Nach dem Ende der Archontenherrschaft und der Stilllegung der Lebensschmiede, steht Kellvian vor der Aufgabe, die vor Helike gestrandete Armee Cantons sicher zurück zu bringen. Bevor sie die Stadt jedoch auch nur verlassen können, erhalten sie Nachricht von einem Totgeglaubten. Und in der Heimat ziehen bereits dunkle Wolken auf. Andre de Immerson hat seine Pläne, sich das Kaiserreich mit Gewalt untertan zu machen, noch nicht aufgegeben. Und ohne eine Armee ist alles, was zwischen
ihm und der Krone steht eine kleine Gruppe heruntergekommener Abenteurer und eine Handvoll Zauberer.
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Kellvian hatte nicht einmal gehört, das der Mann sich näherte. Und doch stand er da, wie aus dem Boden und dem Nebel gewachsen. Und auch wenn Kell Standbilder der Gestalt vor ihm gesehen hatte, der Wahrheit wurden sie nicht gerecht. Sein Gegenüber war genau so groß wie er, aber deutlich älter. Dunkelblonde Strähnen glitzerten in den ansonsten völlig ergrauten Haaren. Die Augen blitzten grünblau, als würde ständig ein Gewitter in der Tiefe dahinter toben. ,, Ihr…“ Mehr brachte Kellvian nicht
hervor. Götter, wo war er? War er tot? Es schien die erste logische Erklärung zu sein, die ihm einfallen wollte. ,, Du kannst den Mund wieder schließen.“ , antwortete sein Gegenüber scheinbar amüsiert. ,, Und nein, ich glaube nicht, das du tot bist. Vielleicht eher in einer Art Zwischenform. Aber du musst mir unbedingt verraten, wie du das machst. Ich selber bin immer daran gescheitert, einen Blick über die Grenze zwischen Leben und Tod zu werfen. Zumindest, bis meine Zeit gekommen war.“ Simon Belfare trug eine schlichte, türkisfarbene Robe, wie Kellvian sie auch vom Sangius-Orden her kannte. Nur
fehlte das so vertraut, goldene Symbol auf der Schulter. ,,Ich… bin nicht wirklich sicher, wie ich hierher komme.“ , antwortete Kellvian. ,, Aha.“ Der Ahne machte eine Geste mit der Hand, die Kell wohl bedeuten sollte, ihm zu Folgen. Nach wie vor, so schien es, kamen sie nicht wirklich voran. Säulengänge und Stützstreben zogen an ihnen vorbei, ohne etwas anderes zu sehen, als immer dieselben, fein gemeißelten Säulen, vergoldeten Wände und seltsamen Bäume. Ab und an gab es auch Wandgemälde, die sich in Pracht und Detailliertheit zu überbieten suchten. Darstellungen von Alltäglichen Szenen in solcher Brillanz, dass man
glaubte, beinahe durch die Farbe hindurch greifen zu können und Zeichnungen von Schlachten und Heldentaten, die vor dem Betrachter schon fast Lebendig wurden. ,,Ist das hier…“ Er wusste kurz nicht, wie er es nenne sollte, ,, das Jenseits?“ ,,Ein Teil davon.“ , antwortete die Gestalt Simons ruhig. ,, Ein sehr, sehr kleiner um genau zu sein. Es ist… nun um einen Vergleich zu verwenden, den du verstehst, man könnte es wohl die Abstellkammer nennen. Es hat mich hierhin gezogen als du… ankamst. Es ist ein Ort, von dem sich die anderen Toten fernhalten. Falamir ist wohl irgendwo hier. Zusammen mit den Seelen des alten
Volkes, die beim Ende ihres Volkes ihre Körper verließen und keine neuen… Gefäße mehr fanden.“ Er deutete auf eine der Schattengestalten in der Ferne. ,, Das hat sie mit der Zeit ziemlich irre werden lassen. Aber das weist du ja schon, nicht?“ ,, Und was soll ich hier ?“ Kellvian sah sich mit zunehmender Verwunderung um. Der Begründer des Sanguis-Ordens zuckte mit den Schultern. ,, Du bist doch hierhergekommen. Ob nun Freiwillig oder nicht, du hast mich durch irgendetwas hierher zitiert. Nicht umgekehrt. Und du weißt nicht weshalb?“ Simon Belfare lachte schallend. ,, Junge du spielst hier mit
Magie, von der ich nur geträumt habe und erklärst mir, du wüsstest nicht mal, wieso du sie einsetzt.“ ,, Eigentlich wollte ich die Clans für mich gewinnen.“ ,, Nun, Gejarn gibt es hier ebenfalls, auch wenn es nach wie vor mich hierher gerufen hat. Die nützen dir bloß nichts. Die Armen vergessen bei jeder Wiedergeburt immer alles. Und wenn sie hierher zurückkommen schimpfen sie, was sie, mal wieder, alles hätten besser machen können. Ordt ist da keine Ausnahme, auch wenn ich ihn seit… gut dreißig Jahren nicht mehr hier gesehen habe.“ Kell war das definitiv zu viel
Information. Die Traumähnliche Atmosphäre jedoch blieb nach wie vor. Vielleicht war das hier doch alles ein gewaltiges Trugbild… ,, Warum aber seid ihr hier ?“ , fragte er weiter. ,, Warum nicht jemand den ich kenne, oder gar…“ ,, Dein Vater ?“ Simon zuckte mit den Schultern. ,,Das weiß ich allerdings auch nicht. Wir sind hier nicht Allwissend. Das sind vielleicht die Götter, auch wenn ich in all der Zeit hier noch keinem Begegnet bin. Aber wir wissen, was die Sterblichen tuen, Kellvian… Und ich habe durchaus ein Auge auf das, was der letzte meines Hauses treibt.“ E grinste. ,, Ich glaube bisher kann ich
ganz zufrieden mit dir sein.“ ,, Ich habe einige Fehler gemacht.“ ,, Das habe ich auch. Ich habe mein Werk nie vollendet. Hätte ich mehr Zeit gehabt… Ich schätze, viele Dine währen auch für dich anders gekommen. Vermutlich kann ich dich… zurück schicken, wie auch immer du hierher gelangt bist.“ ,, Das… wäre wohl das Beste.“, meinte Kellvian. ,, Lass mich dir nur noch ein letztes Wort der Warnung mit auf den Weg geben. Ich weiß nicht, was noch auf die zukommt, aber ich kann es mir denken. Der Krieg kann einen Verändern, Kellvian. Das tut er bei jedem. Aber lass
nicht zu, dass dir das jemals den Blick auf deine eigentlichen Ziele und Ideale verstellt.“ ,,Ich werde daran denken.“ ,, Dann schicke ich dich jetzt zurück.“ Simon Belfare hob eine Hand. ,, Auf Wiedersehen. Aber… hoffentlich nicht zu bald.“ Licht flutete aus der Handfläche des Zauberers hervor, blendete Kellvian. Und erneut verdrehte und verschob sich die Welt. Die Säulengänge versanken in der Dunkelheit und der Boden unter seinen Füßen wurde plötzlich durchlässig. Kellvian stürzte haltlos in die
Dunkelheit… Er erwachte mit gewaltigen Kopfschmerzen. Das kam eben davon, wenn man sich seltsame Tränke geben ließ, von denen man nicht wusste, was sie enthielten. Dämmriges Morgenlicht fiel durch die Zweige der Bäume über ihm. Kellvian lag auf dem Rücken. Die Erde war kalt und es roch nach Laub. Die kahlen Stämme der Geisterbäume um ihn herum ragten wie Säulen auf. Säulen von einem Ort den er… irgendwo gesehen hatte? Die Erinnerung verblasste bereits und er hatte schon die Hälfte von allem vergessen, was er gesehen hatte.
Oder glaubte, gesehen zu haben. War das alles nur ein Traum gewesen? Jetzt zumindest, fühlte es sich wie einer an. Offenbar war er die ganze Nacht hier gewesen. Draußen konnte er die Umrisse eines guten Dutzends Gejarn erkennen, die sich um den Hain versammelt hatten und warteten. Vorsichtig, um seine Kopfschmerzen nicht noch neue Nahrung zu geben, stand er auf und kam schwankend auf die Füße. Er hatte einen schalen Geschmack im Mund. Im Schatten einer Wurzel lag ein Wasserschlauch. Fenisin musste ihn hier zurück gelassen haben, dachte er, während er gierig einen Schluck trank. Der Älteste hatte bestimmt selber nicht
damit gerechnet, das Kell die ganze Nacht hier sein würde. Nun, das Risiko hatte er eingehen müssen. Hoffentlich hatte er die übrigen Ältesten dadurch nicht noch verärgert. Weiter hatte es ihn nicht gebracht. Nur seltsame Träume, die bereits in der Bedeutungslosigkeit verblassten. Kellvian trat durch die Bäume nach draußen ins warme Sonnenlicht. Einen Moment blinzelte er, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen, dann wäre er beinahe wieder zurück gestolpert. Es waren doch mehr als ein paar dutzend Gejarn hier. Soweit er sehen konnte, verschwand die Wiese unter den Füßen von tausenden Männern und Frauen, die
um den Hain aus Seelenbäumen verteilt warteten. Und in vorderster Reihe standen die Ältesten, allen voran noch Mhari und Fenisin. Er konnte nur zusehen, wie einer nach dem andern eine angedeutete Verbeugung machte und warf Fenisin einem hilfesuchenden Blick zu. ,, Ihr, ein Mensch, habt als erster an einem unserer wichtigsten Rituale teilgenommen. Jeder hier zollt euch dafür Respekt. Mindestens.“ , erklärte der Wolf. Irgendwie war Kell sich sicher, dass er für den Massenauflauf hier verantwortlich war. Und wenn nicht er, dann ganz sicher Mhari. Zwischen den Versammelten konnte er
auch Lucien, Syle und Melchior entdecken. Was sollte er jetzt tun? Kellvian wusste, dass er hier eine Gelegenheit hatte, die einmalig war. Wie viele der Ältesten auf seiner Seite standen, würde keine Rolle spielen wenn er die Anwesenden für sich gewann. Und nach dem Meer aus Gesichtern zu urteilen, das stumm und gespannt wartete, würde man ihm sehr genau zuhören. ,,Gejarn der Herzlande. Des Südens. Des Nordens. Einen Platz wie diesen habe ich selten gesehen. Man kann es spüren. Die Bäume rufen nach unseren Seelen. Unsere Götter, gemeinsam oder einzigartig, flüstern und Atmen im Wind.
Ich habe heute eine Erfahrung gemacht, für die ich euch nur dankbar sein kann. Und doch stimmt sie mich traurig, den ich bin Überzeugt, ich werde auch nicht hierher zurückkehren. Westlich von hier trägt der Wind den Geruch von Blut mit sich. Eine Armee unter Führung von Andre de Immerson zieht durch die Herzlande, verbrennt unsere Städte und ich bezweifle, dass er die Clans verschonen wird. Helft ihr mir nicht, kann ich ihn nicht aufhalten. Ich werde es trotzdem versuchen und wenn es mein Ende ist, das schwöre ich euch heute.“ Nach wie vor hörten alle zu. ,, Hört ihr mich ? Ich gebe euch heute einen Eid. Unabhängig davon, wie eure
Entscheidung ausfällt. Andre wird fallen oder ich. Mein letzter Atemzug wird im Kampf stattfinden. Für euch. Wenn es sein muss. Aber schließt ihr euch mir an… wird euer letzter Atemzug einer sein. Dieser Ort wird nur fallen, wenn ich es tue. Eure Leben im anstehenden Kampf nur verwirkt sein, wenn ich versage. Wenn wir als Ganzes Kämpfen, kann uns niemand besiegen. Die Clans haben wieder und wieder bewiesen, dass sie sich von niemand kontrollieren oder unterwerfen lassen. Stellt es erneut unter Beweis. Zieht eure Waffen. Dieses Mal nicht nur für euch, sondern für das ganze Kaiserreich. Für jede der tausend Seelen die schon gestorben sind, müssen
wir es beenden. Die Zeit für Worte ist vorbei. Ich weiß, wer unser Feind ist und mit wem er sich Verbündet hat. Wir haben keine Gnade zu erwarten. Weder vom Herrn Silberstedts noch von seinen Gefolgsleuten. Ich habe nicht vor, mit weniger zu antworten. Jeder, der sich uns in den Weg stellt, wird fallen. Jeder, der uns bedroht, wird es bereuen. Die, die euch verabscheuen werden euch als Retter sehen. Wer ist mit mir?“ In die erwartete Stille hinein donnernden Zurufe und tosender Jubel. Stellenweise wurden Schwerter gezogen oder Fäuste
gen Himmel gereckt. Er hatte sie. Die Erkenntnis traf ihn erst nach einigen Augenblicken. Die Ältesten stimmten in die Jubelrufe und den Beifall ein. Er hatte sie wirklich überzeugt. Mehr als dreitausend Gejarn… Im Vergleich zu Andres Streitmacht nichts. Aber es war eine Macht, mit der man arbeiten konnte. ,, Die Clans werden euch folgen.“ , erklärte Fenisin. ,, Wohin auch immer ihr sie führt.“ Kellvian nickte, während er einen Moment die Augen schloss. Nur wohin ? Das war die Frage… Nach wie vor drängte ihn eine innere Stimme, sofort nach Vara zurück zu kehren, lieferte sich sein eigener Wille einen Kampf mit
Melchiors Warnung. ,, Herr…“ Syle war zu ihm getreten. ,, Wie lauten eure Befehle ?“ ,,Die Clans werden ihr Lager hier abbrechen.“ , antwortete er. ,, Ich will, das die Clans getrennt reisen. Immer fünfzig oder weniger auf einmal. So fallen wir weniger auf. Dreitausend Gejarn, die gleichzeitig durchs Land ziehen, müssen entdeckt werden und unsere beste Waffe ist immer noch Verstohlenheit. Packt Vorräte zusammen, schlachtet was ihr an Tieren habt oder lasst sie in der Obhut von Frauen und Kindern zurück, wir werden uns nicht mit ihnen belasten. Sende außerdem Späher voraus und lasst sie sich in den
Herzlanden verteilen. Die Ältesten sollen sie koordinieren und uns alles an Informationen beschaffen, was sie können. Ich will wissen, wo Andres Männer sind und was sie tun.“ ,, Und wohin werden wir ziehen ?“ , wollte Lucien wissen. ,, Nach Südosten. Wir können uns dort erst einmal sammeln und unsere Angriffe planen. Wir können Andre nicht direkt bekämpfen, dafür sind wir zu wenige. Aber wir können ihn dort treffen, wo wir am meisten Schaden anrichten.“ ,, Eine weise Entscheidung.“ , bemerkte Mhari. ,, Danke. Aber ich war es nicht, der sich das ausgedacht hat. Ein alter Freund von
mir hat Andre auf diese Art einmal mit nur fünfzig Mann Tagelang aufgehalten.“ Er nickte Syle zu, der es Schweigend zur Kenntnis nahm. Er konnte nur hoffen, dass es auch zweimal funktionieren würde. Andre würde sicher damit rechnen, dass die kaiserliche Garde Wiederstand leistete. Ein Angriff der Clans hingegen würde ihn hoffentlich derart überraschen, dass sie ihm bereits einiges an Verlusten beibringen konnten, bevor er darauf reagierte…
Terazuma Das war harte Arbeit und Kell hat sich wohl einiges an Quinn abgeschaut, als er seine Rede schwang! ich weiß, das war nicht möglich, aber wenn sie von etwas überzeugt sind, dann können sie andere damit begeistern. Ein nicht unwichtiger Charakterzug eines Anführers. Sei es nun Kaiser oder Ordensoberster... XDDD LG Tera |
EagleWriter Jetzt heißt es für dich : Abwarten was draus wird. ;-) lg E:W |
abschuetze Immer diese weisen Ratschläge der Ahnen^^ Na endlich geht's los^^ |
EagleWriter ^^ lg E:W |