Fantasy & Horror
WELTENFALL - Teil 2

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"WELTENFALL - Teil 2"
Veröffentlicht am 04. Dezember 2014, 52 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Was soll man über sich selbst erzählen? Ich schreibe sehr gerne und sehr viel. Meist Texte und Kurzgeschichten aus dem Horror, Fantasy oder Thriller-Bereich.
WELTENFALL - Teil 2

WELTENFALL - Teil 2

Was bisher geschah: Die junge Janyce 'Jazz' Nouvel lebt als Obdachlose in Hamburg.Mit Alkohol und Drogen versucht sie der Realität zu entfliehen, verstrickt sich dadurch aber nur noch mehr in Probleme. Als sie eines Nachts nicht weiß wo sie hin soll, kommt sie in ihrer Verzweifelung bei ihrem Exfreund unter. Hier probiert sie, schlaflos und mit schmerzvollen Erinnerungen konfrontiert wird, eine neuartige Droge, die sie nicht verträgt. Einer Ohnmacht nahe, schleppt sie sich zurück ins Schlafzimmerund bricht dort zusammen. Als sie erwacht, erblickt sie sich in erbärmlichem Zustand vor einem Spiegel


liegend. Noch immer halb weggetreten, rutscht sie urplötzlich durch die Dimensionen in eine andere Welt. Janyce wird hilflose Zeugin eines unglaublichen Relatitätswechsels und landet schließlich in einem ihr fremden Wald. Unfähig das Geschehene zu verstehen, irrt sie stundenlang in der Wildnis umher bis sie einen einsamen Jungen trifft. Dieser hockt neben einer schrecklich zugerichteten Leiche. Jazz will helfen und holt den Jungen von der Toten weg. Hilfesuchend irren die beiden weiter. Als sie einen kleinen Bach erreichen, will Jazz pausieren, sich ausruhen und waschen. Plötzlich stellt sich der Junge als tödliche

Bedrohung heraus. Jazz gelingt es sich zu verteidigen und den Angreifer zu besiegen. Selbst tödlich verletzt bricht sie nach dem Kampf zusammen...

* "Wenn du gut in etwas bist - mach es niemals umsonst!", Der Joker Ein erster, einsamer Impuls zuckte durch das Nichts. Erst zögerlich, dann immer schneller gesellten sich weitere hinzu. Eine eigenständige Dynamik entstand, beschleunigte sich und erwuchs zu einem immer stärker um sich greifenden Gewitter aus blitzenden Synapsen. Funke für Funke sprang über. Immer

mehr Hirnzellen wurde reanimiert, zahllos inzwischen und unaufhörlich wachsend. Abertausende Neuronen verknüpften sich in eifriger Kommunikation und schufen so das immer dichter werdende Netz eines sich formenden Geistes. Erste schwerfällige Gedanken formulierten sich, flackerten auf, wollten existieren, sich mitteilen, verloren sich jedoch sofort wieder in trister Bedeutungslosigkeit. Das Erwachen aber, ließ sich nicht mehr aufhalten. Unaufhaltsam schritt es voran, erhob sich in die nächste Stufe, wuchs weiter und wurde schließlich eins. Dann endlich war es soweit, der Verstand brachte genügend Leistung auf

um sich seiner eigenen Existenz bewusst zu werden. Das Nichts begriff, dass da mehr sein musste. Ich bin? Diese erste, diese elementarste aller möglichen Feststellungen überhaupt, löste eine wahre Flut weiterer Eindrücke aus. Die wundervolle Leichtigkeit der Leere verschwand und wich der Last des eigenen Körpers. Schmerz, Müdigkeit, Kälte, Schwäche und Angst brachen über das ungeschützte Denken herein, erwischten es unvorbereitet, verletzlich und in einem Moment größter Schwäche. Das Denken verschloss sich entsetzt und

reagierte mit einem Gefühl tiefster Verwirrung.

Ich bin…! Kühle Luft umstrich nackte Haut. Sie roch abgestanden, muffig und unangenehm. Irgendwie auch nach Chemikalien. Oder nein, eher nach einer Art Desinfektionsmittel. So wie es früher einmal in Krankenhäusern gerochen haben musste? Fremdartige Geräusche erklangen. Schritte auf kaltem Stein. „Langsam solltest du wieder zu dir kommen, Mädchen. Hilf ein wenig mit, streng dich an!“ Die fordernde Stimme eines

Mannes. Ich bin… Jazz! Sie spürte, wie jemand ihren Arm ergriff. Der kurze Schmerz eines Einstiches folgte. Nur Augenblicke später durchflutete eine angenehme Wärme ihren Körper. Eine Hand legte sich auf ihre Stirn und fühlte die Körpertemperatur. Dann glitt sie herab, legte sich über die Lider und schob sie weit auseinander. Ein greller Lichtstrahl folgte, zuckte ein paarmal von links nach rechts. Janyce war geblendet, tausend bunte Lichter tanzten vor ihren Augen. Sie stöhnte leise,

wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus. „Pupillenreflexe normal. Die Atmung der Patientin ist ruhig, die Körpertemperatur liegt im Normbereich.“ Es klang, als spräche die fremde Stimme in eine Art Aufnahmegerät. Als sie verstummte, glitt die Hand des Unbekannten an Janyce Wange hinab und verharrte erst als sie die Unterseite des Kinns erreicht hatte. Dort drückten zwei Finger mit routinierter Präzision gegen die Halsschlagader. „Der Puls liegt leicht erhöht bei einhundertzwanzig. Die leichte Erregung deutet darauf hin, dass die Patientin bereits erste Eindrücke

ihrer Umgebung wahrnimmt und bald erwachen wird. Einem Abschluss der Behandlung steht somit nichts mehr im Wege.“ Mühsam stieß Jazz ein paar Worte hervor. „Wo bin ich?“, Vorsichtig versuchte sie sich zu erheben, konnte sich aber kaum rühren. Jemand hatte sie ans Bett gefesselt. „Was soll das? Wer…? Was… was wollen Sie von mir?“, fragte sie heiser, während ihr das Herz vor Angst bis zum Hals schlug. „Versuch bitte Ruhe zu bewahren. Du bist in Sicherheit. Erinnerst du dich an das was geschehen ist? Du wurdest angefallen. Von einem Ghoul wie man mir

sagte.“ „Ghoul? Sie meinen Gail, …den kleinen Jungen?“, das Sprechen fiel ihr schwer. "Wo ist er?" Jazz wurde schwindelig, deshalb schloss sie erneut die Augen und legte matt den Kopf zur Seite. Die fremde Stimme lachte heiser. „Kein Junge, nicht einmal ein Mensch! Es war ein Ghoul, ein Leichenfresser! Es gibt hier eine ganze Menge von denen und sie sind nicht sonderlich beliebt. Du kannst dir sicher vorstellen, dass die Fressgewohnheiten dieser Biester sich nur schwer mit unseren Moralvorstellungen vertragen. Niemand sieht gern ein Kind in den Eingeweiden einer Leiche wühlen.“

„Er wirkte nicht, als wolle er fressen. Eher apathisch und verloren. So als ob er Hilfe bräuchte…!“, Jazz Kopf pochte, das Denken fiel ihr schwer. Trotzdem versuchte sie ihr Möglichstes, dem Gespräch zu folgen. „Die Frau, seine Mutter…?“ „Eher sein Abendessen! Und genau das ist das verwunderliche! Warum lässt sich ein sattgefressener Aasfresser auf etwas lebendiges ein? Anfangs hat mich der Gedanke nicht mehr losgelassen aber nachdem ich dich untersucht hatte, war die Sache klar. Der Ghoul hat deine Drogensucht gewittert und als Krankheit gewertet. Er sah auch, dass du nur in ein

paar Stofffetzen gekleidet warst. Vollkommen allein inmitten eines Waldes. Schwach, verwirrt und orientierungslos, dazu noch von oben bis unten mit Erbrochenem beschmiert. Leichte Beute, die noch nicht einmal erkannt hat, in welch großer Gefahr sie schwebt.“ Die Stimme des Unbekannten klang beinahe erheitert. „Sicher hast du ihn förmlich angebettelt, dich zu begleiten!“ „Natürlich! Ich kann doch kein Kind allein im Wald zurücklassen?“ Wie konnte er ihr das vorwerfen? Sie hatte doch nur das einzig Richtige getan. „Woher sollte ich wissen, dass…?“ „Natürlich! Aber genau das ist das

Problem. Sucht und Naivität hätten dich fast das Leben gekostet!“, unterbrach sie die fremde Stimme. „Viel hat nicht gefehlt. Als man dich zu mir brachte, warst du mehr tot als lebendig. Nicht nur wegen der vielen Verletzungen und des starken Blutverlustes, sondern vor allem wegen des giftigen Speichels dieser Kreatur. Es gibt nur sehr wenige Ärzte, die dich in diesem Zustand noch hätten retten können. Zu deinem Glück brachte man dich zu mir!“ Man konnte hören, wie stolz der Mann auf seine Arbeit war. „Du siehst, du bist in den besten Händen, hab einfach noch ein wenig Geduld.“ „Warum haben Sie mich gefesselt?“,

flüsterte Jazz heiser. Sie hob den Kopf um einen Blick auf ihren Gesprächspartner zu werfen, fand ihn aber nirgends. Einer der sie fesselnden Gurte war so straff über ihre Brust gespannt, dass sie sich kaum rühren konnte. Trotz des stark eingeschränkten Sichtfeldes erkannte Jazz aber, dass sie in einem ziemlich großen Raum lag. Er war nur spärlich beleuchtet und starrte vor Dreck. Das ist doch kein Krankenhaus?, dachte sie und sah sich weiter um. Ein paar Möbelstücke waren ebenfalls zu erkennen. Allesamt verdreckt und in sehr schlechtem Zustand. Da standen ein chaotisch wirkender Schreibtisch samt

Stuhl, daneben ein zerrissener Wandschirm, eine Operationslampe und ein klappriger Instrumentenwagen. Jazz erkannte auch einige fremdartig wirkende Geräte, wusste sie aber nicht zuzuordnen. „Wegen des Giftes hattest du schlimme Fieberkrämpfe. Ich musste sicherstellen, dass du dich nicht versehentlich auf deine Verletzungen wirfst und dadurch den Heilungsprozess gefährdest. Es ging leider nicht anders.“ Die Begründung klang einleuchtend. Trotzdem hatte Jazz Zweifel daran, dass dies man sie nur deshalb gefesselt hatte. „Wo bin ich?“ Die Worte zu formulieren war anstrengend, sie flüsterte mehr, als

das sie sprach. „Ich glaube, ich muss dir ein Geständnis machen!?“, antwortete der Fremde ohne auf die ihm gestellte Frage einzugehen. „Das Bewahren von Leben gehört eigentlich gar nicht zu meinen Aufgaben, weißt du? Sofern mir die Ghule nicht zuvor kommen, sind es die Toten derer ich mich annehmen muss. Es ist noch zu früh dir mehr darüber zu sagen, aber du hättest eigentlich wie all die anderen enden sollen. Nur deshalb hat man dich zu mir gebracht. Dann aber als ich dich vor mir sah, sterbend und doch so voller Weiblichkeit, kam mir ein Gedanke. Warum nicht das Angenehme mit dem Notwendigen verbinden? Zu

unser beider Vorteil! Du brauchtest dringend Hilfe und ich hatte schon sehr lange keine angenehme Gesellschaft mehr, keine Lebende zumindest.“ Der Arzt strich Jazz unerlaubt sanft über den Oberschenkel und lachte leise. „Manus manum lavat, wie man so schön sagt!“ Entsetzt riss Janyce die Augen auf. Adrenalin jagte durch ihren Körper und versetzte ihren kompletten Körper in Alarmbereitschaft. Urplötzlich war sie hellwach. Dreh jetzt nicht durch, sagte sie sich. Verzweifelt versuchte Jazz ihren Atem zu beruhigen und die aufkeimenden Gedanken an all das was er während ihrer Bewusstlosigkeit mit ihr angestellt haben könnte, aus dem

Kopf zu verbannen. Reiß dich zusammen! Sie war gefesselt und ihrem Peiniger hilflos ausgeliefert, dass durfte sie auf keinen Fall vergessen. Nicht die Nerven verlieren, denk an etwas anderes! Egal was er dir angetan hat, es ist vorbei! Konzentrier dich auf das Wesentliche, bring ihn nicht auf blöde Ideen und vergiss nicht, dass er momentan der einzige ist, der dich befreien kann. Zu ihrem eigenen Erstaunen hatte sie sich schnell wieder im Griff. „Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben!“ Jazz konzentrierte sich auf das was sie sagen wollte und bemühte sich, mit möglichst fester Stimme zu sprechen. „Das hier ist

doch kein Krankenhaus, oder? Mein Name ist Janyce Nouvel und ich komme aus Hamburg. Ich bin… ich meine, ich habe mich… Ich… ich habe keine Ahnung wie ich an diesen Ort gekommen bin und was ich hier soll? Eigentlich müsste ich jetzt in der Wohnung meines Freundes sein, verstehen Sie? Von dort bin ich… verschwunden. Das alles hier ist falsch und darf eigentlich gar nicht sein. Können Sie nicht dafür sorgen, dass ich nach Hause zurück kann? Bitte, ein kurzer Anruf würde schon reichen.“ Der Arzt ignorierte auch diese Fragen. „Es wird sich alles regeln, du wirst sehen. Das wichtigste ist doch, dass du in guten Händen bist und dass dir

geholfen wird.“ Während er sprach, trat er erstmals in Janyces Blickfeld. Erschrocken sog sie die Luft ein. Er trug eine mit allerlei Spritzern übersäte Gummischürze. Darunter einen vergilbten Arztkittel mit lieblos hochgekrempelten Ärmeln. Auf seinem Kopf saß, perfekt über einer Nickelbrille drapiert, ein strahlend weißer Bowler. Ein Hut, der so sauber war, so penibel gepflegt, dass er vor der restlichen Umgebung wie ein Fremdkörper herauszustechen schien. Wirklich bizarr und beängstigend aber war der Mundschutz des Arztes. Irgendwer hatte mit blutdurchtränkten Fingern ein zur Fratze verzerrtes Grinsen

auf den Stoff geschmiert. Irrwitzig, rudimentär und doch in seiner Linienführung so grauenvoll umgesetzt, dass es einem eiskalte Schauer des Entsetzens über den Rücken jagen konnte. Fassungslos starrte Jazz dem Arzt in die Augen. „Guten Tag, Janyce. Mein Name ist Doktor Stanislaus Meynhardt.“ Der Arzt deutete eine leichte Verbeugung an. „Es freut mich aufrichtig, dich kennenzulernen. Wie ich bereits sagte, ist deine Behandlung fast abgeschlossen. Ein letzter Eingriff fehlt noch, dann sind wir fertig. Allerdings…“ Er unterbrach sich, rückte seine Brille zurecht und fuhr dann fort. „Nun, um der

Wahrheit Genüge zu tun, es wird wohl ziemlich unangenehm für dich. Natürlich hätte ich es dir ersparen und die Prozedur während deiner Bewusstlosigkeit durchführen können, aber ich hielt es für zwingend notwendig, dir ein paar Dinge bewusst zu machen. Ich muss dir eine sehr bedeutende Lektion näher bringen, eine, die du nie wieder vergessen darfst. Zahllose Studien beweisen, dass Menschen am besten lernen, wenn sie Schmerzen empfinden. Du kennst das sicher, es ist wie bei dem Beispiel mit dem Kind und der heißen Herdplatte.“ Die widerliche Maske des Mannes verhinderte, dass man seine Gesichtszüge

lesen konnte. Trotzdem war sich Jazz sicher, dass sein Mund auch unter dem Stoff zu einem hässlich breiten Grinsen verzerrt war. Ein Gedanke der sie zutiefst beunruhigte. „Bitte nicht, lassen Sie mich gehen!“ „Als ich gegen das Gift in deinem Körper gekämpft habe, ist mir etwas aufgefallen. Ich fand heraus, dass du in der Vergangenheit sehr verantwortungslos mit deinem Körper umgegangen bist. Egal ob es sich dabei um Alkohol, Tabak, Drogen oder schlechte Ernährung handelte, solange es nur ausreichend schädlich war, wurde es von dir mit größter Freude konsumiert. Ich bin Arzt und dir ist

hoffentlich klar, dass ich ein derartiges Verhalten nicht tolerieren kann. Ich fühle mich also persönlich berufen, dir das ganze Ausmaß deines Fehlverhaltens vor Augen zu führen.“ Meynhardt hob die Arme. An seiner rechten Hand prangten fünf Spritzen. Jede einzelne mit ihrem gläsernen Zylinder über einen seiner Finger gestülpt und mit einer langen, unheilvoll glitzernden Nadel versehen. Aus der Rückseite der Spritzenkörper ragten dünne Schläuche, die kaum merklich zu pulsieren schienen, über seinen Handrücken verliefen und irgendwo hinter Meynhardt in den Schatten verschwanden. Jazz stockte das

Herz. „Dies meine Liebe, ist eine ganz besondere Erfindung. Sehr kompliziert, weswegen ich dir die unnötigen Details erspare. Es reicht wenn du weißt, dass sie toten Körpern die Flüssigkeit entzieht und sie so konserviert. Dank einiger diffiziler Verbesserungen, die ich im Laufe der Vergangenheit selbstständig hinzufügte, ist es mir nun sogar möglich, chemische Stoffe zu lokalisieren und in nur einer einzigen Sitzung komplett zu entfernen. Auf diese Weise habe ich, nur zum Beispiel, auch das Gift des Ghuls aus dir entfernt.“ Meynhardt warf seiner Patientin einen gewichtigen Blick zu.

„Aber das ist jetzt nebensächlich, lass uns lieber weiter machen. Ich erkläre dir am besten, was nun passiert. Der letzte Schritt deiner Behandlung wird darin bestehen, dass ich alle Überreste deiner langjährigen Drogensucht aus dir heraushole. Restlos! Jede noch so kleine Nuance, jedes verschwindend kleine Gramm, das sich noch irgendwo in dir verstecken mag. Du ahnst sicher, dass dies nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten verlaufen kann. Wir beginnen mit der Leber!“ Ohne Vorwarnung, ungezielt und brutal schnellte die Hand des Arztes nach vorne. Die fünf Nadeln bohrten sich ungehindert durch den dünnen Stoff des

OP-Hemdchens hindurch tief in ihren Körper hinein. Jazz keuchte entsetzt, Tränen der Verzweiflung stiegen ihr in die Augen. Was war das hier nur für ein Ort? Oh nein! Bitte, bitte nein… Anfangs war der Schmerz erträglich, es war mehr der Schrecken der ihr zusetzte, dann aber begann die Maschine ihr grausiges Werk. Die Schläuche hinter den Spritzen begannen deutlicher zu pulsieren. Irgendwo im Raum zischte es laut. In den Kanülen entstand ein Unterdruck, der dafür sorgte, dass eine milchig weiße Flüssigkeit aus Jazz herausgetrieben wurde. Der entstandene Sog schien sich in ihrem gesamten

Körper auszubreiten. Unerbittlich! Tropfen für Tropfen zog das Gerät aus ihr heraus. Schubweise und quälend langsam. Jazz hatte das Gefühl, als würde jede einzelne Zelle aus ihr herausgerissen, zerschnitten und dann mit rostigen Klingen ausgeschabt. Sie krampfte, zuckte, verlor dir Kontrolle über den eigenen Körper. Es war, als hätte sie einen vernichtenden Krampf mitten in der Wirbelsäule. Nur die Gurte mit denen sie gefesselt war verhinderten, dass sie sich aufbäumte, den Rücken durchbog und ihn derart überstreckte, dass er daran zerbrach. Sie war unfähig zu sprechen oder auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu

fassen. Stumm öffnete und schlossen sich ihre Lippen. Gefangen in einer unbeschreiblichen Agonie flehte ihre Seele nur darum, dass es aufhören oder sie endlich sterben möge. Nun war auch klar, warum ihr Meynhardt das Energetikum gespritzt hatte. Sie benötigte jedes Quäntchen Kraft, wenn sie diese Tortur überstehen wollte. Mit einem schnellen Ruck zog Meynhardt die Spitzen zurück. Der Schmerz verschwand augenblicklich. Der Arzt nickte zufrieden. Jazz nahm es kaum wahr, kraftlos sackte sie in sich zusammen. Meynhardt legte ihr seine nadelbewährte Hand auf die Brust. „Sehr gut!“ flüsterte er. Dann fuhren die

Nadeln langsam den Torso hinab, glitten unheilvoll langsam über den Stoff des OP-Hemdes nach unten, bis sie den Bauch erreichten. „Bitte nicht!“, flüsterte Jazz, wusste aber längst dass ihr Flehen sinnlos war. „Es ist nur zu deinem Besten!“, antwortete Meynhardt. Wieder stachen fünf Nadeln durch die Haut. Diesmal in das Gebiet rund um den Nabel. Jazz warf sich ein weiteres Mal vor Schmerzen in die Gurte. Und endlich konnte sie schreien. Schrill ließ sie allem Schmerz freie Bahn. Sie warf den Kopf hin und her und wusste plötzlich, dass sie Meynhardt töten würde. Es war keine längere Überlegung sondern eine

plötzliche Erkenntnis. Wie selbstverständlich, glasklar, war sie einfach da. Sollte Jazz die Tortur überstehen, irgendwie, würde sie sich dafür rächen. Sie musste es! Wenn sie jemals wieder lächeln wollte, musste sie ihn dafür büßen lassen. Dann war auch dieser Teil beendet. Meynhardt zog die Nadeln aus seiner Patientin und bescherte ihr so erneut etwas Linderung. In den Glaszylindern der Spritzen befand sich diesmal eine tiefgrüne Flüssigkeit, die ebenfalls durch die Schläuche hindurch abgepumpt wurde. „Wir kommen gut voran, meine Liebe!“, sagte er und lächelte sanft. „Einmal noch, dann hast

du es überstanden.“ „Nein! Nein! Nein!“ Tränen der Verzweiflung rannen Jazz aus den Augen. „Bitte nicht, bitte ich flehe Sie an…“ Meynhardt besah sie mit einem Blick der voller Verständnis war und gerade deshalb nur umso grausamer wirkte. Zärtlich streichelte er ihr mit dem Rücken seiner Nadelbestückten Hand über die Wange. „Ich weiß, dass es für dich im Moment sehr schwer zu verstehen ist aber ich erweise dir hier einen großen Gefallen. Wahrscheinlich den größten deines bisherigen Lebens!“ „Nicht!“, schluchzte Jazz mit erstickter Stimme.

„Bitte!“ Diesmal rammte Meynhardt ihr die Nadeln direkt in den Hals und wieder vollführte die Maschine ihren grausamen Dienst. Tiefschwarze, teerartige Tropfen förderte sie während dieses Vorgangs zu Tage, sog immer mehr aus dem Körper heraus und reinigte ihn mit unnachgiebig grausamer Perfektion. Dieser letzte Akt der Säuberung war Zuviel für Janyce gemarterten Körper. Einen letzten verzweifelten Schrei stieß sie aus, lauter und schriller als alle zuvor, dann versank ihr Geist erneut in gnädiger Bewusstlosigkeit. Nur wenige Minuten vergingen, bis sie

wieder zu sich kam. Einen gnädigen Augenblick lang wusste Jazz nicht wo sie war, glaubte sich geborgen und in Sicherheit, dann aber brachen die Erinnerungen an alles was geschehen war über sie herein. Entsetzt fasste sie sich ins Gesicht, schluchzte verzweifelt, bemerkte dann aber, dass sie sich bewegen konnte. Ich bin frei? Wer wusste schon wie lange das so bleiben würde? Jazz setzte sich auf. Ihr schwindelte ein wenig, also stützte sie sich mit den Händen ab. Flucht war ihr einziger Gedanke, sie musste nur einen Moment zu Kräften kommen und sich

sammeln. „Herzlichen Glückwunsch!“, erklang eine Stimme hinter hier. Es war Meynhardt. Jazz zuckte zusammen als ob sie jemand geschlagen hätte. „Wagen Sie es nicht, mich noch einmal anzufassen!“, keuchte sie entsetzt. „Wieso sollte ich? Alle Behandlungen sind abgeschlossen. Du bist gesund und munter. Wenn du möchtest, kannst du gehen. Lass es die nächste Zeit nur etwas ruhiger angehen, du bist noch nicht ganz bei Kräften. Ab und zu solltest du herkommen, damit ich deinen Verband wechseln und einen Blick auf deine Verletzungen werfen kann, ansonsten aber steht es dir frei zu tun

und zu lassen, was immer du möchtest.“ Nachdenklich ließ Janyce ihre Hand über den Verband gleiten. Er reichte von der Schulter bis zum Handgelenk hinab und sorgte dafür, dass die Bewegungsreichweite des Arms stark eingeschränkt war. „Ich kann gehen? Einfach so?“ „Natürlich! Du bist eine Patientin, keine Gefangene.“ Ehrlich amüsiert nickte Meynhardt zur Tür. „Und hiermit als geheilt entlassen. Bedenkt man das Ausmaß deiner Verletzungen, kann man schon fast von einem vorbildlichen Genesungsprozess sprechen.“ „Vorbildlich?“, brach es empört aus Jazz heraus. „Sie Arsch haben mich fast zu

Tode gefoltert. Bei dem was Sie mir alles angetan haben, kann man ja wohl kaum von einer vorbildlichen Heilung sprechen. Wichser!“ Die Worte hatte Jazz im Zorn ausgespien, bevor sie darüber nachgedacht hatte. Sie erschrak, wollte weg. Hektisch schwang sie ihre Beine vom Tisch und sprang auf die Füße. Ihre Knie schlotterten und ihr wurde für einen Augenblick schwarz vor Augen. An eine Flucht war nicht zu denken, Janyce hat mehr als genug damit zu tun sich aufrecht zu halten. Sie fluchte innerlich. „Dieser Undank!“, flüsterte Meynhardt durch seine scheußliche Maske hindurch.

Er seufzte leise, dann trat er einen Schritt nach vorne. Mit einer unerwartet schnellen Bewegung griff er Janyce in den Nacken und packte fest zu. Er war erstaunlich stark und auch wenn er die ekelhaften Spritzen inzwischen entfernt hatte, tat dies seiner Brutalität keinen Abbruch. Unwirsch zog er Jazz mit sich durch den halben Raum und stoppte erst, als sie einen halb erblindeten Wandspiegel erreicht hatten. „Sieh hinein!“, sprach er in einer Stimmlage, die keinen Widerspruch erlaubte. „Sieh in den Spiegel! Sieh, was dank meiner angeblichen Folter aus dir geworden ist.“ Jazz gehorchte, die eisenharte Hand in

ihrem Nacken ließ keinen Wiederspruch zu. Zögernd hob sie den Blick und erstarrte. Das Glas war stark angelaufen, weshalb ihr Ebenbild etwas verzerrt wirkte, trotzdem waren die Details recht gut zu erkennen. Einen Augenblick lang wusste Jazz nichts mit ihrem Ebenbild anzufangen. Es zeigte eine junge Frau, die vor Kraft und Energie nur so zu strotzen schien. Die Ringe unter den Augen waren verschwunden, ihre kränklich aufgedunsene Haut hatte sich gestraft und selbst der blasse Teint ihrer Wangen hatte sichtlich an Farbe gewonnen. Sogar ihr Haar wirkte nun voller, in keinster Weise erinnerte es mehr an die kraftlos herabhängenden

Strähnen aus der Vergangenheit. „Siehst du es?“, fragte sie Meynhardt mit zorniger Stimme. Jazz war unfähig zu sprechen und nickte nur. „Wie…?“, setzte sie an, stockte dann aber. Sie hatte einen Kloß im Hals und kämpfte mit den Tränen. „Ist dir eigentlich klar was für ein wundervolles Geschenk ich dir gemacht habe? Du bist vollständig geheilt! Ich habe dir deine Gesundheit zurückgegeben, ein kostbares Gut, dass du Zeit deines Lebens mit Füßen getreten hast. Du hattest die Schmerzen die dafür nötig waren, mehr als verdient und ich hoffe für dich, dass sie dir für alle Zeiten eine Lehre sein

werden!“ Jazz wusste nichts darauf zu antworten. Fassungslos fasste sie sich an Wange und Augen, strich sich über die Stirn. Sie staunte, lächelte, und konnte sich an sich selbst nicht sattsehen. Wie schön sie war. Plötzlich erfüllte sie ein tiefes Gefühl der Scham. Sie sah zu Meynhardt hinüber, eben noch hatte sie ihm den Tod gewünscht. Er hatte ihr ganz ohne Zweifel eine Menge unbeschreiblich grausamer Dinge angetan, ihr gleichzeitig aber auch einen großen Dienst erwiesen. Wie reagierte man auf so etwas? Mit Hass? Mit Dankbarkeit? Mit Vergebung oder Wut? Jazz wusste es nicht und war darüber zutiefst verwirrt.

Der Arzt schien sich für ihren Gewissenskonflikt in keinster Weise zu interessieren. Unbeirrt fuhr er mit seinen Ausführungen fort. „Meine Behandlung hat noch einen weiteren Effekt über den du informiert sein solltest. Die außerordentlich gründliche Säuberung deines Körpers hat dafür gesorgt, dass du niemals wieder auf eine Droge ansprechen wirst. Das gilt für jede nur erdenkliche chemische Verbindung. Du kannst dich natürlich ganz normal ernähren, niemals wieder aber wirst betrunken sein oder dich einem Rausch hingeben können. Das ist für alle Zeiten vorbei. Von heute an, wirst du dich jedem kommenden Problem

bei vollstem Bewusstsein stellen müssen.“ „Ich werde es versuchen!“ Jazz nickte und konnte sich an ihrem Spiegelbild noch immer nicht sattsehen. „Ich sehe so gesund aus. Wie ist das möglich nach all dem was Sie mit mir gemacht haben?“ „Die Behandlungen war, trotz aller negativen Nebenwirkung eine große Erholung für deinen Körper. Jede einzelne deiner Zellen strotzt nun vor Kraft und Gesundheit. Die paar Strapazen die du durchleiden musstest tun dem Gesamtbild da keinen Abbruch.“, antwortete Meynhardt und lockerte seinen Griff. „Aber genug davon. Ich schlage vor, du gehst ein

wenig nach draußen und schnappst frische Luft. Beweg dich ein bisschen und mach dich mit deiner neuen Umgebung vertraut. Wenn du durch die Tür da vorne gehst, gelangst du in einen Flur der dich nach draußen ins Dorf führt. Sieh dir in Ruhe alles an, danach reden wir erneut.“ Jazz nickte stumm. Endlos viele Fragen schwirrten ihr durch den Kopf, zu viele um sich zu diesem Zeitpunkt mit ihnen zu beschäftigen. Als erstes musste sie ihre Gedanken ordnen und die vergangenen Geschehnisse verarbeiten. Meynhardt, wandte sich von seiner Patientin ab. „Bevor du hinausgehst, solltest du dir vielleicht etwas

überziehen. Im Flur findest du linker Hand einen kurzen Gang. Dort befindet sich die Kleiderkammer. Sie ist ausgeschildert, du kannst sie unmöglich übersehen. Keine falsche Scheu, nimm dir einfach was dir gefällt. Es gibt dort mehr als genug. Oh und vergiss nicht, dir eine Jacke mitzunehmen. Du erinnerst dich sicher an die Kälte dort draußen.“ „Vielen Dank, Dr. Meynhardt.“ Der Arzt hatte ein furchterregendes, vollkommen abnormales Äußeres, außerdem war er ein rücksichtsloser Mistkerl der seine Patienten schlechter behandelte als ein Schlachter sein Vieh, aber er hatte ihr das Leben gerettet und sie von ihrer

Sucht befreit. Warum auch immer er es getan hatte, sie schuldete ihm Dank dafür. Jazz warf einen letzten ungläubigen Blick in den Spiegel und ging dann hinaus. Nicht nur der Behandlungsraum, auch der Flur wirkte, als gehöre er zu einem verlassenen und halb zerfallenen Gebäude. Schmutz und Staub überzogen alle ersichtlichen Oberflächen, Spinnweben hingen in den Ecken und von der Decke herab. Auf halbem Weg stand eine fahrbare Krankentrage, der allerdings ein Rad fehlte. An unzähligen Stellen wellte sich die Tapete von der Wand.*Wo bin ich hier nur hingeraten?* Jazz verdrängte den Gedanken.

Stattdessen versuchte sie, sich auf das Wesentliche zu konzentrierten, den Weg hinaus. Sie musste dieser Hölle entkommen. Irgendwie einen Weg nach Hause finden und diese ganze Scheiße einfach hinter sich lassen. Ohne weiteres Zögern begab sich Jazz in die beschriebene Kleiderkammer und glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Der Raum war nicht nur groß, sondern auch bis in die hinterste Ecke mit Regalen zugestellt. Jedes Einzelne vollgestopft mit Kleidungsstücken jeglicher Art. Hosen, Röcke und Shirts. Hemden, Pullover, Kleider und Jacken. Mehrere Fächer voll frisch gestärkter Unterwäsche, andere wiederum mit

dutzenden Schuhen zugestellt. Paarweise und blitzblank geputzt. Einen Moment lang überlegte Jazz wie ein einziger Arzt wohl an derart viele Klamotten kommen konnte und wie es ihm gelungen war, sie alle derart sauber zu halten. Dann aber verwarf sie den Gedanken und ließ die Frage ohne Antwort. Die Freude über saubere Bekleidung, auf etwas das menschenwürdiger war als der schmutzige Fetzen Stoff den sie am Leibe trug, war so groß, dass Jazz für einige Momente all ihre Sorgen vergaß. Jazz genoss es in den Sachen zu wühlen und sich ein passendes Outfit zusammenzustellen. Für wenige

Augenblicke vergaß sie all die Schrecken, die sie hatte durchmachen müssen und konnte einfach nur Frau sein. Auch wegen ihres verletzten Armes dauerte es eine ganze Weile bis sie mit sich zufrieden war, letztendlich jedoch entschied sie sich für eine bequem sitzende Jeans, einen dicken schwarzen Wollpullover mit weiten Ärmeln und dazu farblich abgestimmte Boots. Ein gut erhaltener Ledermantel rundete das Bild ab. Zufrieden mit ihrem neuen Äußeren durchquerte sie kurz darauf ein weiteres Mal den Flur und trat schließlich durch die große Eingangstür hinaus in die Nacht. Wieder lag die Welt

im Dunkeln, einzig erhellt durch einen viel zu groß wirkenden Mond, der voll und silbrig glänzend am Himmel stand und alles unter sich in fahles Zwielicht tauchte.

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Alcatras
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Gillegan So, noch schnell Teil 2 verschlungen. Die nächsten Teile dann in den kommenden Tagen. Bis hierhin weiterhin eine runde Nummer. Toll gemacht und konsequent in einem Schreibstil geblieben. Ich schätze es immer wenn sich ausreichend Zeit genommen wird, um dem Leser das Kopfkino anzuschmeissen.
LG
Christian
Vor langer Zeit - Antworten
Terazuma Der Arzt ist mir mehr als suspekt. Eigentlich ist mir alles dort suspekt.
Auch wenn die Kleidung modern zu sein scheint, werde ich das Gefühl nicht los, dass alles dort irgendwie verfallen ist und das Dorf auch nicht normal sein wird. Irgendwas hat es da.
Außerdem ist es ja auch nicht so selbstverständlich, dass Guhle zum alltäglichen Leben gehören. Dass Jazz das nicht gewundert hat, wundert mich jetzt. ^^ Aber sie war ja auch in einer Ausnahmesituation. Ich weiß nicht, was ich alles nicht mitbekommen hätte, an ihrer Stelle!
LG Terazuma
Vor langer Zeit - Antworten
Alcatras Vielen Dank! All deine Fragen klären sich natürlich im Lauf der Geschichte und ich hoffe, dass der Weg bis dahin interessant bleibt. :)
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AnniSorglos Rundum gelungene Fortsetzung!!
Gefällt mir sehr gut!
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Alcatras Vielen Dank ! :-)
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