Es ist tiefster Winter und eiskalt. Die Bäume hier im Wald können den schweren Schnee kaum tragen und ihre Äste hängen weit hinunter. Ich stehe schwer atmend auf der Lichtung und wische mir mit dem Jackenärmel über die Stirn. Der Mond bringt den Schnee zum Leuchten und erhellt die dunkle Nacht. Das ist auch nötig, denn die kleine Laterne, die ich mitgebracht habe, ist umgefallen und erloschen. Ich betrachte mein Werk einen Moment lang, greife dann nach meinem Arbeitsgerät und der Laterne und verlasse die Lichtung. Auf meinem Rückweg werde ich mit Schnee von den tief hängenden Ästen eingestäubt, der
mein erhitztes Gesicht kühlt. Meine Finger hingegen sind nass und steif gefroren und wahrscheinlich sollten sie schmerzen, doch ich spüre nur Kälte.
Als ich am Haus ankomme, lasse ich das Werkzeug davor zurück, öffne die Tür und trete ein. Es ist dunkel und ruhig, wie ich es erwartet habe. Stille Nacht, heilige Nacht. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. In der Stille und Einsamkeit dieser abgelegenen Hütte werde ich meinen Weihnachtsurlaub verbringen. Allein und in aller Friedlichkeit.
In meiner Jackentasche suche ich nach Streichhölzern, um die Laterne wieder zu erhellen. Meine durchgefrorenen
Finger können die Hölzchen kaum halten, mehrere fallen zu Boden oder brechen beim Versuch sie zu entzünden. Irgendwann gelingt es mir schließlich, ich nehme die wieder beleuchtete Laterne und gehe ins Bad, da es in der Hütte keinen elektrischen Strom gibt.
Ich stelle mich vor das Waschbecken und betrachte mich im Spiegel. Mein Gesicht ist gerötet vor Kälte und Anstrengung und im dämmrigen, flackernden Licht der Laterne kann ich einige kleine Blutspritzer erkennen. Ich runzle die Stirn und sehe an mir hinab. Meine Kleidung ist blutbefleckt, meine Hände rot und klebrig. Ich seufze.
Ich hätte wissen müssen, dass dies keine
saubere Arbeit werden würde, denke ich bei mir und beginne, mir die Hände zu schrubben. Und kräftezehrend war es auch gewesen. Aber wahrscheinlich bin ich einfach ungeübt mit der Axt. Zumindest habe ich nun endlich die ersehnte Ruhe.
Sie war ja selbst Schuld an diesem Ausgang. Was musste sie auch darauf bestehen, unbedingt mitzukommen? Mir war von Anfang an klar gewesen, dass diese Einsamkeit nichts für sie wäre. Schließlich war dies einer der Gründe, warum ich ausgerechnet hier Urlaub machen wollte. Und dann hatte sie sich den ganzen Tag über alles beschwert, was ich hier so entspannend finde. Kein
Wunder, dass ich die Nerven verloren habe, schließlich ist heute Heiligabend, das Fest der Ruhe und des Friedens!
Mittlerweile schrubbe ich meine Hände derart energisch, dass der Schmerz meine wieder aufkommende Wut überdeckt. Ich wasche mir noch das Gesicht, trockne mich ab und gehe ins Schlafzimmer, um mich umzuziehen. Dann kehre ich ins Wohnzimmer zurück. Immerhin habe ich im Haus nichts beschädigt oder beschmutzt, stelle ich erleichtert fest, setze die Laterne auf dem Tisch ab und lasse mich in den gemütlichen Sessel fallen.
Endlich Ruhe, Stille, Frieden. Die Spuren meiner Tat werden auch bald
nicht mehr sichtbar sein, denn es fängt gerade wieder an zu schneien.