Meine Hände zittern. Wie gern würde ich jetzt ihren Hals packen und ganz langsam zudrücken. Ist es eigentlich nur ein endlos langer Alptraum, oder doch Wirklichkeit? „Da ist die Tür!“, schreie ich sie an. Ich kann ihren Anblick nicht mehr ertragen. Der Tag hatte so schön angefangen. Nach vielen Monaten konnte ich meine Internetfreundin endlich persönlich sehen. Ein paar Stunden mit ihr verbringen. Es war zwar nicht so, wie ich es mir erhofft hatte, aber das lag auch an mir. Schließlich hatte ich zu hohe Erwartungen gehabt.
Hoffnung, das es zwischen uns auf Anhieb funkt. Den Altersunterschied hatte ich außer Acht gelassen. Interessierte mich nicht. Dennoch... Viel geredet hatten wir nicht miteinander. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ihr schien es ebenso zu gehen. Oder hatte sie erwartet, das ich das Ruder in die Hand nehme? Ich weiß es nicht. Zumindest schien sie sich gefreut zu haben, das wir uns endlich persönlich sahen, denn sie postete es ins soziale Netzwerk. Das war es, warum der Abend lautstark endete. Wenn ich so darüber nachdenke, frage ich mich, wer ich bin, beziehungsweise, was ich bin. In meiner Wohnung
bestimme nicht ich, sondern meine Frau. Das heißt, eigentlich ist es meine Exfrau. Vor einigen Jahren hatte sie sich von mir getrennt. Kurz darauf begann sie ihre Laufbahn als Schlampe. Ob sie mir schon während unserer Ehe untreu gewesen war, weiß ich nicht. Will ich auch gar nicht wissen. Was mich aber interessieren würde, ist, was will die Frau!? Erst sagt sie mir immer und immer wieder, das ich mir eine andere Freundin suchen soll, und dann so was. Macht mir eine Szene, weil ich mit einer anderen Frau unterwegs war. Und es lag nicht, wie sie behauptet, daran, das ich einen Glühwein getrunken habe. Denn so, wie sie mir gesagt hatte, das sie im
Netz gelesen hat, wo ich mit wem war...Oh Gott!..Das erste mal, seit dem ich sie näher kenne, war ich mit einer anderen Dame fort. SIE hatte schon unzählige Bettgeschichten gehabt und ich durfte nichts sagen. Denn wir waren ja nicht mehr zusammen. Sie schreibt mit irgendwelchen Typen tagein und tagaus und mir macht sie die Hölle heiß, weil ich mit einer Dame weg war. Was ist daran so schlimm? Wer betont denn immer wieder, das wir getrennt sind? Warum darf ich mich dann nicht mit anderen treffen? Sie macht es doch auch? Es war ein großer Fehler, sie bei mir einziehen zu lassen. Vor allem, als ich es
gerade erst geschafft hatte, das meine Wohnung steht. Ich wusste doch zu genau, das sie nichts vom Aufräumen hält. Nun weiß ich nicht mehr, wo ich anfangen soll. Ob es überhaupt noch Sinn hat, was zu machen. Seit einen viertel Jahr hat sie eine neue Wohnung. Ein Teil ihres Inventars steht schon dort. Der Rest ist immer noch bei mir. Steht mir im Weg. Wenn ich nicht ab und an was in ihre neue Wohnung bringen würde, wäre noch mehr, von ihr, bei mir. Fast jeden Tag jammert sie mir die Ohren voll, das sie endlich bei sich schlafen will, macht aber nichts dafür. Liegt den ganzen Tag im Bett und spielt
am Laptop und gleichzeitig an ihrem Handy. Da es meine Wohnung ist, sieht sie es auch nicht ein, mir im Haushalt zu helfen. Aber ich darf ihr mit ihrer Wohnung helfen. Angestaute Wut macht sich Platz. In dem Moment ist mir alles egal. Sie wollte nur vorübergehend bei mir wohnen. In der Zwischenzeit sind es schon über drei Monate und kein Ende ist in Sicht. Dafür führt sie sich auf, als wäre es ihre Wohnung. Mir ist es egal, ob sie in ihrer neuen Wohnung Kopfschmerzen bekommt. Sie wollte die Wohnung haben. Konnte es nicht erwarten, dort so schnell wie möglich einzuziehen. Ihre Vermieterin hatte sich
auch beeilt, das das Amt OK gibt und die Wohnung bezahlt. Irgendwie hatte ich schon damals geahnt, das sie nicht gleich zum Ersten einziehen wird. Wie viel Stress hätten wir uns erspart, hätte sie auf mich gehört. Aber was erwarte ich? Sie hört doch nie auf mich. Genauso wenig, wie all die anderen. Scheiß doch drauf, das ich Recht habe. Interessiert keinem. Vielleicht mischt sich auch allgemeine Wut unter. Nicht nur die angestaute Wut auf sie, sondern auch die Wut, die ich auf andere habe, weil sie immer alles besser wissen müssen, obwohl sie keine Ahnung haben. Ich habe keine Lust mehr, anderen zuzuhören. Mir hört auch
keiner zu. Keinem interessiert es, wie es mir geht. Aber ich darf mir das Gejammer der anderen anhören. Dann lieber allein sein. Was bringt es mir Freunde zu haben, die mir nicht zuhören und mich nicht verstehen wollen. Da kann ich auch mit mir selbst reden. Ich höre mir wenigstens zu. Und da geht sie hin. Sie hört mir auch nie zu. Und dann stinkig werden. Alles schön falsch verstehen, schlechte Laune von bekommen und mir dann die Schuld für alles geben. Zu mir kommen, wenn Hilfe benötigt. Alle anderen wollen ja nicht. Haben immer wieder eine Ausrede, warum sie nicht helfen können. Nur ich nicht. Ich reiße mir jedes mal
aufs Neue den Arsch für sie auf. Meine Blödheit. Natürlich könnte ich sie in Stich lassen. Aber da würde ich all den Drecksäcken, die mir von Anfang an die Beziehung zu ihr kaputt machten, einen Gefallen tun. Das sehe ich nicht ein. Lieber verrecke ich daran. Auch wenn ich sie heute rausschmeiße, weiß ich,das sie wiederkommt. Nicht gleich morgen. Aber in wenigen Tagen. Gar nicht so lange her, als ich sie rausgeschmissen hatte. Kaum eine Woche war vergangen, da war sie wieder da. Wir hatten nicht darüber geredet. Ich habe ihr keine Vorhaltungen gemacht. Mir genügte zu wissen, das sie es woanders nicht so lange aushielt. Das sie froh war, wieder
bei mir zu sein. Wie lange ich das ganze Spiel noch mitmache? Bis der letzte aufgehört hat, sich in mein Leben reinzuhängen. Mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich entscheide, wen ich in mein Leben und bei mir wohnen lasse. Schließlich muss ich mit ihr klarkommen und kein anderer. Und nur weil ein paar das Ufer gewechselt haben, muss ich es nicht auch tun. Ich stehe nicht auf Kerle. Vor allem nicht auf alte, faltige Besserwisser, die denken, das ich keine Lebenserfahrung habe und nichts weiß. Wenn die mir zuhören würden, wüssten sie das ich das meiste schon weiß, von dem, was die mir
sagen. Die Wut auf sie verraucht. Dafür habe ich Wut auf mich selbst, weil ich mir so viel gefallen lasse. Von ihr und all den anderen. Weil ich so manchem hinterhergelaufen bin und ich mich heute frage, wieso ich das tat. Was hatte mir der Kontakt zu denen gebracht? Nichts! Die Nacht wird lang. Ich spüre es. Aber wenigstens bleibt es heute dunkel. Stockfinster. Wie ich mich darauf freue. Dunkelheit und Ruhe. Kein Schnarchen wird mich nerven. Ich werde es genießen, so lange ich es habe. Denn schon bald wird sie wieder bei mir sein. Dann werden wir so tun, als hätte es
diesen Streit und den Rausschmiss nicht gegeben.