Nach dem Ende der Archontenherrschaft und der Stilllegung der Lebensschmiede, steht Kellvian vor der Aufgabe, die vor Helike gestrandete Armee Cantons sicher zurück zu bringen. Bevor sie die Stadt jedoch auch nur verlassen können, erhalten sie Nachricht von einem Totgeglaubten. Und in der Heimat ziehen bereits dunkle Wolken auf. Andre de Immerson hat seine Pläne, sich das Kaiserreich mit Gewalt untertan zu machen, noch nicht aufgegeben. Und ohne eine Armee ist alles, was zwischen
ihm und der Krone steht eine kleine Gruppe heruntergekommener Abenteurer und eine Handvoll Zauberer.
Bildquelle Michaela Schöllhorn / pixelio.de
Am Rand einer gewaltigen Schlucht gelegen, ragte das Bollwerk wie ein schlafendes Untier aus längst vergangenen Zeiten vor ihnen auf. Lauernd und immer im Kampf darum, nicht in die Tiefe zu stürzen, wie es schien. Zertrümmerte Mauern und abgebrochene Zinnen wirkten im Licht der aufgehenden Sonne beinahe wie schwarze Zähne. Verblasste Banner wehten im Wind. Jiy konnte sich noch gut an die dunklen Ruinen erinnern, damals wie heute hatte die gewaltige Anlage auf sie den gleichen Eindruck.
Unglaube darüber, dass man überhaupt so etwas bauen konnte und erstaunen, dass man es dann verfallen ließ. Sie konnten nur die höchsten Türme der verwinkelten Anlage sehen. Die Straße führte jedoch leicht bergauf. Sobald sie den Kamm des Hügels erreicht hätten, würden sie sich etwas Übersicht verschaffen können, dachte Jiy. Die Gejarn ging zu Fuß und trug eine einfache, grün-braune Weste. Einfache Kleidung, die sie aber um einiges mehr gewohnt war. Und darauf kam es letztlich an. Als Zugeständnis an die Generäle hatte sie sich jedoch bereit erklärt, noch eine blauen Schulterumhang zu tragen, damit zumindest Verbündete
sie leichter erkennen konnten. Nicht, dass das nötig werden würde, dachte sie. Sie hatte vor, ihr Versprechen zu halten und sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben. Wobei Roland das hier wohl schon als genau das wertete. Eine unnötige Gefahr. Aber sie konnte nicht einfach herumsitzen und abwarten. Das hatte sie immer schon gehasst… Zyle schien es ähnlich zu ergehen. Der Schwertmeister hatte sich geweigert, eine der Uniformen der Garde zu tragen und stattdessen die Panzerung angelegt, die er aufgetrieben hatte. Die große Handelsstraße, die von Vara bis vor die nicht mehr vorhandenen Tore der Erdwacht führte, verschwand unter
dem endlosen Zug aus Gardisten. Zwanzigausend Mann… Jiy war sich nicht sicher, ob sie schon einmal so viele Menschen auf einmal gesehen hatte. Es gab Städte, die weniger Einwohner hatten. Und trotz tausender Schritte und dem Geklapper von Waffen und Hufen, war der Lärm, der von der Festung herüberdrang nicht zu überhören. Das Klirren von Schwertern , das Dröhnen von Gewehrsalven…. Zyles Hand wanderten zum Schwert, noch bevor die Festung endgültig in Sicht kam. Jiy befürchtete, sie könnten schlicht zu spät gekommen sein. Und dann sah sie
die ersten Soldaten. Grau uniformierte Männer, die durch die Torbögen ins Innere der Festung drängten, von wo der Kampflärm drang… Hinter der Burg ragte die Brücke über den Erdschlund. Eine gewaltige Steinkonstruktion, die aus Granitblöcken, so groß wie Häuser zusammengesetzt war. Der Brückenbogen war derart gewaltig dass man, stünde man genau in der Mitte, eher das Gefühl hätte, auf einem offenen Platz und nicht in luftiger Höhe über einem Abgrund zu stehen. Und auf der Brücke bewegte sich etwas. Die letzten Verteidiger zogen sich, nach wie vor um ihr Leben kämpften, darüber hinweg zurück. Ihnen auf den Fuß ein
endloser Strom grau uniformierter Gestalten. Pulverdampf machte es schwer etwas zu erkennen, aber eines war klar… ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Gewaltige Rauchschwaden stiegen aus einigen der verfallenen Festungsbauten auf. Entweder hatten Andres Männer durch Unachtsamkeit Feuer entfacht, oder die Verteidiger um ihren Gegnern möglichst wenig zu hinterlassen. Zum Glück für sie, waren Andres Männer so darauf fokussiert, den letzten Wiederstand in der Erdwacht zu brechen, dass sie nicht auf ihren Rücken achteten. Als die ersten die Armee bemerkten, die aus ihrer Sicht wie aus dem Boden
gewachsen auf der Straße auftauchte, war es zu spät für sie. Roland lächelte grimmig. Ein Ausdruck, den Zyle bisher nur ein paar Mal bei dem Mann beobachtet hatte. Die Erdwacht schien zu brennen. Bis er Helike hatte in Flammen stehen sehen, hätte er sich nie zu träumen gewagt, dass Fels brennen konnte. ,, Ist das Magie gewesen ?“ , wollte er von dem Menschen wissen. Der General schüttelte den Kopf. ,, Besser. Drachenfeuer. Das Zeug brennt sogar unter Wasser noch weiter und geht erst nach Stunden aus, wenn man es nicht zuschüttet. Das waren
unsere Leute, da bin ich mir sicher.“ Roland ließ den Blick ein letztes Mal über die Festung schweifen. Die ersten von Andres Männern bemerkten sie schließlich, drehten sich verwirrt, dann mit zunehmenden Schrecken zu ihnen um. ,,Hochgeneral…“ , setzte Falvius an. ,, Ihr zuerst…“ Roland riss den Degen in die Luft. ,, Kaiserliche Garde…!“ Ohne, dass es einer weiteren Anweisung bedurft hätte, fächerten die ersten Reihen aus Gardisten aus, bildeten klare Linien, während die ihnen nachfolgenden bereits auf Position gingen… Es war ein Ehrfurcht gebietendes Schauspiel.
Reiter nahmen in den Lücken zwischen der Schützenformation Aufstellung. Alles in allem dauerte es keine Minute, bis aus dem losen Zug Soldaten eine glänzende Wand aus Degen und Bajonetten wurde ,,Feuer !“ Zyle stieg der stechende Geruch von verbranntem Schwarzpulver in die Nase, noch bevor er den Donnerschlag hörte, der folgte. Nebel und Feuer stiegen gleichzeitig aus den Mündungen der Gewehre auf. Kugeln pfiffen durch die Luft… und fanden ihre Ziele unter den am Torbogen zusammengedrängten Soldaten des Bundes. Die Männer stolperten getroffen übereinander, rissen noch weitere Zu Boden. Mehrere
Offiziere schrien Befehle und versuchten, schnellstmöglich wieder Ordnung in das Chaos zu bringen und sich dem unerwarteten Gegner entgegenzustellen. Roland jedoch hatte erst gar nicht vor, es so weit kommen zu lassen. Der ehemalige Kommandant stürmte bereits mit erhobener Waffe vor, bevor sich ihm jemand anschließen konnte. ,, Vorwärts! Treibt sie zurück. Über die Brücke und bis über die Berge wenn nötig!“ , rief er über die Schultern. Der Mann war völlig verrückt, entschied Zyle in diesem Moment für sich. Mehrere Schüsse fielen, bevor die Armee schließlich dem Beispiel Ihres
Heerfürhers folgte. Zyle rechnete schon damit, Roland zum letzten Mal gesehen zu haben, aber der Mann rannte weiter, scheinbar unverletzt. ,, Das macht er immer so.“ , kommentierte Falvius, der Schwert und Steinschlosspistole zog und sich dann daran machte, dem Beispiel zu folgen. ,, Ich bekomme ein Goldstück pro Kugel die er sich einfängt.“ ,, Und wie viel schuldet er euch schon ?“ ,, Nichts. Verfluchter Glückspilz.“ Mit diesen Worten schloss sich Falvius dem Strom aus Kämpfer an und Zyle zögerte nun auch nicht mehr. Einen Moment sah er sich noch nach Jiy um, die zum Glück
Worthielt und sich bei den Reservetruppen hielt, dann prallten die nach wie vor paralysierten Soldaten Andres und die Garde aufeinander. Die Steine unter Zyles Füßen waren innerhalb von Herzschlägen in Blut getaucht. In dem Durchgang unter dem Torbogen nutzte ihnen ihre Übermacht noch nicht viel. Schulter an Schulter mit den Gardisten konnte er sich nicht richtig Bewegen und musste sich damit begnügen, kurze, wenig kraftvolle Schläge zu führen, die seine Gegner ins Stolpern brachten, aber einfach keine schweren Wunden hinterließen. Es war eine kräftezehrende und langwierige Art zu kämpfen. Wenn er nur mehr Raum
hätte… ,, Zurück.“ , rief er und zu seinem Erstaunen gehorchten die Männer links und rechts von ihm ohne Zögern. Er war ihr Hochgeneral… An den Gedanken würde er sich erst noch gewöhnen müssen. Aber nicht jetzt. Jetzt hatte er endlich den Platz, den er brauchte. Zyle zerschmetterte den Lauf eines Gewehrs, mit dem jemand nach ihm stieß, nutzte die entstandene Lücke sofort, um einen Schritt vorzumachen und versenkte das Schwert in der Brust des Angreifers, bevor dieser auch nur realisiert hatte, das seine Waffe zerstört war. Er wirbelte nach rechts, grade noch rechtzeitig um einen Streich abzuwehren,
der seinem Nacken gegolten hatte. Stahl prallte auf Stahl. Der Schwertmeister zog sich urplötzlich zurück. Sein Gegner stolperte, ohne die erwartete Gegenwehr, nach vorne, bis er direkt in Zyles Klinge hineinlief. Irgendwann vergaß er, auch nur darüber nachzudenken. Ausbildung und Jahrelange Erfahrung übernahmen die Herrschaft, während er zielstrebig den Wiederstand brach. Endlich war die Lücke groß genug, dass die übrigen Gardisten nachrücken konnten und Zyle ließ sich etwas zurückfallen um sich einen Moment zu erholen. Einige rötliche Schnittwunden leuchteten auf seinen Armen, die zwar schmerzhaft brannten,
aber nicht sehr tief waren und bereits langsam verheilten. Er war sich nach wie vor nicht sicher, ob ihn etwas anderes, als Feuer oder ein gewaltiges Gewicht töten könnte. Währenddessen trieb die Garde Andres Männer in den Innenhof der Festung zurück. Dunkle Hallen und Türme ragten zwischen den Mauern auf, manche davon nicht mehr als Hüllen mit eingestürzten Dächern, in denen Ratten und Spinnen ihr Unwesen trieben. Zyle meinte auch den Turm zu erkennen, wo er, Kellvian und Jiy vor einer gefühlten Ewigkeit übernachtet hatten. Damals wären sie beinahe einer Gruppe Auftragsmörder des Ordens zum Opfer gefallen. Nun…
mittlerweile waren die Gegner etwas gewachsen, dachte er leicht amüsiert. Irgendwo vor ihm rief Roland etwas und bedeutete einer Gruppe Gardisten, sich ihm anzuschließen. Die Männer brachen aus der Front der Kämpfenden aus und folgten ihm über den Hof der Erdwacht in Richtung Mauer… Was hatte er vor? Zyle musste die Frage bei Seite schieben, denn mit den fehlenden Gardisten drohten Andres Soldaten wieder an Boden zu gewinnen. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, dann stürzte er sich wieder in die tobende Schlacht. Und dann fand er sich plötzlich Auge in Auge mit einem Mann, dessen Beschreibung er nur zu gut kannte. Zyle
hatte grade einen weiteren Kämpfer nieder gestreckt, ein halbes Kind noch fast, dem er einen Schlag mit dem Knauf der Waffe gegen den Schädel versetzt, als jemand vor ihn trat. Der Mann hatte dunkle Haare und stechend blaue Augen, die beinahe die Farbe von Eis zu haben schienen. Das wichtigste jedoch war der weiße Pelzumhang, in dem nun freilich gewaltige, rote Flecken wie archaische Rangabzeichen prangten. Erland Reiksson… Seltsamerweise griff der Mann ihn nicht sofort an. ,, Ein Gejarn aus Laos…“ Der Feldherr schien zu überlegen, was er davon halten sollte. ,, Und da kämpft ihr für Canton
?“ ,, Nicht ganz.“ , antwortete Zyle ihm, Erland nicht aus den Augen lassend. ,, Ich bin ihr Hochgeneral, Erfreut… Ihr könntet euren Männern jetzt befehlen aufzugeben, dann sichere ich euch zu, ihr dürft euch friedlich zurückziehen.“ ,, Ein Großzügiges Angebot. Das ich leider Ablehne. Die Schwertkunst eures Volkes ist Legendär.“ ,, Ihr könnt sie gleich am eigenen Leib erfahren…“ Zyle stürzte vor. Erland parierte den Hieb elegant. Stahl traf einen Moment funkenschlagend auf Stahl, dann wich der Mann blitzschnell zurück und versuchte, Zyle dadurch ins Stolpern zu bringen. Dieser jedoch
kannte den Trick nur zu gut und fiel erst gar nicht darauf herein. Die beiden Kontrahenten lösten sich voneinander und standen sich erneut, einige Schritte voneinander entfernt, gegenüber. ,,Gut. Ich bin beeindruckt. Zumindest habt ihr mehr Hirn als der letzte der mich herausgefordert hat.“ Zyle ignorierte die Worte. ,, Wenn das alles isst was ihr könnt, eure Gegner verspotten und wütend machen, dann habt ihr den falschen Beruf gewählt.“ Dieses Mal war es Erland, der vorstürzte. Ein Hagel aus Stahl ging über Zyle nieder, den dieser jedoch geschickt parierte. Das Klirren von Stahl wurde zum ständigen Begleiter der
Kontrahenten, wie Glockenschläge, die für einen von ihnen zum Totengeläut werden würden. Die Schwerter verschwommen fast, während beide auf ihr ganzes Können zurückgriffen, Finten und Paraden ins leere laufen ließen und sich in einem tödlichen Ballett über den Platz bewegten. Gardisten wie Bundsoldaten wichen dem Sturm aus scharfgeschliffenem Metall aus, den die beiden Kämpfenden darstellten. Die Garde hatte mittlerweile den Großteil des Innenhofs unter Kontrolle und immer mehr von Andres Männern flohen einfach. Nur ein hartnäckiger Kern hielt sich noch um ihren Feldherrn, der sich
zunehmend in Bedrängnis sah. Zyle wusste, wenn es um Ausdauer ging, war er dem Mann überlegen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er einen Fehler machte, selbst wenn sie, was ihre Fähigkeiten anging, gleichauf waren. Dann jedoch streckte Erland die Hand vor, an der ein Silberring mit einem darin eingelassenen Amethyst glitzerte. Der Stein leuchtete auf und Zyle wurde plötzlich, wie von einer unsichtbaren Faust gepackt, rückwärts geschleudert und landete im Staub. ,, Ein kleines Geschenk von Ismaiel.“ , merkte der Feldherr an, während der Schwertmeister sich wieder aufrappelte. Der Stein an Erlands Hand zerfiel zu
Staub. Ein verbrauchter Zauber… ,, Wir werden das woanders zu Ende bringen müssen.“ Mit diesen Worten schob Erland das Schwert zurück in die Scheide und schloss sich dem Strom aus fliehenden Soldaten mit ruhigen, gemäßigten Schritten an. ,,Alles in Ordnung bei euch ?“ Falvius stürzte an seine Seite und hielt ihm eine Hand hin. ,, Bastard.“ Zyle ergriff die dargebotene Hand und ließ sich wieder auf die Beine helfen. ,, Wo ist Roland ? Wir hätten wegen ihm eben fast den Platz verloren.“ ,, Ich habe ihn seit einer ganzen Weile nicht mehr
gesehen…“
EagleWriter Na ja es gibt da noch ein paar Leute, die ein Rechnung mit ihm offen haben ;-) lg E:W |