Nach dem Ende der Archontenherrschaft und der Stilllegung der Lebensschmiede, steht Kellvian vor der Aufgabe, die vor Helike gestrandete Armee Cantons sicher zurück zu bringen. Bevor sie die Stadt jedoch auch nur verlassen können, erhalten sie Nachricht von einem Totgeglaubten. Und in der Heimat ziehen bereits dunkle Wolken auf. Andre de Immerson hat seine Pläne, sich das Kaiserreich mit Gewalt untertan zu machen, noch nicht aufgegeben. Und
ohne eine Armee ist alles, was zwischen ihm und der Krone steht eine kleine Gruppe heruntergekommener Abenteurer und eine Handvoll Zauberer. Bildquelle Michaela Schöllhorn / pixelio.de
Die Armee, die aus den Bergen herab kam und sich um die Ordensburg sammelte, ließ den Boden des Tals unter sich verschwinden. Wo vor wenigen Tagen noch grüne Wiesen gewesen waren, hatten die Stiefel von dreißigtausend Männern nur eine Schlammwüste hinterlassen, aus der die Festung der Zauberer wie eine dunkle Drohung zum Himmel ragte. Auch die Bäume im Umland waren größtenteils verschwunden und nährten nun dutzende von Feuern, die das Zeltlager erhellten. Andre de Immerson lief derweil in den
Kammern, die einstmals den Ordensoberen gehört hatten, auf und ab. Er hatte gehofft, mit der Eroberung der Burg seinem Ziel bereits ein gutes Stück näher zu kommen, jetzt jedoch, musste er erfahren, das ihnen nicht nur die Ordensobere selbst entgangen war, sondern das Kellvian tatsächlich zurückgekehrt war… Das könnte für echte Probleme sorgen. Der Raum in dem er sich befand war erstaunlich schlicht, dafür, dass es eigentlich einer der mächtigsten Personen Cantons vorbehalten war. Vermutlich, weil kein Großmeister je viel Zeit hier verbrachte. Meist waren sie im ganzen Kaiserreich unterwegs,
besuchten dort die Niederlassungen des Ordens oder Berieten den Kaiser selbst. Der Raum war groß und wurde durch einen Kamin, der beinahe eine komplette Seitenwand einnahm, geheizt. Schmiedeeiserne Gitter davor verhinderten, das Holz und Funken auf die schweren Teppiche aus Schafswolle gelangten, die davor lagen. In einer Ecke befand sich ein Esstisch aus dunklem Holz vor einem Bücherregal. Direkt neben einem Erkerfenster gelegen, hatte man auch ohne Feuer genug Licht zum Lesen. Die meisten der Bücher jedoch standen längst nicht mehr ordentlich im Regal sondern waren über das ganze Zimmer verteilt. Ein ganzer
Stapel lag auf dem Bett in einer abgetrennten Kammer. Andre hob eines der Bücher auf und überflog den Titel auf dem grünen Samteinband. Wehklagend er Steine – Über das alte Volk. Das war ein Standardwerk, etwas, das vermutlich nicht nur jeder Magier in und Auswendig kannte, sondern auch jeder Gelehrte, der sich jemals vorgenommen hatte, das alte Volk zu studieren. Er ließ es achtlos zurück fallen. Er war es nicht gewesen, der hier dieses Chaos angerichtet hatte, sondern Ismaiel. Nachdem ihnen die Festung in die Hände gefallen war, hatte der seltsame Magier begonnen, die Archive zu durchforsten und sich schließlich
auch den Büchern, die im Quartier der Ordensobersten verwahrt wurden, zugewendet. Offenbar ohne Erfolg, wenn Andre sich die herausgerissenen Seiten betrachtete…. Vermutlich würde er auch nicht finden, was er suchte. Wenn der Orden in einem gut war, dann darin, seine Geheimnisse zu hüten. Noch ein Grund sich Sorgen zu machen. Erland hatte darin versagt, die Zauberer alle zur Strecke zu bringen. Mindestens dreißig waren ihm entgangen und was mit denen war, die in den Enklaven des Ordens über den ganzen Kontinent verteilt waren, wusste er nicht. Vielleicht flohen sie alle in haltloser Panik. Oder sie stellten sich ihm. Wenn sie das taten
hätte er ein Problem…. Ihm selber blieben nur eine Handvoll eigener Zauberer und viele davon mit deutlich unterlegener Ausbildung. Und was vielleicht noch schlimmer war, Ismaiel war ganz ohne Zweifel verärgert… Nachdem er die Berichte von der Schlacht gehört hatte, wollte er den Mann auf keinem Fall einen Grund geben, ihn als Feind zu sehen. Dieser Irre hatte mehr als zweihundert Männer getötet. Weil sie ihm im Weg standen und nicht schnell genug Platz gemacht hatten… Um dann die Magier zu retten, die Erland töten sollte. Manchmal lief einfach nichts nach Plan, dachte Andre niedergeschlagen. Die Herrschaft über
Canton war zum Greifen nah und doch tauchten plötzlich überall Hindernisse auf. Wenn er erst das Kaiserreich kontrollierte, würde sich auch alles sonst zum Besten wenden, dachte er. Nicht nur, das er Kellvian los wäre, er könnte auch endlich Zachary finden und heim holen. Der Junge gehörte schlicht nach Silberstedt. Nicht… in die Obhut einer Verrückten. Das würde er auch noch erkennen, wenn er erst einmal dazu kam, mit ihm zu sprechen, dachte Andre. Wer wusste schon, was Eden ihm eingeredet hatte. Noch war alles offen. Und wenn stimmte, was Ismaiel ihm gesagt hatte, könnte er zumindest Kellvian bald los
sein. Ein Klopfen an der Tür holte Andre zurück in die Gegenwart. ,,Kommt herein.“ Es war Erland, der die Tür aufzog. Der Feldherr trug seinen typischen weißen Umhang, wenn er auch die Rüstung mittlerweile abgelegt hatte. ,, Ihr habt mich rufen lassen ?“ ,, Mir ist euer… Zwischenfall mit Ismaiel zu Ohren gekommen. Wie viel Schaden habt ihr angerichtet, was glaubt ihr ?“ ,, Ich habe eure Befehle ausgeführt.“ , erklärte Erland nur ohne sichtliche Besorgnis. ,, Solltet ihr mir das zum Vorwurf machen wollen, würde ich euch bitten in Zukunft früher darüber
nachzudenken. Aber ich habe sein Gesicht gesehen, Herr… Ismaiels meine ich“ Zum ersten Mal schwang so etwas wie Beunruhigung in der Stimme des Feldherrn mit. ,, Und habt ihr ihn etwa wiedererkannt? Was ist mit euch los, Mann? Ihr tut ja, als hättet ihr einen Geist gesehen.“ ,, Ein Geist. Ich schätze, das trifft es so gut wie alles andere. Dieses Ding da, mit dem ihr euch verbündet habt… ist kein Mensch.“ Meinte Erland das ernst? Andre hatte den Mann für vieles gehalten, aber sicher nicht für Abergläubisch. So konnte man sich täuschen. Solange ihm dieser Aberglaube nicht im Weg stand, schön.
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. ,, Solange er auf unserer Seite bleibt, könnte er ein Drache sein und es würde mich nicht kümmern, Erland. Es gibt andere Dinge, um die wir uns dringend Gedanken machen müssen. Wir haben Berichte aus dem Süden erhalten, nachdem eine Armee aus Richtung Erindal zieht. Unsere… Verbündeten dort haben zwar versucht sie etwas aufzuhalten, aber niemand bei klarem Verstand stellt sich der gesammelten kaiserlichen Garde in den Weg. Vierzigtausend Mann, vielleicht mehr. Sie mussten sie weiterziehen lassen, oder die Garde hätte sich einen Weg frei
gemacht.“ ,, Die Spiegelwaffe, die Ismaiel ersonnen hat, hat uns doch bisher gute Dienste geleistet.“ , meinte Andre. ,, Wir könnten sie auch gegen die Armee einsetzen.“ ,, Im Augenblick haben wir aber nur die Eine, wenn ich das zu bedenken geben darf, Herr. Und das Kaiserreich verfügt nach wie vor über herkömmliche Kanonen. Es ist fraglich, ob uns eine einzelne Waffe viel helfen wird, auch wenn ich zugeben muss, dass sie sich bewährt hat. Die Schmieden in Silberstedt sind schon damit ausgelastet, unsere normalen Truppen zu versorgen… Ich sehe also im Augenblick keinen Weg,
weitere davon zur Verfügung zu stellen. “ ,, Wenn wir es schaffen, die Herzlande oder Teile davon unter unsere Kontrolle zu bekommen, können wir die dortigen Arbeiter beauftragen. Und eure Verbündeten, was ist mit denen?“ Andre strich sich mit einer Hand die Hare aus dem Gesicht, bevor er die Finger vor der Brust zusammenfaltete. ,, Das würde erfordern das sie sich zu erkennen geben. Das will ich noch nicht riskieren. Je weniger Kellvian weiß, desto besser…“ Andre brachte den Satz nie zu Ende. Die Tür flog ein zweites Mal auf, dieses Mal, ohne dass jemand anklopfte.
Ismaiel stürmte, immer noch sichtlich ungehalten, herein. Die Pforte schlug, ohne das Zutun des Mannes, mit lautem Krachen hinter ihm ins Schloss. Er trug seinen gewohnten, schwarzen Mantel und hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Andre hatte es inzwischen Aufgegeben, etwas darunter erkennen zu wollen. ,, Habt ihr also auch euren Weg hierher gefunden ?“ , fragte der Zauberer überraschend kalt. Andre war davon ausgegangen, dass der Mann noch immer vor Wut kochte. ,, Vielleicht erlaubt ihr mir euch von eurem offenbar unfähigen General zu erlösen. Wir hatten sie, bis dieser Narr sich vorgenommen hat,
anzugreifen, statt die Magier gefangen zu nehmen. Ich muss euch nicht erst sagen, das ihr gegen unsere Vereinbarung verstößt, Andre ? Ich bin nicht auf euch angewiesen wenn es sein muss… aber ich glaube ihr wisst nicht, wie sehr euer Erfolg von mir abhängt…“ ,, Eure Falle. Ich verstehe.“ Andre wendete sich dem Fenster zu. ,, Das wird nicht wieder vorkommen… Versprochen.“ ,, Das hoffe ich, Lord Andre… Um Euretwillen. Glaubt nicht, ich werde das Vergessen. Solltet ihr versuchen, mich zu hintergehen, könnte ich zu dem Schluss kommen, das mir ein Kaiserreich unter Kellvian doch besser gefällt als
unter einem Mann, der eine simple Vereinbarung nicht einhalten kann… Wenigstens weiß ich, was ich von diesem… Jungen zu erwarten habe.“ Die Drohung saß. Andre war sich durchaus im Klaren, dass der Mann seine Worte auch wahr machen konnte. Und wohin der Versuch führen würde, ihn daran zu hindern, das hatte er eindrucksvoll demonstriert. Nein. Er wollte ihn ganz sicher nicht zum Feind. ,, Wir werden schon einen Ausgleich für euch finden.“ , meinte er. ,, Was jedoch wichtiger ist… Wann können wir zuschlagen? Ihr sprecht ständig davon und doch bin ich dem Sieg über Kellvian noch keinen Schritt näher. Ich hätte
schon halb Canton überrennen können, während wir hier warten.“ ,, Glaubt mir, das Warten wird sich für uns lohnen. In wenigen Tagen werden alle Elemente an ihrem Platz sein. Vara wird für sie zur Todesfalle. Kellvian verlässt sich darauf, dass wir es nicht wagen würden, die Stadt anzugreifen. Unter normalen Umständen hätte er damit wohl auch Recht. Die Stadtgarde ist immer noch mehrere tausend Mann stark und könnte uns in den Straßen schwere Verluste zufügen, selbst wenn wir die Mauern überwinden. Aber sie werden abgelenkt sein… sie werde nicht wissen was geschieht. Und wir können alle unsere Feinde auf einmal
vernichten.“ ,,Woher habt ihr diese Informationen überhaupt ?“ , wollte Erland wissen. ,, Wir haben schon versucht, Boten und Spione nach Vara zu schleusen, aber ohne Erfolg. Habt ihr einen Kontakt?“ ,, Sagen wir einfach, ich weiß es aus erster Hand. Ihr könnt die Armee zum Aufbrach rüsten. Führt sie hinab ins die Ebenen und lasst sie dort ein Lager aufschlagen. Wir werden Vara nicht in voller Stärke angreifen.“ ,, Ich dachte die Stadt wird gut verteidigt ?“ , erkundigte sich Erland. ,, Mir ist klar, das weniger Männer bedeuten, dass man uns schwerer entdecken kann, aber was nützt uns das,
wenn wir ohnehin erst die Mauern durchbrechen müssen ? Sie hätten so oder so genug Zeit, sich zu organisieren.“ ,,Genau die werden sie nicht bekommen.“ , erklärte Andre an Stelle des Zauberers. ,, Die Tore werden bereits offen sein, wenn wir dort ankommen. Und Ismaiel hat mir versichert, dass die Stadtwache unterbesetzt sein wird.“ Er war sich nach wie vor nicht sicher ob er Verstand, wie der Magier das schaffen wollte, aber er schien überzeugt von sich. Andre würde sich zumindest für den Moment einfach auf ihn verlassen müssen. Auch wenn ihm etwas
an diesem Mann mehr als zuvor einen Schauer über den Rücken jagte. Vielleicht hätte er Erland mehr zuhören sollen, als dieser meinte, der Zauberer sei nicht… menschlich. Am späten Nachmittag schließlich brachen die Streitkräfte dann auf. Ein gewaltiger Malstrom, der aus dem Tal, in dem die Brug lag, hinaus auf die Straßen drängte. Zelte wurden hastig abgebaut. Pferde gesattelt. Schweine und Rinder, die als lebende Vorräte dienten, wurden zusammengetrieben und die verschiedenen versorgungswagen von Schmieden über Wundärzte zusammengepackt. Die Ebenen und Wälder Cantons
breiteten sich wie ein Teppich zu Fuß der Berge auf. Auch wenn es einzelne Erhebungen gab, wirkten diese vor den Gipfeln mehr wie Spielzeug. Und in der Ferne glitzerten die zahlreichen Seen, die Hasparen in weiten Teilen durchzogen. Mit so vielen Männern konnte er die Sümpfe und die dahinter liegende Tundra nicht durchqueren. Und das war auch nicht nötig. Sie würden einen Bogen nach Osten schlagen und sich Vara dann direkt nähern. Andre sah von den Burgmauern aus zu, wie die letzten Truppen sich marschbereit machten und dem Strom aus dem Tal hinaus folgten. Was er vor sich sah, war das Ende des Kaisers. Und sein eigener
Aufstieg.
Er würde bekommen, was er wollte und wenn das hieß, dass er die Herzlande Stück für Stück verbrennen musste. Aber vielleicht war das nicht nötig. Fiel Kellvian ließ er das Kaiserreich ohne Anführer zurück. Das würde viele schon zum Aufgeben treiben. Wenn er es vermeiden konnte, Blut zu vergießen, würde er das tun. Immerhin, am Ende musste noch eine Welt übrig sein, die er beherrschen konnte. Er sah verstohlen zu der schwarz gekleideten Gestalt, die sich neben ihm auf die Mauer gesellte. Und er würde nicht teilen.
EagleWriter Ist ziemlich offensichtlich, glaube ich. Aber die Art wie... nun die dürftest du mittlerweile gelesen haben. lg E:W |
abschuetze oh man, der weiß aber nicht sicher, auf wen er sich eingelassen hat^^ LG von Antje |
EagleWriter Nope.^^ Wie sich auch noch zeigen wird. lg E:W |