Die Abenteuer des Küken Klaus
An einem wunderschönen Sommertag erblickte das Küken Klaus das Licht der Welt. Es hat einige Stunden gedauert, bis sich Klaus durch die Eierschale gepickt hat und nun lag er im Nest, noch feucht und ziemlich erschöpft. Da war er nun und das Geschnatter im Hühnerstall war groß. Alle Hennen und der Hahn kamen, um ihn zu bestaunen. Die Glucke, seine Mama, stupste ihn behutsam an und nahm ihn unter ihre Fittiche, denn Klaus, so nannte sie ihn fortan, brauchte noch viel Wärme. Immer wieder wurde es nun laut im Stall, denn
es schlüpften viele neue Küken. Klaus war froh, dass er sich erst einmal ausruhen konnte und so langsam wurde es ruhig und ganz still. Die Sonne ging unter und es wurde Nacht. Alle Tiere schliefen schon, als der Fuchs Fridolin sich aus dem Fuchsbau zum Bauernhof aufmachte. Er spitzte immer wieder seine Ohren. Dadurch konnte er kleinste Bewegungen im Dickicht ausmachen. Er hörte Mäuse und Hasen, jedoch wusste er auch, dass es im Bauernhof Nachwuchs bei den Hühnern gegeben hatte. Jeden Tag war er dorthin geschlichen und hatte das Federvieh beobachtet. Lange saß er im Gras und schaute den Hühnern zu. Ihm
lief schon das Wasser im Munde zusammen und sein Magen knurrte, wenn er an die Leckerbissen im Hof dachte. Nicht mehr lange, das wusste er, und dann würde er zuschlagen, aber nicht heute Nacht.
Der nächste Morgen nahte. Der Hahn wurde von den ersten Sonnenstrahlen geweckt und begann zu krähen. Dabei machte er sich ganz groß und stolzierte herum. Sein Kamm schwoll an und jeder sollte es hören: “Kikeriki, das ist mein Revier.” Immer wieder krähte er und alle auf dem Hof wurden wach. Auch Klaus wurde munter. Seine Mutter führte ihn hinaus aus dem Stall.
Das war ziemlich aufregend für Klaus und er piepste wie verrückt, damit seine Mama ihn nicht verlor. Er rannte immer hinter ihr her und schaute, was sie nun machte. Zuerst scharrte sie mit ihren Füßen im Sand und dann, kam etwas langes sich bewegendes Etwas aus dem Boden. Seine Mama zog es aus dem Boden und verschlang es. Klaus fragte: “Mama, was war das denn?” “Das war ein Regenwurm. Er schmeckt sehr gut. Du kannst ihn jedoch noch nicht essen, dafür bist du noch zu klein. Sieh` mal hier!”, und die Mama zeigte auf eine Ameise, “diese kannst du essen und noch andere Insekten, wenn sie nicht zu groß sind.”
Den Bauernhof führte ein älteres Ehepaar. Sie hießen Elsa und Alfred. Auf dem Hof gab es nicht nur Hühner, es gab Schweine, Kühe, Pferde, Kaninchen, Katzen und auch einen alten Hund. Sein Fell war schon grau und seine Knochen schmerzten ihn schon einige Zeit. Sein Name war Harry und er war der Wachhund der Familie.
Klaus war sehr neugierig und während die anderen Hühner sich in der Hitze der Mittagssonne in den Schatten ihres Stalles aufhielten, schaute Klaus sich auf dem Bauernhof um. Gerade kam die alte Frau Elsa aus dem Haus. Sie brachte den Hühnern neues frisches
Wasser und für die Küken streute sie zusätzlich noch Haferflocken aus. Der alte Mann Alfred ging zu seinem Hund Harry und kraulte ihn. Harry freute sich sehr darüber. Er wedelte mit dem Schwanz. Als Alfred weiter ging, lief Klaus zu ihm hinüber. “Hallo”, ich bin Klaus und wer bist du?” “Ich bin Harry, der Hofhund.”
“Was machst du so den ganzen Tag?” “Ich bewache den Bauernhof, ich passe auf, dass keine Diebe hierher kommen und verjage sie dann.” “Wie machst du das?”, wollte Klaus wissen. Dann zeigte ihm Harry seine scharfen Zähne und bellte laut. Klaus erschrak fürchterlich und meinte: “Da würde ich aber auch
weglaufen”. Harry musste über diesen kleinen lustigen Kerl lachen. “Geh` jetzt lieber wieder in den Stall, es ist auch am Tag gefährlich auf dem Hof.” “Warum?”, fragte Klaus ungläubig. Harry antwortete: “Weißt du, es gibt für kleine Küken, so wie dich, viele Feinde. Nicht nur vom Boden aus bist du ein leichtes Opfer, auch aus der Luft bist du ein gefundenes Fressen und musst dich in Acht nehmen. Du musst aufpassen vor den Krähen, dem Adler, dem Habicht und dem Falken. “Na, da sagst du aber etwas”, schnaubte Klaus. “Ich möchte spielen mit den anderen Küken und singen und tanzen und springen und du sagst solche
schlimmen Sachen. Du musst mich dann eben behüten, dafür bist du doch da?” “Ja, sagte Harry, das mache ich ja auch. Aber ich bin eben nicht mehr der Jüngste und ich bin nicht mehr so schnell, wie früher. Darum musst du auch selber aufmerksam sein.”
“Ja, ja.”, meinte Klaus verdrossen. “Das macht aber gar keinen Spaß.”, und ging zurück zu seiner Mutter. Am späten Abend, nachdem die alte Bauersfrau die Hühner in den Stall brachte, war Klaus sehr nachdenklich. So hatte er sich sein Leben nicht vorgestellt. Immer sollte er vorsichtig sein. Als er schon fast eingeschlafen
war, hörte er ein leises Kratzen. Es wurde immer lauter und kam näher. Klaus war jetzt hellwach. Er wartete auf das Bellen von Harry. Jetzt konnte er ganz deutlich ein Wühlen und Buddeln vernehmen und wollte schon lospiepsen, als plötzlich der Fuchs Fridolin vor ihm stand. Mit einem schmutzigen Gesicht und gefletschten Zähnen trat er vor. Klaus war starr vor Schreck und kein Ton kam aus seinem Schnabel. Er wollte rufen, aber das Entsetzen lähmte ihn seine Beinchen und seine Stimme. Er fiel in Ohnmacht und so bekam er nicht mehr mit, wie der Fuchs Fridolin 2 Hühner und ihn in sein Maul stopfte und durch das Loch
im Stall und die Lücke im Zaun auf das Feld lief. Schnell, so schnell ihn seine Pfoten tragen konnten, war der Fuchs im Wald verschwunden, dem Wald, der am Ende des Feldes lag und der finster und tief war.
Klaus wachte auf. Um ihn herum war es dunkel. Es roch moderig, feucht. Er befand sich im Fuchsbau. Rings um ihn herum waren Federn verstreut. Klaus war zutiefst geschockt. Gerade noch war er bei seiner Mutter im Stall gewesen, warm und behütet und nun? Er zitterte am ganzen Körper und musste sich beruhigen. “Klaus”, dachte er, “reiß dich zusammen. Du willst nicht
gefressen werden, also musst du hier raus.“ Und so versuchte Klaus sich zu orientieren. Er lief einen Gang entlang und kam zu einer Verzweigung. “Nanu? welcher ist der richtige Weg.“ Keinesfalls wollte er dem Fuchs in die Arme laufen und so horchte er in den Bau hinein. Da, er hörte ein leises Schnarchen, aber wo kam das her? Langsam schlich Klaus den rechten Gang entlang und bemerkte, dass das Schnarchen lauter wurde und dann, wie aus heiterem Himmel, lag Fridolin vor ihm. Alle Viere von sich gestreckt lag der Fuchs auf dem Rücken. Er schlummerte vor sich hin mit einem dicken Bauch. Ganz leise ging Klaus aus
dem Gang zurück und nahm dann den linken Weg. Endlich, endlich konnte er den Hauch der Abendluft spüren und nach kurzer Zeit stand er im Freien. Immer noch zitternd vor Angst dachte er nur an eins - weglaufen -. Doch weit kam er nicht. Die Eule Erwin wurde auf ihn aufmerksam. Eulen sind nachtaktiv, können sehr gut hören und außerdem war das Küken mit seinem gelben Gefieder auch im düsteren Unterholz leicht zu erkennen. Erwin sprach mit seiner tiefen Stimme: “Uhu, wer bist du und was machst du so spät noch hier im Wald?”. Klaus erschauderte fürchterlich und mit piepsender Stimme antwortete er: “Ich bin Klaus und bin
dem Fuchs entwischt. Ich möchte so gerne einfach nur wieder nach Hause auf den Bauernhof.” “Oh“, sprach Erwin, “das ist ein sehr langer Weg und bei Nacht viel zu gefährlich für dich”. Dann schwang sich Erwin vom Ast und landete neben Klaus. Die Eule nahm Klaus mit in seine Baumhöhle und dort schlief Klaus dann ein. Die Eule musste noch jagen gehen und nachdem sie 2 Mäuse gefangen und verspeist hatte, legte sie sich auch zur Ruhe.
In der Zwischenzeit ist der Fuchs Fridolin in seinem Bau erwacht und freute sich auf sein Frühstück. Er wurde fuchsteufelswild, als er Klaus
nicht fand. Wo war das Küken hin? Fridolin hatte einen guten Geruchssinn und so verfolgte er die Spur von Klaus bis zu dem Baum, in dem Erwin, die Eule lebte. Er konnte es sich nicht erklären, wo war das Küken bloß? Er schnüffelte und schnüffelt um den Baum herum, konnte aber die Spur nicht mehr aufnehmen. So ging er unverrichteter Dinge wieder zu seinem Bau. Heute Morgen musste er sich ein anderes Frühstück suchen.
Zum Glück wurde Klaus erst Stunden später wach. Die Eule Erwin schlief noch tief und fest, als Klaus einen Blick aus der Baumhöhle wagte. Am Tag
betrachtet war der Wald wunderschön. Er hörte viele Vögel singen. Die Sonne schimmerte durch die grünen Blätter und alles war so prächtig. Unter dem Baum hoppelte gerade ein Hase vorbei. Es war Hans, ein schon sehr alter Hase. Er fraß grüne Blätter vom Boden. Klaus wurde unruhig, denn er wollte ja schnell wieder zurück zu seiner Mama. Er versuchte die Eule aufzuwecken. Das war gar nicht so leicht, denn die Eule schläft am Tage und ist in der Nacht unterwegs. Aber schließlich schaffte es Klaus und bat Erwin, ihn wieder nach unten auf den Boden zu setzen. Erwin tat es auch gleich, denn er wollte und musste weiterschlafen.
Klaus bedankte sich artig für die Hilfe und ging nun auf den Hasen zu, der sich schnell im Gebüsch versteckt hatte, als die Eule nach unten schnellte.
“Glück gehabt.”, schnaufte Hans, als Klaus zu ihm hinüber lief. “Was macht ein Küken im Wald?”, fragte Hans. Klaus erzählte ihm, was er bisher erlebt hatte und bat den Hasen, ihm zu helfen. Hans kannte den Fuchs Fridolin, bisher konnte er ihm jedes Mal entwischen. Er war noch unglaublich schnell.
Vom Bauernhof hatte er gehört. Der lag neben dem Feld, auf welchem das Getreide wuchs, dass Hans gerne fraß.
Aber wie sollen sie zum Bauernhof kommen? Der Fuchs Fridolin war ständig in diesem Gebiet auf Beutefang unterwegs und würde sie bestimmt sofort auf dem freien Feld entdecken. Klaus fing an zu weinen. “Ach, bitte! weine doch nicht. Mir fällt bestimmt etwas ein”, bat der Hase. Das Weinen vom Küken Klaus wurde immer lauter und durchdringender.
Der Maulwurf Max und die Wühlmaus Walli waren gute Freunde und hatten es sich gerade unter der Erde gemütlich gemacht, als sie dieses bitterliche Schluchzen vernahmen. Es klang so
traurig, dass die beiden nachschauen wollten, wer denn da so wimmert. Walli war zuerst oben, Max hatte sich eine Sonnenbrille aufgesetzt, denn er mochte die Sonne gar nicht. Über der Erde angekommen, sahen sie den Hasen und das Küken. “Was ist los?”, fragten sie zugleich. Klaus sah die Beiden und sagte: “Ich bin Klaus und möchte gerne nach Hause auf den Bauernhof, aber der Fuchs Fridolin ist hinter mir her.” “Hm“, meinte Walli, “das ist ja doof“. “Walli!”, rief Max, “Ich habe eine Idee! Wir graben zusammen einen Tunnel bis zum Bauernhof. Wir müssen aber trotzdem sehr leise arbeiten, denn Fridolin kann sehr gut hören.” “Wollt`
ihr das wirklich für mich machen?”, fragte Klaus mit stotternder Stimme. “Ja!!!”, riefen alle im Chor, denn auch der Hase wollte helfen. Er bot an, die Erde vom Tunnel an die Oberfläche zu bringen. Und so machten sie sich gleich ans Werk.
In der Zwischenzeit war die Glucke so traurig, dass sie keine Eier mehr legte. Und auch Harry, der Hofhund, war unglücklich. Er hatte den Fuchs nicht gehört. Es lag wohl an seinem Alter. Er machte sich große Vorwürfe. Auf dem Bauernhof herrschte dennoch ein lebhaftes Treiben. Der Bauer Alfred hatte mittlerweile um den Stall der
Hühner einen Draht angebracht und wenn der Fuchs Fridolin noch einmal versuche würde, sich ein Huhn oder den Hahn zu greifen, würde er sich im Draht verhaken. Am Ende des Drahtes war eine Glocke angebracht.
Nach 3 Tagen aushöhlen, graben, schaufeln war es vollbracht. Der Hase, die Wühlmaus und der Maulwurf hatten es geschafft, einen Tunnel bis zum Bauernhof anzulegen. Klaus, das Küken, hatte kräftig mitgeholfen und mit seinem Schnabel Löcher in die Erde gehackt.
Harry lag vor seiner Hundehütte und
döste in den Tag, als sich direkt vor seiner Nase ein Hügel Erde erhob. Er schaute, wie der Hügel wuchs und dann schob sich ein dreckiges Küken aus dem Erdloch. Klaus fiel fast auf die Nase von Harry, als dieser unerwartet niesen musste. Das Küken kullerte bis zum Hühnerstall.
Die Glucke erkannte ihr Küken und beide umarmten sich vor Freude. Die gute Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf dem Bauernhof und alle Tiere waren an diesem Tag froh gestimmt. Die Pferde wieherten, die Schweine quiekten, die Kühe muhten, die Katzen miauten, die Hühner
gackerten und der Hofhund Harry winselte und wedelte mit dem Schwanz.
Aus der Ferne schauten der Hase, die Wühlmaus und der Maulwurf zu, wie sich alles zum Guten gewendet hat. Auch die Eule bekam die frohe Botschaft zu hören. Und als am Abend die Glocke schellte, wussten alle, dass der Fuchs Fridolin nun gefangen war.