Titel
„Ich habe sie geschlagen.“, fing er an.
Wir saßen in einem kleinen Lokal. Er hatte mich gebeten hinzukommen. - Mich dazu gedrängt, passt vielleicht eher. Schließlich hatte er so lange auf mich eingeredet, bis ich zusagte.
Eigentlich hätte ich nicht hingehen dürfen, da ich Alkoholiker bin und versuchte trocken zu werden. Aber immer wieder wurde ich zum Trinken verleitet. In der Zwischenzeit habe ich es aufgegeben, für immer und ewig trocken zu sein. Ich habe meine Phasen, wo ich nichts trinke. Die dauern von ein paar wenigen Tagen, bis zu mehreren
Monaten. Aber ein ganzes Jahr habe ich noch nicht durchgehalten. Versuch es auch nicht mehr. Es hat eh keinen Sinn. Dafür lasse ich mich zu oft verführen.
„Ich habe deine Frau geschlagen.“
„Exfrau. Denn seit geraumer Zeit ist sie ja deine Frau. Und nein, ich habe dir nicht verziehen, das du sie mir ausgespannt hast.“
„Du hast ja recht. - Ich habe meine Frau geschlagen, so, wie du damals.“
„Halt! Ich habe sie nie geschlagen. Es war umgedreht. Einmal hatte ich ihr eine Ohrfeige gegeben, nach dem sie mich zu sehr gereizt hatte und sie hatte dann überall behauptet, das ich sie geschlagen habe. Ich fand es nicht schön,
das mir keiner zuhören wollte. Aber andererseits bin ich daran gewöhnt. Ein Grund, warum ich anfing mit saufen.“
„Es tut mir leid. Auch wegen damals, als ich dich verachtet habe, weil es hieß, du hättest sie geschlagen. Ich habe sie wirklich geschlagen. Richtig. Meine Fäuste habe ich in ihr Gesicht...Getreten habe...“
Weiter kam er vorerst nicht. Er war völlig aufgelöst. Nicht in der Lage weiterzureden. Ich sah ihn an. Stellte mir vor, wie er seine ganze Wut an ihr ausließ. Wie sie zusammengekauert in der Ecke lag und heulte. Sich nicht bewusst war, das es womöglich ihre eigene Schuld war, das er so ausrastete.
Lange genug war ich mit ihr zusammen gewesen. Wusste, wie sie war. Wie gern sie ihren Frust an mir abgelassen hatte. Ich ließ es mir stets gefallen. Wollte doch nur, das sie wieder bessre Laune bekommt und... So ein Scheiß. Wieso habe ich mir das damals gefallen lassen? Ich stehe absolut nicht auf Schläge. Hätte ich ihr damals nur gezeigt wer der Mann im Haus ist, vielleicht...
„Sie hat mich in den Wahnsinn getrieben.“, sprach er weiter, „Ich hatte sie nur gefragt, was los ist, weil ihre Kinnlade am Boden schleifte, als sie von Arbeit kam. Da ging sie plötzlich auf mich los. Beschimpfte mich aufs Übelste. Sie hatte schon öfter miese
Laune gehabt. Mir klargemacht, das sie mit mir nicht drüber reden will. Aber so arg war sie noch nie zu mir gewesen. Und dann auf einmal, ganz ohne Vorwarnung und ersichtlichen Grund, schlug sie mir mitten ins Gesicht. Erschrocken stand ich da. Eine Sekunde später...
Es tut mir leid. Ich weiß selber nicht, was in mir gefahren war. Noch nie habe ich eine Frau geschlagen.“
„Nun weißt Bescheid. Aber ich weiß nicht, warum du es ausgerechnet mir erzählst.“
„Weil du doch mal...und...“
Ich bestellte mir noch ein Bier. Da er zahlte, wollte ich es auch ausnutzen.
Ausgleichende Gerechtigkeit. Zuerst stellte er mich als Schläger hin, ohne die Hintergründe zu kennen und wie es wirklich war. Dann spannte er mir meine Frau aus. Nun saß der Jammerlappen vor mir. Hatte erkannt, wie sie ist und kam damit nicht klar. Ich hatte es satt, anderer ihre Probleme anzuhören. Mir hörte auch keiner zu.
Dann rief sie mich an. Ich wunderte mich, das sie noch meine Nummer hatte. Sonst war sie immer so schnell gewesen, beim löschen von Telefonnummern. Sie erzählte mir das Gleiche, wie er. Nur ein bisschen anders. Wäre auch sonderbar gewesen, wen sie mal was zugeben würde. Doch dann kam etwas
Erstaunliches. Sie entschuldigte sich bei mir. Sagte, das es ein Fehler gewesen sei. Was genau ein Fehler gewesen sei, ging in dem aufkommenden Lärm unter. Denn es begann eine Schlägerei. - Hatten wir nicht eben über das Thema gesprochen? - Ich verschwand aufs Klo. Sicherheit ging vor. Außerdem musste ich eh mal. Da traf sich das ganz günstig.
Ich blieb dort, bis ich nichts mehr hörte. Erst dann traute ich mich wieder aus der Toilette. Es war keiner mehr da gewesen. Also ging ich nach Hause. Schaltete mein Handy aus und wollte nur allein sein. Die Ruhe genießen. An nichts denken. Weder an ihn, noch an sie, oder die Lokalschlägerei. Ich machte
nur einen kleinen Abzweig, zur hiesigen Tankstelle, um gemütlich den Abend ausklingen zu lassen. Wie gesagt, ich bin Alkoholiker. Wenn ich einmal angefangen habe...