Halloween
Es war der 31. Oktober. Halloweennacht, für einige die schönste Nacht des Jahres, weil man sich verkleiden und andere nach belieben erschrecken durfte, wenn man wollte. Ich ließ die Gardine zurück vors Fenster fallen, nachdem ich hinausgespäht und gesehen hatte, dass wieder eine Gruppe Kinder von meinem Haus weg ging, weil ich ihnen nicht geöffnet hatte, als sie klingelten. Überall in meinem Haus war es dunkel, mit Ausnahme des Wohnzimmers im hinteren Teil des Hauses, wo im Kamin noch ein Rest Glut vom Feuer heute früh vor sich hin schwelte. Die Kinder liebten
Halloween. Sie konnten sich verkleiden, bekamen Süßigkeiten und durften Streiche spielen. Früher hatte ich auch Halloween geliebt, besonders die Momente, wenn ich selbst verkleidet die Tür geöffnet hatte und die Kinder mit meinen eigenen Kostümen zum kreischen gebracht hatte. Mal war ich als Mumie verkleidet gewesen, dann im nächsten Jahr als Graf Dracula und im übernächsten Jahr auch mal als Skelett. Doch letztes Jahr hatte ich mich selbst übertroffen. Ich war in einem neuen Kostümgeschäft in der Nachbarstadt gewesen und hatte mich dort nach einem schön-schaurigen Kostüm für das bevorstehende Halloweenfest umgesehen.
Ich war durch den ganzen Laden geschlendert, als mein Blick an einem Werwolfskostüm hängen blieb, das als einziges in einer Glasvitrine stand und verschlossen war. Es stand kein Preis an dem Kasten, also ging ich zu dem Verkäufer und fragte ihn. Er sagte, das Kostüm sein unverkäuflich, doch ich musste es einfach haben. Das Fell, die Maske mit den Reißzähnen und den in den Tatzen eingenähten Krallen hatte es mir so sehr angetan, dass ich mein Angebot immer weiter erhöhte, bis der Verkäufer schließlich bei zweitausend Euro weich wurde und mir das Kostüm verkaufte. Als er es einpackte, holte er einen kleinen, hölzernen Kasten mit aus
der Vitrine und sagte mir, das es samt dem Inhalt zu dem Kostüm gehörte. Ich lächelte nur, da ich glaubte ein perfektes Kostüm erstanden zu haben und ließ es ihn mit einpacken, ohne einen Blick hinein zu werfen. Zu Hause angekommen, es waren noch zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang und den ersten Kinderhorden, die an meiner Tür klingeln wür-den. Ich beschloss, erst einmal zu Abend zu essen und machte mir einen Eintopf mit gehacken Zwiebeln, bevor ich in meine Abstellkammer im Flur ging und meine Naschschüssel zum ersten Mal an diesem Abend auffüllte. Ich wusste, es würde nicht das letzte Mal sein, denn die Kinder
kamen immer gern zu mir, da ich ihnen immer großzügig Süßigkeiten spendierte. Ich ging zurück ins Wohnzimmer und zog mir das Wolfskostüm an und ich war erfreut als ich merkte, dass es mir wie angegossen passte. Ich ging zum großen Spiegel an der Wand hinüber und betrachtete mich zufrieden, bevor mein Blick auf die Schachtel hinter mir fiel und mir das Amulett entgegenblinkte, welches mir der Verkäufer mit in den Karton gepackt hatte. Ich ging zurück und hob die Kette hoch, es war eine Silberkette mit einem Anhänger, der aussah wie ein Wolfskopf mit aufgerissenem Rachen. Ich lächelte, weil es ein ausgesprochen schönes Stück war
und streifte es mir über den Kopf. In diesem Moment fiel ein Strahl Mondlicht durch das Fenster direkt auf mich und den Wolfsanhänger und plötzlich blieb mir die Luft weg und mein ganzer Körper fühlte sich an, als würde er in Flammen stehen. Ich versuchte mir das Kostüm oder zumindest den Anhänger vom Körper zu reißen, doch er war nicht mehr da, ich konnte im Spiegel nur noch eine Art Tätowierung erkennen, an der Stelle an der der Anhänger gehangen hatte. Plötzlich brach ich in die Knie und spürte, wie mein Körper sich dehnte, es knackte und schießlich zerriss es meinen Körper einfach und ich konnte im Spiegel sehen, wie ich zu einem
grässlichen, gigantischen schwarzen Wolf mutierte, der mit gebleckten Zähnen vor dem Spiegel stand und sich mit glühend roten Augen umsah. Ich hatte keine Kontrolle mehr über diesen Körper und als es an der Tür klingelte hätte ich am liebsten laut aufgeschrieen, denn ich konnte den Hunger der Bestie genau spüren. Knurrend rannte der Wolf, in dem ich gefangen war, zur Tür und sprang mit solcher Wucht dagegen, dass sie aus den Angeln krachte und die Kinder unter sich begrub. Während mir das gellende Schreien der Kleinen in den Ohren widerhallte und mich völlig paralysierte, hielt der Wolf sein grausiges Mahl, er zerbiss, kaute und
schluckte und knurrte immer wieder vor Zufriedenheit, seinen Hunger stillen zu können. Ich war dankbar als ich in eine Art Bewusstlosigkeit fiel und diese Bilder nicht mehr sehen musste. Am nächsten Morgen erwachte ich mit Kopfschmerzen in meinem Bett und hielt das ganze nur für einen schlechten Traum. Doch dann setzte ich mich auf und erkannte, dass der Anhängerabdruck immer noch in meiner Haut war. Und mein Bett war zerbissen und voller Blut...