Weihnachtsklänge
Nun ist es mal wieder so weit. Weihnachten steht vor der Tür mit seinem Stress, Hektik, aber auch stimmungsvollen, leisen und schönen Momenten.
Es ist der Samstag vor dem 1. Advent. Heute will ich endlich meine Weihnachtsdekoration anbringen. Von überall her leuchten mir schon die Lichter auf Tannen und funkelnde Sterne entgegen. Da überkommt mich doch das schlechte Gewissen. Ich hab ja noch gar nichts
gemacht!!!
Doch in diesem Jahr möchte ich es in schöner Stimmung und festlicher Weihnachtsmusik tun, das habe ich mir fest vorgenommen.
Rasch gucke ich meine CDs durch und werde auch schnell fündig. Eine Weihnachts-CD vom Bläserchor der Heilsarmee. Erinnerungen kommen aus meiner Gastronomiezeit,auf, als die Heilsarmee mit der Sammelbüchse durch die Lokale ging. Ich mochte die nette Dame, die immer ein freundliches Wort für jeden hatte, und so fiel mein Obolus immer etwas großzügiger aus.
Zu Weihnachten schenkte sie mir dann diese CD. - Eine schöne Erinnerung.- Ein
Blick darauf sagt mir, dass es genau zu meinem heutigen Vorhaben passt.
Also jetzt Schmuck vorgeholt, CD eingelegt und der Bläserchor beginnt mit „Jingel Bells“. Leise summe ich vor mich hin.
Da ertönt ein lautes Scheppern aus dem Hausflur und zerstört jäh die trauliche Stimmung. Also wie Glocken klang es eben nicht gerade. Vorsichtig luge ich aus der Wohnungstür.
Da steht auch schon meine Nachbarin Frau Meyerdierks schwer atmend vor mir. Irgend etwas scheint mit ihrem Gesicht los zu sein. Es ist so eingefallen.
„Ist was passiert? Was hat denn da so gescheppert?“ frage
ich.
„Ach mir ist das Fahrrad ausgerutscht, als ich es die Kellertreppe runter getragen habe.“ - Frau Meyerdierks ist 86 und stolz darauf, alles noch alleine machen zu können.
Ich empfinde es als Unvernunft. „Und warum haben sie nicht geklingelt? Ich hätte es doch für sie gemacht!“ Und sofort stoße ich auf Widerstand. „Nein, ich tu das lieber selber machen, ich tu mich nicht gerne auf andere verlassen.
Und jetzt sehe ich erst, warum ihr Gesicht so eingefallen ist.
„Ist irgend etwas mit ihren Zähnen?“ frage ich vorsichtig? Sie guckt mich völlig entgeistert an. Dann führt sie ihre
Hand an den Mund. „Hab ich die nicht drin?Oh wie tut mich das peinlich sein. Die habe ich heute morgen ins Bad gelegt und vergessen sie wieder rein zu setzen. Jetzt war ich schon einkaufen und der Postbote hat mich heute morgen auch schon so gesehen. Nein, wie ist das schrecklich!!“
Ihr Gesicht ist jetzt ganz rot angelaufen und ich sorge mich etwas um ihren Blutdruck.
Postboten,denke ich so bei mir, werden in ihrem Beruf wohl schon so einiges gesehen haben.
Doch nun ist sie nicht mehr zu bremsen. „Stellen sie sich mal vor, was mir gestern passiert ist. Ich bin doch glatt in
der Wohnung über den Teppich gestolpert und mit dem Kopf an den Türpfosten geknallt. Danach hatte ich den ganzen Tag schreckliche Kopfschmerzen “.
Jetzt war ich doch ehrlich besorgt. „Was halten sie denn mal von einem Notruf, den man sich um den Hals hängt. Wenn dann mal was sein sollte, kommt wirklich ziemlich schnell Hilfe. Sie wissen ja nicht, ob das Telefon immer in Reichweite ist.“
Da hatte ich aber was gesagt!
„Um Gotteswillen, wenn ich so was erst einmal habe, dann bin ich alt!“ entrüstet sie sich.
Irritiert guck ich sie an . „Frau
Meyerdierks, wann wollen sie dann eigentlich alt werden.? Haben sie vergessen, dass sie 86 sind?“
Nun muss sie doch grinsen. Dabei blitzt ein etwas gelblicher einzelner Zahn in ihrem unteren Mundbereich auf.
Aber sie war noch nicht fertig. „Haben sie eigentlich schon gehört, dass die Anni von oben schon wieder im Krankenhaus war? Der haben sie aus'm Kopp ein Gewächs raus geholt. Aber sie war nur 2 Tage drin. Und stellen sie sich mal vor, die tut ja noch bei ihrem Sohn putzen. Sie hat gesagt, der tut sonst in seinem Dreck umkommen. Und kaum war sie aus dem Krankenhaus, da hat sie oben wieder seine Bude sauber gemacht.
Die wird einfach nicht schlau. Dabei tut der sie behandeln wie den letzten Dreck.
Neulich, ausgerechnet, als ich mein „Sturm der Liebe“ geguckt habe, hat sie bei mir geklingelt. Sie ist einfach rein gekommen, hat sich in den Sessel geschmissen und dauernd an ihrem Handy rum gedrückt. „Was tun sie denn da immer rumdrücken?“ habe ich ihr gefragt. „Na, ich muss doch gucken, ob mir jemand geschrieben hat.“
Dann hat sie mir erzählt, dass sie den ganzen Tag fürchterliche Kopfschmerzen gehabt hätte.
Na, da war sie ja bei mir richtig! „Das tut ihnen gar nichts schaden!“ habe ich
zu ihr gesagt. „Wieso tun sie bei ihrem Thomas auch immer noch putzen!
Ich werde sie jetzt mal was sagen, ihre Kopfschmerzen kommen nur von ihre Blödheit her und von nichts anderes!“
Ein triumphierendes Lächeln macht sich in ihrem Gesicht breit , wobei der einzelne Zahn wieder kurz aufblitzte. „ Da hat sie dann gar nichts mehr gesagt.“
Ich bin sprachlos und beeindruckt ob dieser Weisheit. In Verbindung mit Dummheit hatte ich Kopfschmerzen bisher noch nie gebracht.
Im Hintergrund ertönt aus meiner Wohnung gerade „Süßer die Glocken nie klingen“. Das erinnert mich doch wieder an mein heutiges Vorhaben, meine
Dekoration fertig zu stellen. Ich wünsche Frau Meyerdierks noch einen schönen Tag und erinnere sie daran, ihre Zähne wieder einzusetzen. Aufatmend schließe ich die Tür und versuche mich erneut in eine weihnachtliche Stimmung zu versetzen. Doch das will mir partout nicht gelingen.
Leise spielt der Bläserchor „Maria durch den Dornwald ging.
Doch ich bin ja Gott sei Dank nicht Maria.