Roter Schnee
Sein Atem dampfte in der kalten Luft. Er ließ seinen Blick über den freien Platz schweifen, ohne ihn direkt wahrzunehmen. Er wagte es nicht, sich zu bewegen, da der Wind ganz sanft wehte und über die Eiszapfen strich, die unter den überstehenden Steinen hingen und wie feine Silberglocken klangen, bei jedem Windstoß. Er genoß die Stille, die absolute Ruhe, die ihn erfüllte und in absolutem Gegensatz zu seiner Aufgebrachtheit stand, die ihn vor ein paar Minuten noch erfüllt hatte, seinen Blick mit den roten Schleiern der Wut getrübt hatte. Er öffnete langsam seine
Fäuste wieder und spürte, wie etwas von seinen Knöcheln tropfte, während er seine Sehnen langsam entspannte. Kleine Tropfen, die rote Flecken im Schnee hinterließen. Fasziniert starrte er auf den Schnee, der sich weiter Rot verfärbte, je mehr Tropfen fielen. Sein Blick klebte förmlich an den roten Flecken. Und plötzlich musste er an Schneewittchen denken. Während er auf den schmelzenden, dampfenden Schnee sah, fielen ihm die Sätze wieder ein: "Lippen, so rot wie Blut" Tja, nur tropfte hier tatsächlich Blut in den Schnee. Sein Blut! Er spürte, wie die Kälte wie mit scharfen Schneiden in seine offenen Wunden drang und das
Blut auf seiner Haut abzukühlen und zu gefrieren begann, während weiter Tropfen in den Schnee fielen. Roter Schnee. Irgendwie faszinierte ihn dieser Umstand und er schwang seinen Arm, um die Tropfen in einem willkürlichen Muster über dem ansonsten unschludigen Weiß des Schnee zu verteilen. Es war faszinierend, welche macht dieses Rot besaß, welchen geheimen Zauber es auf ihn auswirkte. Sein Atem stand als weißer Dampf in der Luft, als er die Fäuste erneut ballte und hinab zu seinen Füßen sah. Dort lag ein Junge, nicht älter als er, unter dessen Gesicht sich der Schnee erst rosa und schießlich tiefrot färbte. Als es erneut zu schneien
begann, sah er ungerührt zu, wie der Bewusstlose von einer Schneedecke verhüllt und begraben wurde. Als er sich abwandte war er selbst schon vom Schnee bestäubt und trug eine dünne Schicht auf seinen Schultern und seinem Kopf. Er hinterließ eine rote Spur aus Blutstropfen im Schnee, die allmählich zugeschneit wurde, während sie gefror. Immer wieder ging ihm der dumpfe, gedämpft klingende Schlag durch den Kopf und wie das Blut hervorgespritzt war, wie Tropfen aus einem Rasensprenger. Er ging immer weiter durch das dichter werdende Schneegestöber, bis er stolperte und zu Boden stürzte. Er landete in einer
Schneewehe und wollte sich daraus befreien, doch plötzlich fühlte er sich müde, einfach nur müde. Er schloss für ein paar Sekunden die Augen...