Abhärtung
Kalt!
Kaltes Wasser springt mir ins Gesicht. Sofort ist die Erinnerung wieder präsent. Waschen am Morgen. Waschen in der kalten Küche. Warmes Wasser – Fehlanzeige. Nur für die Zähne konnten wir uns einen Schluck aus dem Wasserkessel nehmen.
Unser Vater hatte einen besonderen Bezug zu diesem Ritus, den er jeden Morgen vollzog. Prusten und Pusten gehörte dazu. Abhärtung als Tugend des Soldaten, denn der hat im Feld auch kein heißes Wasser. Ein Argument habe ich
heute noch dagegen. Er war dick und wir waren dünn, fast schon dürre und klapperten schon bei der Vorahnung.
Meist riss der Alte die Tür des Kinderzimmers auf, brüllte „Reise, Reise, Aufstehen!“ und entschwand in Richtung Arbeit. Wir schauerten im wohlig warmen Bett und wollten so gerne noch liegen bleiben. Aber die Zeit...
Unsere Küche hatte einen Linoleumfußboden und war in der frühen Stunde kalt. Auf dem Gaskocher machte man Wasser warm und der Vater konnten zum Rasieren einen Becher entnehmen. Er ging sehr sparsam mit dem Wasser um, weil er in drei Jahren seiner Kriegsgefangenschaft in der ägyptischen
Wüste nur einen Becher pro Tag bekam. Trinken, Waschen und Blumen gießen musste damit erledigt werden und er war stolz auf die Dahlien vor seinem Zelt.
Wir sollte zur Härte erzogen werden, Härte die wir nicht verstanden, nicht brauchten und schon gar nicht wollten. Doch der Wille des Vaters war unser Gesetz!
Vielleicht hätte er uns mit der Frische einer Quelle begeistern können, aber in der Wohnung und wir hatten noch nicht einmal ein Bad.
05122014 jfw