Es Könnte auch Dir Passieren
Eines Tages geschah es. Irgendwie hatte Karl es immer geahnt. Obwohl er alles für die Firma getan hatte wurde er entlassen. Wie so oft hörte auch er die Begründung „Aus betrieblichen Gründen“ Er fragte sich was denn das für betriebliche Gründe sein könnten, schließlich wusste er dass die Auftragsbücher bis oben hin voll waren. Vermutlich war also irgend so ein Krawattenträger mitsamt seiner Misswirtschaft schuld daran, dass er auf der Straße landen würde. So etwas konnte ihn schon aufregen. Die kleinen die die Arbeit
machten, die leiden, und die oben, die das meiste Geld verdienen, die fahren die Firma an die Wand und werden dafür noch nicht einmal bestraft.
Über 10 Jahre hatte er dieser Firma seine Arbeitskraft gegeben, ja sie war sein Leben. Sein Lebensraum war 10 Jahre lang die Firma gewesen, nicht einziges Mal hatte er sich krank gemeldet. Selbst als er eine heftige Grippe hatte war er mit fast 40 Grad Fieber noch in die Firma gegangen.
Als er nach Hause kam und seiner Frau Karin erzählte, dass er ab dem nächsten Monatsersten keine Arbeit mehr haben würde, war sie erst entsetzt, doch dann tröstete sie ihn, da sie ja wusste wie sehr er
sich immer für die Firma aufgeopfert hatte. Die Frage war allerdings wie sollten sie jetzt noch die Raten für das Haus bezahlen? Was sollten sie ihren drei Kindern erzählen wenn sie sich etwas zum Geburtstag oder zu Weihnachten wünschten? Es blieb ihnen nichts anderes übrig als sich eine kleinere Wohnung zu suchen, und dann Sozialhilfe zu beantragen.
Karl ging an einem der nächsten Tage aufs Arbeitsamt und meldete sich arbeitslos, und beantragte Sozialhilfe. Und es kam genau wie er es vermutet hatte, das Haus in dem sie derzeit lebten war alles andere als angemessen, also mussten sie es verkaufen. Karl gab eine entsprechende Anzeige auf,
und ihm blutete das Herz, das Haus war sein ein und alles. Jede freie Minute, die ihm nach seiner Arbeit übrig geblieben war hatte er in dieses Haus gesteckt.
Karl dachte, dass es eigentlich nicht mehr schlimmen kommen könnte, und doch, es kam schlimmer.
Die Bank weigerte sich die Zahlungen für den Kredit auszusetzen, und von der geringen Sozialhilfe konnte er nicht einmal die Zinsen bezahlen. Und so kam es wie es kommen musste. Sie hatten das Haus verkauft und mussten es verlassen. Das Problem dabei war, dass sie noch keine neue Bleibe gefunden hatten. Die Kinder konnten in einem Heim untergebracht werden, doch Karl
und Karin verloren alles was sie hatten, und landeten schon bald auf der Straße. Nie hätten sie sich das vorstellen können, dass das ausgerechnet ihnen eines Tages passieren würde, aber so war es eben manchmal im Leben. Es passieren irgendwelche unvorhergesehenen Dinge und schon verändert sich ein ganzes Leben. Wie Karl und Karin auf der Straße lebten, lernten sie schon bald die anderen Menschen kennen, die auch auf der Straße lebten. Als sie noch in ihrem schönen Haus gelebt hatten dachten sie immer dass diese Menschen selbst schuld waren, und dass das ohnehin nur alles Säufer seien. Schon bald stellten sie fest, dass das so nicht der Wahrheit entsprach. Sie lernten Joseph kennen, der
schon seit über 10 Jahren auf der Straße lebte. Alle nannten ihn nur „Gitarren-Sepp“ weil er immer versuchte mit Straßen Musik und seiner Gitarre, die das einzige war was er aus seinem alten Leben hatte retten können, etwas Geld zu verdienen. Was war er stolz wenn er abends ein paar Euro in seinem kleinen Hut hatte. Er liebte Musik über alles. Als er noch ein anderes Leben hatte träumte er immer davon eines Tages einmal ein berühmter Musiker zu sein. Er ahnte, nein, er wusste, in seinem jetzigen Leben würde er darauf keine Chance mehr haben. Welcher Talentsucher würde denn schon einen Mann beachten, der völlig unrasiert und ungewaschen war, einfach weil er dazu keine wirkliche Möglichkeit hatte, und
der Klamotten anhatte die rochen als seien sie viele Jahre in einem vermoderten Keller gelegen? Doch er sollte sich täuschen, eines Tages geschah genau das womit er niemals gerechnet hatte.
Er saß wieder auf seinem Lieblingsplatz am Brunnen auf dem Marktplatz in der kleinen Stadt in der er lebte, und wie immer spielte er bekannte Lieder und auch eigene Kompositionen.
Als er eine Weile gespielt hatte setze sich ein Mann direkt neben ihn. Alleine das verwunderte ihn schon sehr, Doch es wurde noch seltsamer, der Mann lächelte, und als Joseph eine Pause machte sagte der Mann:
„Hallo, ich bin Georg, Musikproduzent, und ich finde Ihre Lieder so toll, dass ich gerne mit Ihnen eine CD aufnehmen würde“ Man sah förmlich die Zweifel in Josephs Gedanken. Es konnte ja gar nicht anders sein als dass dieser Mann ihn veräppelte.
Daher schrie er den Mann an: „Lass mich in Ruhe, verarschen kann ich mich selber“
Doch Georg ließ keine Ruhe, denn ihm war klar, dass der Mann an so etwas nicht mehr glauben konnte, so wie dieser Mann aussah lebte er sicher schon sehr lange auf der Straße. Irgendwann hatte Georg dann endlich doch ein bisschen Zugang zu Joseph gefunden und sie verabredeten sich für den nächsten Tag in das Hotel in dem Georg zurzeit wohnte. Als er am nächsten Tag das
Hotel sah konnte er es kaum fassen, es war ein derart nobles Hotel dass er schon fürchtete dass er in seinen Schmuddel Klamotten abgewiesen werden würde. Er ging vorsichtig ins Hotel und der Portier musterte ihn von oben bis unten und rümpfte sich die Nase, so als traute er sich nicht zu sagen: „Sie stinken aber“ Der Portier änderte sein Verhalten schlagartig als er nach Georg fragte. Er wurde sofort zum Zimmer von Georg begleitet, und als Joseph die Türe öffnete erwartete ihn Georg schon. Zuerst schob er Joseph ins Bad. Joseph konnte es nicht glauben. Solch ein tolles Bad hatte er noch nie gesehen, nicht einmal zu Zeiten als er noch nicht auf der Straße lebte. Georg und Joseph unterhielten sich, und Joseph nahm
erst einmal ein ausgiebiges Bad, während Georg neue Kleidung für Joseph richtete. Als Joseph fertig gebadet hatte zog er sich die neue Kleidung an und schon fühlte er sich als neuer Mensch. Über 10 Jahre hatte er sich nicht mehr so wohl gefühlt.
Georg und Joseph machten sich auf in ein kleines Tonstudio, das Georg gemietet hatte, und sie nahmen eine CD auf. Weil Georg und Joseph sich so gut verstanden, und Georg es nicht übers Herz brachte Joseph wieder auf die Straße zu schicken redete er mit dem Hotel, und Joseph durfte bei ihm im Hotel übernachten.
Schon einige Tage später kam die CD in den Verkauf, und sie wurde auf der Stelle ein
Hit.Nicht nur im Verkauf, auch jeder Radiosender spielte die Lieder von Joseph rauf und runter
Schon bald konnte sich Joseph wieder eine eigene Wohnung leisten, saubere Kleidung anziehen und auch sonst hatte er endlich wieder einen vernünftigen Lebensraum.
Es dauerte nicht lange, und Joseph war ein sehr bekannter Musiker. Seine Inspiration für die neuen Kompositionen holte er immer bei kleinen Spaziergängen. Eines Tages lief er gedankenverloren durch die kleine Stadt und kam an die Brücke unter der er bis er vor einiger Zeit gelebt hatte. Dort traf er auch die netten Menschen die damals erst vor kurzem auf die Straße mussten. Seine früheren
Freunde hatten sich schon gefragt was aus ihm geworden war. Dass er inzwischen ein berühmter Musiker war konnten sie ja nicht wissen da sie sich weder Zeitung noch Radio leisten konnten.
Joseph dachte so bei sich: „So schnell kann es gehen dass man seinen bisherigen Lebensraum verliert, doch ich weiß wo ich her komme, und deswegen möchte ich diesen Menschen helfen“
Und so kam es dann auch: Joseph gründete eine Stiftung, und jeder Euro von seinen CD-Verkäufen den er nicht selbst zum Leben brauchte spendete er seiner Stiftung. Und er hatte Erfolg damit. Schon bald war diese
kleine Stadt die einzige im ganzen Land bei der niemand mehr auf der Straße leben musste
Wie man sieht kann es sehr schnell gehen dass sich das ganze Leben ändert, darum urteilt bei einem Menschen nicht nach dem Äußeren, sondern nach den inneren Werten,