Da war doch was, oder täusche ich mich?
Na, eigentlich ist es ja noch zu früh. Er kommt erst am Heiligen Abend, genau um Mitternacht, seit 500 Jahren.
Damals war Görlitz eine der größten und reichsten Städte im Lande der Teutonen, kaum zu glauben.
11.000 Einwohner lebten hier, München und Hamburg zählten damals auch nicht viel mehr und unser schönes Elbflorenz glich mit seinen schlappen 4.000 eher einem größeren Dorf.
Mit den Adligen hatten wir es nicht so hier in der Stadt, die blieben außen vor.
Auch die Bauernschaft siedelte damals etwas entfernt in den regionsüblichen Waldhufendörfern.
Görlitzes Bevölkerung setzte sich aus Handwerkern und Kaufleuten zusammen, die vor allem ihre wertvollen und geschätzten Tuche bis nach Russland und die Türkei, später dann bis nach Amerika verkauften.
Und dem Bier war man schon immer hold, wahrscheinlich gab es deshalb damals sage und schreibe 130 Brauereien in der Stadt. Die 3 Stadtwächter hatten täglich das Bier zu verkosten und so auf die Qualität zu achten. Dieser anstrengende Nebenjob verklärte möglicherweise etwas ihren Blick, und
so schenkte man ihrem Bericht zunächst wenig Glauben.
Aber er kam wieder. Jedes Jahr am 24. Dezember zur Mitternachtsstunde stürmte ein riesiger schwarzer, dreibeiniger Hund mit glühenden Augen durch eines der Stadttore am Nikolaiturm, rannte die damals schon gepflasterte Straße hinauf und verschwand in der rechtsseitig gelegenen Schankwirtschaft im Keller.
Mindestens 1,80 Meter Größe hatte das Tier. Es flößte den Görlitzern gleichermaßen Furcht und Ehrfurcht ein und wurde ihr Maskottchen zu Weihnachten.
Obwohl nach Einbruch der Dunkelheit alle Stadttore zu schließen waren, am Weihnachtsabend blieb stets eines offen. Und der Hund erschien Jahr für Jahr.
Ein junger Türwächter indes glaubte die Geschichte nicht und versah, wie heutzutage auch, Dienst nach Vorschrift.
Um Mitternacht heulte der Hund vor dem geschlossenen Tor, der junge Mann öffnete es jedoch nicht.
Da übersprang das riesige Tier mit einem gewaltigen Satz die 4 Meter hohe Stadtmauer, riss den Jüngling nieder, wobei ihm die Flinte verbogen ward, und stürmte wie immer davon.
Der junge Mann aber war für sein ganzes
weiteres Leben gezeichnet, selbst vor dem kleinsten bellenden Hund rannte er um sein Leben.
Heute gibt es die Stadtmauer nicht mehr, die Stadttürme allerdings stehen wie eh und je als Wächter, und die alten Görlitzer sind sich sicher, am 24. Dezember um Mitternacht so wie vor 500 Jahren den dreibeinigen Hund die mit Kopfstein gepflasterte Straße hoch rennen zu sehen. Nach wie vor verschwindet er im gleichnamigen Gasthof.
Der Wirt kann sogar jedem Interessierten einen Ziegelstein mit dem Pfotenabdruck des riesigen Tieres vorweisen.
Vielleicht schaut mal einer meiner Leser im „Dreibeinigen Hund“ vorbei, es muss ja nicht unbedingt am Heiligen Abend zur Mitternachtsstunde sein.
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