Der zugefrorene See -Kindheitserinnerungen
In der Adventszeit um 1959 herum, es war bitterkalt und hatte seit Tagen stark gefroren.
Auch unser See war zugefroren, aber noch nicht frei gegeben. Meine Freundin Margot und ich machten einen Spaziergang um den See.
Diese wunderschönen glitzernden Eiskristalle, die an den Bäumen und Zweigen hingen, hatten es uns angetan. Und der Weg hinter dem See
verleitet uns dazu die kleinen festgefrorenen Pfützen als Schlitterbahn zu nutzen. Unsere Wangen waren rot gefroren, die Hände in den gestrickten
Handschuhen
klamm. Wir hatten einen Heidenspaß und waren mit unserer Schlitterei so beschäftigt, dass wir nicht auf die Zeit schauten. Dann bemerkten wir, dass es langsam dämmrig wurde. Die Sonne war hinter dichten grauen Nebelschwaden verschwunden und es schien als ob es bald wieder schneien würde. Der Weg vom hinteren Seebereich bis nach Hause war ziemlich weit. Und so beratschlagten wir, ob wir es nicht wagen sollten über den See zu laufen. Er schien uns fest genug zu sein und es wurde langsam höchste Zeit
nach Hause zu gehen um nicht im Dunkeln die Orientierung zu verlieren.
Wir waren eigentlich nicht unbedingt die mutigsten Abenteurer wir Beide, eher die kleinen Romantikerinnen die mit ihren 10 Jahren noch gerne mit ihren Puppenstuben spielten und Bücher wie der Trotzkopf oder Nesthäkchen verschlangen. Aber nun war unser Mut gefragt. Vorsichtig stellten wir einen Fuß nach dem anderen auf das Eis. Hin und wieder ächzte es unter unserem Gewicht und wir zitterten vor Angst ob es uns wohl halten würde. Fast hatten wir es geschafft, als plötzlich die Eisdecke nachgab und ich mit beiden Beinen in dem eisigen Wasser verschwand. Meine Freundin Margot hatte gerade den Sprung ans Ufer
geschafft und versuchte nun auf dem Bauch liegend mir zu helfen. Zum Glück war es dort nicht sehr tief und mit viel Mühe schaffte auch ich es endlich den festen Boden wieder unter mir zu spüren. Der Weg bis nach Hause schien und endlos. Ich bibberte und schlotterte und die Hosenbeine begannen bereits fest zu frieren. Wie nun zu Hause unbemerkt herein gelangen, ohne großen Ärger zu bekommen. Margot ging die Treppen zur Küche eng an mich gedrückt vor mir her. Wir wollten uns gerade vorbeischleichen in das Bad als die Türe aufging und meine Pflegemutter uns sah. Sie brauchte nur auf den nassen Boden zu schauen um zu wissen, was da
passiert war. Sie war, so sehe ich das heute eine einfach fantastische Frau und reagierte ziemlich gelassen, während ich mich in der Badewanne wohlig aufwärmen durfte hatte sie bereits für jeden eine Tasse heißen Tee zubereitet und ein paar von den selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen waren auch für uns da. Allerdings gab es auch eine wenn auch liebevolle aber sehr ernste Standpauke und eine für mich freiheitsliebenden Menschen empfindliche Strafe. Ich musste eine Woche Stubenarrest absitzen. Na ja, ehrlich gesagt, war das gar nicht so schlimm. Es war bitterkalt, begann kräftig zu schneien und was kann es
denn schöneres geben, als mit meiner Freundin Margot am warmen Ofen zu sitzen und uns gegenseitig Geschichten zu erzählen von Abenteuern, die unsere Puppen in unserer Fantasiewelt erlebten. Es war eine schöne Adventswoche daheim.