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Cohens letzter Tanz

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"Er hat mich berührt wie kein anderer Sänger, so long Leonard Cohen!"
Veröffentlicht am 04. Januar 2015, 6 Seiten
Kategorie Sonstiges
© Umschlag Bildmaterial: MerleSchreiber, Jan 2015
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.
Er hat mich berührt wie kein anderer Sänger, so long Leonard Cohen!

Cohens letzter Tanz

Cohens letzter Tanz

Ich war auf der Suche nach einer unaufdringlichen Melodie. Hintergrundmusik für eine Bilderpräsentation. Ein Sound sollte es sein, der meine Fotos von einer Tanzveranstaltung dezent begleitet, der ihnen einen Rahmen gibt, ohne sie zu erdrücken. Unter Zeitdruck hetzte ich von einer Youtube-Darbietung zur nächsten. Nichts konnte mich zufriedenstellen, irgendetwas störte mich immer, kaum dass ein paar Takte angeklungen waren...


Derart genervt stieß ich auf Leonard

Cohens Konzert, 2013 in Dublin. Mein Gott, ist der Cohen, dieser unglaublich gut aussehende, stattliche Leonard Cohen meiner Jugendzeit, alt geworden! Zittrig, wackelig auf den Beinen. Warum tut er sich das überhaupt noch an? Der müsste doch seine Schäfchen längst alle im Trockenen haben.

Und was für eine schlechte Aufnahme, grauenhafte Akustik und Nebengeräusche

ohne Ende. Nichts, was meinen Ansprüchen auch nur ansatzweise

genügen könnte. Aber seine Stimme, seine Stimme!!! Faszinierend! Ich hab den Curser auf Beenden, aber ich klicke nicht darauf. Ich schau diesem alten Mann im grauen Anzug und mit

einem grauen Hut auf dem Kopf mit den eingefallenen Wangen zu, wie er sich vor einem dunkelroten Vorhang von einem Lied zum anderen singt. "So Long, Mariann", "Take this walz", "First we take Manhattan, then we take Berlin"... 

Er hat Probleme mit dem Gleichgewicht, schwankt.... aber er singt immer weiter. Bei "Save the last Dance for me" spreizt er die Beine und stemmt sie auf den Bretterboden der Bühne, um den Halt nicht zu verlieren. Er stampft den Takt, so schwerfällig wie ein vom vielen Honiglecken müde gewordener Braunbär, den Blick immer wieder auf den Boden gerichtet und die Hände zu Fäusten geballt. Das hat aber nichts von

Gewalttätigkeit, sondern es ist der Ausdruck einer ungeheuren

Kraftanstrengung, die dieser Mann für sich und sein Publikum noch einmal aufbringt.

Seine Zuhörer, sie beschenken ihn dafür mit all ihrem Gefühl, das so viel Zärtlichkeit in sich birgt, dass ich es auf meiner Haut spüren kann.

Und nun lächelt er.

Er macht lange Pausen, stimmt nur die ersten Takte einer Liedzeile an und lässt sich dann tragen von den Gesängen seines Publikums, die wie sanfte Wellen zu ihm auf die Bühne schwappen. Er schließt dabei die Augen und legt den Kopf in den Nacken und genießt und

genießt und genießt...

Ich finde ihn in diesem Moment in einer Weise anziehend, dass ich es gar nicht beschreiben kann. Ich spüre nun auch in mir dieses zärtliche Gefühl, ich möchte ihn in die Arme nehmen, ihn drücken und von ihm gedrückt werden. Ich möchte ihn küssen und von ihm geküsst werden. Ihm über die Wange streicheln, so wie ich von seiner Stimme gestreichelt werde.

In einem Intervall von 4 Minuten, 45 Sekunden. So lange dauert sein letzter Tanz.

Ich höre ihn mir wieder und wieder und immer noch einmal an.

So long, Leonard Cohen?

Nein, noch lange nicht!

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Über den Autor

MerleSchreiber
Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.

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Memory 
Heute ist sein fünfter Todestag. Da habe ich mich an dieses wunderschöne Denkmal erinnert und bin noch einmal eingetaucht.
Immer noch toll, liebe Merle.
Liebe Grüße Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Fünf Jahre schon? Wie schön, dass du die Erinnerung hochgehalten hast, Sabine.
Danke und liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Von Leonard Cohen gibt es zwei Aussagen, die sehr typisch für seine Haltung zum Leben sind: 1. Er wollte mit dem Rauchen wieder anfangen, wenn er 80 ist. "Ganz ehrlich, weiß jemand, wo ich türkische oder griechische Zigaretten kaufen kann? Ich freue mich auf den ersten Zug. Ich denke seit 30 Jahren daran. Das ist einer der wenigen beständigen Gedankengänge, die ich bei mir entdecken kann." 2. Als man seinem Kollegen und Freund Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur zuerkannte, bemerkte Cohen, treffend und bescheiden wie immer: „Für mich ist das in etwa so, als würde man ein Schild vor dem Mount Everest errichten, auf dem ‚höchster Berg der Welt‘ steht.“
Liebe Grüße
Dok
PS: Hab ich noch vergessen. Ich habe ihn einmal kurz getroffen. Er war der unprätentiöseste und im besten Sinne neugierigste Mensch, den ich jemals kennenlernen durfte.
D.
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Kann sein, dass du jetzt über mich lachst, aber dieser wertschätzender Kommentar über Leonard Cohen mit den zwei Zitaten und dem PS freut mich jetzt so sehr, dass ich im Dreieck hüpfen wollte, wenn ich denn hüpfen könnte. DANKE!
Liebe Grüße, Merle
Auch ein PS: Sein Sohn hat im November 2019 ein posthumes Album mit den letzten Aufnahmen seines Vaters veröffentlicht, "Thanks für the Dance".
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Liebe Merle, ich glaube, jeder Mensch hat so einen Lieblingsmenschen.
Ob es die Stimme, das Aussehen, oder einfach nur die besondere Austrahlung ist.
L.G. Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Ich hoffe doch, dass jeder so einen hat, Andrea.
Vielen Dank und liebe Grüße zu Dir, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Merle,
ein äußerst berührender Nachruf auf diesen unvergleichlichen Poeten mit unvergleichlich angenehmer Stimme.
Hut ab (wenn ich einen hätte)!

Liebe Grüße
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Grüß dich, Friedemann.
Unvergleichlich, ja das trifft`s.
Ich freue mich sehr über soviel positives Feedback.
Danke und viele Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer liebe merle ,
aufgrund deines beitrages , habe ich mir gerade das lied ,,, hallelujah von cohen angehört ,,,,,,
ein klasse sänger,,,, natürlich auch klasse zeilen von dir ,
leider ist mir versagt, dir etwas zu schenken, aber ich höre mir gleich nochmal das lied an.
lieben gruß rainer
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Ja, wehren, so du es denn wolltest, wäre zwecklos. Da bewegen wir uns gefühlsmäßig in einer Premiumklasse.
Geschenk? Brauch ich nicht, freu mich einfach, dass dir das auch gefällt.
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
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