Vier Jahreszeite
Das geordnete Chaos
In der Silvesternacht saßen die vier Jahreszeiten beim alljährlichen Punsch beisammen. Der Winter hatte sich ein wenig verspätet, dass die anderen drei schon einen höheren Pegel hatten.
»Ihr seid nicht ganz gescheit!«, rief der Winter in die Runde. »Konntet Ihr nicht auf mich warten?«
»Ach, geh mir fort, Winter!« Die Stimme vom Frühling klang ein wenig belegt.
»Du bist doch wohl nicht noch immer
krank, Frühling? Du verträgst nix.« Der Winter klopfte dem Frühling aufmunternd auf die Schultern. »Nicht dass du diesmal erst noch monatelang deinen Rausch ausschlafen musst - und ich dann wieder viel zu lange ...«
»Nein, mein Freund, das wird nicht geschehen. Du hast beim letzten Mal schon viel zu lange gedauert.« Der Sommer erhob sich und reichte dem Winter die Hand. »Ich gebe Dir wieder den Vorsitz, Winter. Ich muss mich schonen.«
»Ist schon recht«, gab der Winter zurück. »Ich weiß, du willst die Sauerei vom letzten Mal wiedergutmachen …«
»Wenn du es sagst …« Der Sommer
zuckte mit den Schultern. »Ich kann nix dafür, dass ich mancherorts von einer Pfütze in die andere hüpfte. Aber wenn ich mich jetzt ein wenig ausruhen kann, dann bin ich pünktlich auf den Beinen. Versprochen.«
Der Herbst rückte seine Brille zurecht. »Ich kann mich nicht beklagen, ich hatte eine schöne Zeit. Aber ein wenig lang ist sie mir geworden.«
»Sei doch froh!« Der Winter knuffte ihn in die Seite. »Latte macchiato im Dezember entschädigt doch ein Stück weit für den verpatzten Sommer.«
»Das ist auch irgendwie richtig.« Der Frühling genehmigte sich noch einen Becher. »Ich habe ja noch ein Weilchen
Zeit, da kann ich doch …«
»Mach nur, Frühling. Aber nicht, dass ich dann wieder die Ostereier im Schnee verstecken muss.«
Der Winter ist heute ausgesprochen nett, dachte der Sommer, der wird doch nicht was im Schilde führen?
»Sommer, vergiss nicht, ich kann Gedanken lesen«, mahnte der Winter. »Aber beruhige dich. Ich will nur meine Zeit, mehr nicht.«
»Und wie lange soll das sein?« Der Frühling schaute mit leicht glasigen Augen über sein Glas hinweg.
»Na ja, ich dachte so an Mitte März.«
»Dann ist ja gut.« Der Frühling schnäuzte sich verlegen. »Dann habe ich
bis Ostern deine Spuren beseitigt.«
»Und Anfang Juni will ich aber …«, rief der Sommer. »Schließlich braucht das Land Wärme. Ist ja Urlaubszeit.«
»Na gut, dann wäre der Kalender bis August geklärt.« Der Winter notierte sich alles in seinem Kalender.
»Das geht nicht«, rief der Herbst. »Ich habe Ende August keine Zeit.«
»Und wieso nicht?«, fragten alle drei wie aus einem Mund.
»Na ja, wisst Ihr, ich habe doch da dieses Mädel kennengelernt. Wir heiraten im Juli und sind bis Mitte September auf Hochzeitsreise.«
»Aber nicht, dass Ihr Euch zu sehr vergnügt und du dann urlaubsreif deinen
Dienst antrittst.« Der Winter notierte sich den Urlaubswunsch des Herbstes. »O. k., damit ist die Sache klar. Der Frühling kommt Mitte März und macht sauber, der Sommer bleibt von Juni bis Mitte September, und Du mein Freund Herbst machst Dienst nach Vorschrift - also bis mindestens Ende November.«
»So werden wohl alle glücklich sein.« Der Sommer nahm die Hände von Frühling und Herbst und nickte dem Winter zu. »Das wird ein Spaß. Und jetzt lasst uns auf das neue Jahr anstoßen. Ich habe Durst.«
Der Winter nahm ebenfalls die Hände von Herbst und Frühling. »Abgemacht. Und da diese Konferenz so friedlich
verlaufen ist, spendiere ich ne Runde Stollen zum Punsch« er griff in seine Jackentasche und zauberte einen wunderschön ausschauenden Stollen hervor. »Den habe ich von einem Christmarkt mitgehen lassen. Aber, verratet mich nicht.«