Lebensexperimente
Erzwungene Wohltaten
Unser Leben wird bestimmt von Routine, Gewohnheiten und Handlungen, über die wir uns sehr wenig Gedanken machen. Uns aber gerne darüber beklagen, wie langweilig und eintönig, mitunter das Leben ist.
Glücksmomente und Wohltaten sind Highlights, die den Nachteil haben,
verhältnismäßig selten in Erscheinung zu treten. Daher ist es doch naheliegend, das zu erzwingen, aber wie soll das gehen?
Es weiß jeder: Das Glück lässt sich nicht erzwingen, entweder man hat es oder man hat es eben nicht.
Bei den Wohltaten sieht das etwas anders aus, aber zunächst einmal: Was ist damit gemeint?
Ich meine damit: Sich selbst etwas tun, was wohl tut. Vieles was uns wohltun könnte, wird durch unbewusste, voreiliges und ungeduldige
Lebensweise verschüttet und ein *Mangel an Experimentierfreudigkeit*, belässt es dann auch dabei.
Aber sicher werden sich jetzt die Meisten fragen: Mit was soll man denn experimentieren. Zugegeben, das Folgende mag etwas skurril anmuten, aber es wird das Leben um einige Wohltaten bereichern – sofern man bereit ist, sich darauf einzulassen.
Beginnen möchte ich mit einem Experiment, welches sofort von jedem
nachvollzogen werden kann.
Für uns ist es selbstverständlich, dass wir atmen und nehmen es eigentlich schon gar nicht mehr wahr – symptomatisch für alles was uns selbstverständlich erscheint.
Aber, dass atmen keine Selbstverständlichkeit ist, merkt man erst, wenn man die Luft anhält.
Hält man nun die Luft so lange an, wie man kann, dann ist es doch eine Wohltat, wieder auszuatmen, um anschließend normal weiter zu atmen. Zudem kann das von dem
Glücksgefühl begleitet werden, sich gerade selbst das Leben gerettet haben.
Vor allzu großem Ehrgeiz möchte ich allerdings warnen!
Mein Bruder hatte den Ehrgeiz, in einem Schwimmbad, zwei Bahnen unter Wasser zu schwimmen. Um festzustellen, ob die Luft ausreicht, schwamm ich über Wasser diese Strecke ab, während er am Beckenrand sitzend, die Luft anhielt. Es reichte und er versuchte es unter
Wasser. Fünf Meter vor dem Ziel hörten seine Schwimmbewegungen plötzlich auf und er lag bewegungslos im Wasser.
Kurzentschlossen beförderte ich ihn an die Oberfläche. Der Bademeister und weitere Helfer schleppten ihn zu einem Sauerstoffzelt, welches ihm das Leben rettete.
Sein Fehler war es, nicht bedacht zu haben, dass der Körper in Bewegung mehr Sauerstoff beansprucht, wie im Ruhezustand.
Fast so selbstverständlich wie das Atmen, ist essen und trinken. Als eine Wohltat werden es die Meisten nicht empfinden, wie denn auch?
Diese Tätigkeiten unterliegen nicht dem Bedürfnis, sondern der Gewohnheit: Frühstücken, Mittagessen, Abendessen und zwischendurch auch noch Kaffee trinken, das sind die bestimmenden Vorgaben und Faktoren.
Frühstück kann ich noch verstehen – je nachdem wie lange man geschlafen hat. Auf die nachfolgenden
Mahlzeiten, könnte man verzichten und täte man das solange, bis der Hunger/Durst sich eindeutig bemerkbar machen und würde man darüber hinaus noch etwas länger warten, um so größer wäre die Wohltat die man empfinden würde, während und nach dem Essen.
Ähnliches trifft auch für die Schlafgewohnheiten zu. Die Mehrheit geht nicht dann zu Bett, wenn sie wirklich müde ist, sondern weil sich eine bestimmte Schlafzeit
eingebürgert hat. Prinzipiell kann man nur dann schlafen, wenn man ausreichend müde ist d.h. man wartet am besten so lange, bis die Augen zu fallen.
Man tut sich nichts Gutes damit, möglichst früh ins Bett zu gehen, um im Endeffekt nur z.B. vier Stunden zu schlafen. Aber es ist eine Wohltat ins Bett zu gehen, wenn das nur noch der einzige Wunsch ist, den man hat.
Selbst das eher lästige zur Toilette gehen, kann man in eine Wohltat
umwandeln. Wie?
Vor allem nicht gleich bei den ersten Anzeichen des Müssen, zur Toilette rennen, sondern warten – warten, noch länger warten selbst auf die Gefahr hin, dass sich ein Tröpfchen in der Hose verirrt.
Aber das wäre vielleicht der richtige Zeitpunkt, das zuvor Lästige, ins Willkommene umzuwandeln.
Aber auch hier sollte der Ehrgeiz nicht übertrieben werden.
Mir ist ein Fall bekannt, dass jemand in die Hose geschissen hat. Aber nicht
aus Spaß am Experimentieren, sondern weil es keine andere Möglichkeit gab.
Obwohl es für den Betroffenen mit Sicherheit ein wohltuendes Gefühl war, welches ihm aufgezwungen wurde, konnte er es nicht genießen, weil die Häme der Anderen dafür sorgte, dass die Peinlichkeit die Oberhand bekam.
Bestimmt war schon jeder einmal vor einer sehr knappen Situation und kann bestätigen, dass es nichts schöneres gibt, es noch rechtzeitig
geschafft zu haben.
Der Sex im Allgemeinen, ist geradezu prädestiniert für das Wohlbefinden – sollte man denken und es bedarf keiner weiteren Experimente.
Das stimmt aber auch nur dann, wenn es nicht zur Routine geworden ist. Auch der gewohnheitsmäßige Sex ist langweilig und kann durch Geduld und Warten, als wesentlich höhere Wohltat empfunden werden.
Wem es beim Spaziergang zu
langweilig wird, sollte eine halbe Stunde auf einem Bein stehen bleiben. Danach wird es eine Wohltat sein, weiter zu gehen.
Oder wer wissen möchte, wie schwer ein Streichholz ist, mag es 10 Minuten lang, an ausgestrecktem Arm, halten. Dann weiß man zwar noch immer nicht genau wie schwer es ist, aber es wird eine Wohltat sein, den Arm zu senken.
Das waren nur einige Beispiele, wie
sich das Leben durch experimentelle Wohltaten bereichern lässt und der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt.
So empfinde ich es, der jetzigen Zeit gemäß, als eine Wohltat, so zu tun, als ob es Weihnachten gar nicht gäbe.