Beschreibung
Der vierte und letzte Akt.
Hochmut kommt vor dem Fall...
Es ist später Nachmittag, als wir leider wieder im Stall ankommen und Colonel und Conny stehen bereits auf der Südweide. Cool, da kann ich auch gleich mit. Isabella lässt mich in meine wohlverdiente Freiheit und mit fliegenden Hufen rase ich zuerst einmal rund um die Weide. Erstaunt stelle ich fest, dass auch Chicco in unser Reich gelassen wurde und trabe sofort aufgeregt zu meinen Freunden. „He, was ist das jetzt Neues? Jetzt müssen wir uns auch noch die Wiesen mit diesem eingebildeten Altersheim-Pony teilen?“ Conny hebt erschrocken den Kopf. „Schscht, Domi, du weisst doch wie gut der hört!“ Doch es ist schon zu spät. Der Dunkelbraune blickt mich missbilligend an und kommt gemächlich auf mich zu. „Das warr nicht nett, jungger Spund, ich forrdere dich des’alb ’eraus! Wenn du gegen mich im Achterrennen gewinnst, ackzeptiere ich deine Belleidigungen. Siege ich, wirst du dich zuerrst für deine Unpässlichkeit entschuldigen und dannach bringe ich dir Anstand und Respekt bei! Du wirst dich mir gegenüber nie wieder respektlos äussern!“ Hu, was hat den denn geritten. Dieser Hafersack will mich, den Herrn über unsere Weiden in einem einfachen Rennen besiegen? Hehehe, da kann ich ja nur lachen. „Ja, klar, aber wenn ich gewinne, küsst du zusätzlich noch meine vier Goldhufe!“ Er schaut erst auf meine dreckigen Hufe und dann von unten herauf zu mir hoch. „Abgemacht!“
Conny und Colonel schauen mich kopfschüttelnd an, stellen sich aber daraufhin links und rechts der Weide hin. Der Argentinier und ich traben unterdessen zum Eichenbaum. Zwei Mal soll es in einer grossen Acht um die beiden Pferde herum gehen. Wer schneller wieder beim Baum zurück ist, hat gewonnen. Colonel gibt das Zeichen zum Start und sofort presche ich los. Ha, der sieht nur noch meine Hufeisen! Sanft lege ich mich in die erste Kurve und nehme die erste Diagonale in Angriff. Waghalsig mache ich mich für die erste Kehrtwendung bereit, doch ich habe viel zu viel Schwung. In einem grossen Bogen schaffe ich die Biegung grade noch und sehe wie der kleine Argentinier in perfekter Manier um Colonels Hinterteil zirkelt. Kein Millimeter hätte mehr Platz gehabt und erschrocken zieht der Rappschecke seinen Schweif ein. Sofort mache ich mich auf die Verfolgung, doch mehr als seine Hinterbacken sehe ich nicht mehr. Bereits hat er auch Conny umrundet und gespannt wie ein Pfeil zieht er über die nächste Schräglinie zurück zu Colonel. Als ich schliesslich schnaufend meine zweite Runde hinter mich gebracht habe und zu unserem Baum zurückkehre, steht er, keineswegs ausser Atem, mit erwartungsvollem Blick da. Unterwürfig trabe ich auf ihn zu. „Tut mir leid, habe dich wohl unterschätzt.“ Streng schaut er mich an. „Das ist es, was ein Polopony ausmacht: Wendigkeit und Schnelligkeit in einem. Du wirrst noch viel lernen müssen, Kleiner!“ mit erhobenem Haupt trabt er auf das Gatter zu, wo Cordula und Isabella erstaunt zu uns herüber schauen. „Was bitte machen die da?“ Unsere Reitlehrerin schüttelt den Kopf. „Das weiss ich auch nicht so genau, aber ich glaube, es ist besser wenn wir sie wieder in ihre Boxen zurück bringen.“
Und da stehen wir seither. Natürlich haben mich meine lieben Freunde ausgelacht und hochgenommen. Deprimiert stehe ich in meinem Stroh. Der Purra Razza, oder besser Criollo-Vollblüter, wie er mich ja belehrt hat, überwacht jeden meiner Schritte und jedes Mal, wenn ich den Mund aufmache, blickt er mich kritisch an. Schliesslich haben wenigstens meine Freunde ein Herz und muntern mich ein bisschen auf. Colonel schiebt mir einen Teil seines Heus unter der Boxenwand durch, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. Conny zeigt mir für einmal nicht ihr Hinterteil. Mitleidig steht sie an der Boxentrennwand und flüstert mir leise ins Ohr. „Kopf hoch, mein lieber Domi. Dafür hast du nachher eine reine Kinderstube und ganz ehrlich, vielen Pferdedamen gefällt ein aufmerksamer und galanter Verehrer.“ Mit klimpernden Wimpern schaut sie mich zwischen den Eisenstangen hindurch an, doch noch bevor ich etwas erwidern kann, wird das Licht im Stall gelöscht und der harte Befehl von Chicco hallt zu meinem Ohr: „Schlafen!“
Na, wenigstens träume ich diese Nacht lächelnd von hübschen nach Blumen duftenden Fuchsstuten…