Halloween II
Ich habe euch erzählt, was letztes Jahr an Halloween passierte. Mein anscheinend so perfekter Kostümkauf, die Verwandlung und den anschließenden Mord an den Kindern, die in diesem Moment an meiner Tür geklingelt hatten und so die Aufmerksamkeit der Bestie auf sich gelenkt haben. Ich habe die Leichen der Kinder am nächsten Tag, ganz hinten am anderen Ende des Gartens vergraben und einen kleinen Stein dort aufgestellt. Mir war unglaublich schlecht, als ich es tat und ich fühlte mich schuldig, doch ich
wusste, niemand würde mir glauben das ich keinerlei Schuld daran hatte, sondern der Wolf in mir, der durch den Anhänger geweckt worden war. Der Abdruck des Anhängers hebt sich immer noch von meiner Haut ab und ich kann spüren, wie dieses Monster, welches letztes Halloween in mir geweckt wurde, aus mir heraus möchte. Noch steht die Sonne am Himmel und ich kann es unter Kontrolle halten, doch sobald die Nacht herein bricht, sich die Dunkelheit über das Land herabsenkt und der strahlend weiße Vollmond hinter dem Horizont aufgeht, wird die Bestie wach werden und erneut hungrig sein. Ich kann spüren, wie sie bereits unruhiger wird in
ihrem Schlaf in mir und währenddessen beobachte ich die knisternden und knackenden Flammen im Kamin, während ich überlege, wie ich diese Nacht überstehen kann, ohne erneut zu morden. Ich schaue auf die Standuhr, es ist 23:45 Uhr. Noch 15 Minuten bis Mitternacht. Noch 15 Minuten bis zur Nacht der Bestie. Ich hatte Angst davor, doch keine Ahnung, wie ich es verhindern sollte. Der Anhänger blieb verschwunden, ich hatte weiterhin nur den Abdruck auf der Brust und allmählich begann ich sogar zu glauben, dass dieses Stück Metall vielleicht irgendwie in mich eingedrungen war. Verrückt, ja, aber seit dem letzten
Halloween hielt ich dies nicht mehr für unmöglich. Ich musste nach dem letzten Halloween mein komplettes Bett, samt Matratze ersetzen, ich konnte nur das Gestell behalten, weil der Rest völlig zerrissen und blutverschmiert war. Ich zuckte kurz, aber heftig mit dem Kopf, so dass es im Genick knackte. Der Wolf wollte unbedingt raus und ich konnte spüren und wusste, dass ich ihn nicht mehr lange würde halten können. Ich warf einen erneuten Blick zur Uhr 23:55 Uhr! Noch fünf Minuten und ich muss wieder spüren, wie meine Knochen brechen und sich verformen, wie meine Haut regelrecht aufreißt mit einem widerlichen Geräusch wie von nassem,
reißendem Stoff, wie meine Zähne herausbrechen um dem Raubtiergebiss Platz zu machen. Schließlich konnte ich die zerfetzten Kleider auf dem Boden sehen und die neue, ungewohnte Kraft meines Wolfskörpers wahrnehmen. Ich hob den Kopf, um Witterung aufzunehmen. Ich war hungrig! Ich konnte mehrere, vielversprechende Fährten in der Luft ausmachen und ich merkte nicht einmal, wie mir der Geifer von den Zähnen tropfte, bevor ich zum offenen Schlafzimmerfenster hinaussprang, das zu ebener Erde lag, und parallel zur Straße durchs Feld rannte, hinunter in das kleine Dorf, aus dem die Kinder letztes Halloween zu mir
gekommen waren. Die Kinder, die ich getötet und zum Teil gefressen hatte. Die Polizei hatte nach ihnen gesucht und war auch bei mir gewesen, doch sie hatten nichts gefunden und ich hatte mich wahnsinnig schlecht gefühlt, als ich sie belogen und behauptet hatte, dass die Kinder weiter gegangen wären und ich sie seitdem nicht mehr gesehen hatte. Doch jetzt interessierte mich das alles nicht mehr, der Wolf kam wieder zum Vorschein und er wollte endlich ins Dorf, dass konnte ich spüren. Ich verlor die Kontrolle, hilflos musste ich zusehen, wie der Wolf, der ich war, losrannte und schließlich um die ersten Häuser herumschlich. Wenn er Hunde witterte,
zog er schnell weiter, bis er einen Spaziergänger entdeckte, einen 30-jährigen Mann. Ich kannte ihn, es war einer meiner Kegelfreunde aus dem Dorf, Jonathan. Nein, tu das nicht!, brüllte ich im Innern des Wolfes, Lass ihn am Leben, er ist mein Freund, töte ihn nicht! Doch der Wolf scherte sich nicht um mein verzweifeltes Flehen, ich konnte spüren das Jonathan für ihn nichts weiter als ein Stück Beute war, dass seinen Magen füllen und sein Hungergefühl sättigen würde. Als der Wolf seine Muskeln zum Sprung anspannte, schloss ich die Augen und versuchte nicht hinzuhören, doch die ekelhaft gurgelnden, zischenden und
schmatzenden Laute die entstanden, als der Werwolf sich in Jonathans Kehle verbiss und sie zerfleischte, sorgten dafür dass ich mir schlecht, verworfen und besudelt vorkam. Ich konnte den Wolf nicht aufhalten und deshalb hatte einer meiner besten Freunde sterben müssen und mit diesem Wissen igelte ich mich im Innern des Wolfs ein und blendete ihn aus, bis ich den Tag heraufdämmern spüren konnte und merkte, dass ich wieder in mein Bett fiel, nur um Minuten später mit Jonathans Blut an den Händen und im Gesicht aufzuwachen. Als ich es sah, schlug ich die Hände vor dem Gesicht zusammen und begann haltlos zu weinen. Ich hatte
meine Selbstachtung verloren und was noch schlimmer war, ich hatte meinen besten Freund ermordet, auch wenn ich keine direkte Schuld an seinem Tod trug. Ich beschloss, während ich meine Tränen von den Wangen wischte, aufzustehen und die Leiche meines Freundes zu "finden", um ihm wenigstens ein anständiges Begräbnis zukommen lassen zu können. Als ich mit schlurfenden Schritten und hängenden Schultern aus der Tür trat und den Weg zum Wald entlang ging, auf dessen halber Strecke die zerfetzte und übel zugerichtete Leiche meines besten Freundes lag, fühlte ich nichts als gähnende Leere und Verzweiflung in mir.
Als ich sie sah, fiel ich neben dem Toten auf die Knie, hob mein von Tränen benetztes Gesicht zum Himmel und wünschte mir zum ersten Mal in meinem Leben, ich wäre ebenfalls tot. Ich hoffte, ich käme in die Hölle wenn es so weit wäre, um dort für immer für meine begangenen Taten zu büßen...