Ich starre an die Decke. Immer noch so hässlich weiß. Ich hatte mir mal vorgenommen zu streichen. Ich hatte mir viele Dinge vorgenommen. Doch, so wie das Leben spielt, ich habe es nie getan.
Er ist wieder da. Der schmale Grad zwischen leben wollen und sich den Tod wünschen. Regungslos liege ich da. Ich atme aus und wieder ein. Ich taste nach meinem Handy. Es gibt einen lauten Knall und das alte Ding sagt mir vom Boden aus „Hallo“. Ich bewege mich kein Stück. Ob sie mich vermissen würden? Meine so genannten „Freunde“? Ich wehre mich gegen den
Gedanken eine Diskussion mit mir selbst über die Bedeutung der Freundschaft anzufangen. Es gäbe nur zwei Gründe. Mein Handy leuchtet auf. Ich ächze, während ich mich bewege und nach der rosa Hülle mit dem „Smile if you are gay“ Aufkleber greife. Ein Bild auf Snapchat. Ich schaue es mir genervt an. Verziehe keine Miene. Ich höre meinen Kater Oskar an der Türe kratzen. Ich werfe etwas dagegen und er rennt die Treppen runter. Der eine Grund wäre meine Familie. Ich kann doch meine jüngeren Geschwister nicht in dieser Gesellschaft alleine lassen. Sie stehen an Stelle Nummer 1. Als meine Eltern ihnen erklären musste, dass die große
Schwester für eine Zeit lang woanders lebt und nicht zu erreichen ist, verloren sie für diese Wochen ihre Fröhlichkeit. Meine Schwester kollabierte fast. Ich auch. Magersüchtige, Autisten, Schizophrene und einfach nur gestörte Jugendliche machten drei Wochen meinen Alltag aus. Ich schaue in WhatsApp. Jeden Tag dasselbe. Ich chatte mit Menschen, die mir im realen Leben auf der Straße keines Blickes würdigen. Und dann wollte ich mein Leben in die Hand nehmen, alles ändern. Ich begann eine Therapie und hatte beim Jugendamt Hilfe beantragt. Und ich dachte, alles wird besser, du wirst irgendwann mal wieder richtig leben
können. Ich freute mich so. Facebook ploppt auf. Mädels mit zu engen Leggins, Jungs die breiter als der Türsteher sind und die, die in Facebook ihr persönliches Tagebuch sehen. Mittlerweile ist es 11 Uhr. Ich schaue um mich, schaue an mir runter. Es gibt ja noch den zweiten Grund und der chillt noch eine Weile mit seinem kleinen, süßen Hintern in Australien. Mein bester Freund, den ich eigentlich als Seelenverwandten bezeichnen könnte, ist mein ein und alles. Er ist nur nicht da. Ich spüre das jeden Tag. Mein Handy vibriert. „Wir werden dich niemals vergessen“ wird der Spruch sein und doch bin ich mir sicher, dass
ich in Vergessenheit geraten werde. Es vibriert wieder. Da gibt es noch jemanden. Er. Doch das wäre kein Hindernis. Oder doch? Es klopft an meiner Türe. „Nein“ ist so ziemlich meine Standart-Antwort. Meine Mutter. Seit wir beide zusätzlich mit Morbus Crohn kämpfen, sind wir wie beste Freundinnen geworden. Sie kommt rein, streichelt mich am Kopf.
Nein, niemals.