ich. Das bin nicht ich. Das
ist jemand anderes, nicht ich. Das Mädchen mit den Schulterlangen Haaren, den hellen grünen Augen, die von dichten Wimpern gesäumt waren und das bis zum Hosenbund nackt vor dem Badezimmerspiegel stand, war nicht er. Nein. Das war nicht er.
Die Verbandsrolle in der einen, die Schere in der anderen Hand, stand Elias einige Zeit lang mit entblößter Brust vor dem Spiegel. Sein Herz klopfte so wild das ihm ein wenig übel wurde.
Er atmete tief durch und wickelte sich den Verband mehrmals um die Brust. Als er damit zufrieden war, gestattete er sich ein Lächeln.