La Culebra
Träge blickte Perón da Silva auf das hübsche, dunkelhaarige Mädchen, das mit sinnlichem Hüftschwung die große Wanne verließ. Dampfschwaden umhüllten wie magische Finger ihren wohlgeformten, nackten Körper, während der schwere Duft eines Aphrodisiakums in Peróns Nase stieg.
Genau diese Wohlgerüche, die hier im ‚Anaconda‘, dem wohl anrüchigsten Bordell am Rande dieser Stadt, durch jeden Raum zogen, waren für den Lebemann Perón da Silva ein Grund
mehr, welcher für dieses Etablissement sprach. Selbst wenn es Gerede in der Stadt gab, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Perón war zumindest noch niemals etwas aufgefallen, was dieses Gerücht bestätigt hätte. Im Gegenteil. Perón da Silva, ein einflussreicher Geschäftsmann, wäre hier nicht zum Stammgast geworden, wenn dem so gewesen wäre. Er war ein Genießer und legte Wert auf ein gutes Ambiente und natürlich auf die Freizügigkeit der Mädchen hier, die von ausgesuchter Schönheit und Eleganz waren. Seiner Meinung nach wurden all diese Gerüchte nur von den Matronas in die Welt gerufen, die ihre Männer
reihenweise an die hübschen Mädchen verloren, die hier nach allen Regeln der Kunst das Liebesgewerbe ausübten.
Allein der Gedanke an die schönen Frauen hier ließ Peróns Blut wieder in seine Lenden strömen. Dabei hatte er gedacht, dass ihm nach dem eben Erlebten nichts mehr so schnell wieder erregen könnte. Doch die lasziven Bewegungen, mit denen sich die junge Frau vor seinen Augen abtrocknete, sowie das Aphrodisiakum und der Sekt, den Perón nach dem Liebesakt immer zu trinken pflegte, taten wohl das Ihrige.
Perón da Silva stellte mit einem Ruck
das Glas am Rand des Whirlpools ab. „Komm her!“, knurrte der Geschäftsmann und winkte das Mädchen zu sich, das dieser Aufforderung sofort nachkam. Doch anstatt zu ihm in das heiße Wasser zu steigen, setzte sie sich an den Rand des Pools. Mit ihrem rechten Arm, auf dem, wie bei allen Mädchen hier, eine tätowierte Schlange sich nach oben räkelte, als wäre sie lebendig und nicht nur irgendein Bild, fasste die Prostituierte zu ihm ins Wasser.
„Donna Sierpa sagte mir, dass ich sie rufen sollte, falls Ihre Begleitung Euch angenehm wäre“, hauchte das Mädchen ihm dabei ins Ohr. „Wünscht Ihr es,
Señor da Silva?“
„Donna Sierpa?“, entkam Peròns trockenen Lippen, die sich vor Vorfreude zu einem breiten Grinsen teilten.
Donna Sierpa, die Besitzerin des ‚Anaconda‘, war die schönste und erotischste Frau, die Perón jemals in seinem Leben zu sehen bekommen hatte. Doch egal wie viel Geld er bot, Donna Sierpa hatte ihre Prinzipien. Man konnte hier im ‚Anaconda‘ alles mieten, nur nicht Donna Sierpa. Es hieß, dass sie sich nur ganz spezieller Stammkunden annehmen würde. Dass Perón da Silva nun ebenfalls in diesen erlauchten Kreis
aufgenommen werden sollte, damit hatte der Geschäftsmann nicht so schnell gerechnet.
Mit einem Ruck befreite er sich aus dem Griff der Prostituierten und packte sie an den Schultern. „Oh ja!“, rief er. „Ich wünsche es!“
„Wie ungestüm Sie doch sind, Señor da Silva!“ Die dunkle, rauchige Stimme Donna Sierpas ließ Perón vor Erstaunen zusammenzucken. Statt der dunkelhaarigen Prostituierten saß die unnahbare, schöne Besitzerin des Etablissements am Rand des Pools und sah ihn mit einem unergründlichen
Lächeln unter halbgesenkten Lidern an. Die schlanken Finger ihrer rechten Hand fuhren neckisch über Peróns nassen Oberkörper. Sofort begannen seine gut definierten Muskeln zu zucken, als wären sie unter Strom geraten. Perón legte viel Wert auf sein Äußeres. Dazu gehörte auch ein durchtrainierter Körper. Sein gepflegtes Auftreten hatte ihm schon viele Türen geöffnet.
Der sinnliche Geruch der schönen Frau stieg Perón schwer in die Nase. Jegliche Frage über ihr unnatürliches und plötzliches Erscheinen verschwand genauso schnell aus seinen Gedanken, wie sie aufgetaucht waren. Mit offenem
Mund sah er Donna Sierpa zu, wie sie das enganliegende, schillernde Kleid, das wie eine zweite Haut an ihrem Körper lag, abstreifte, um zu ihm ins Wasser zu steigen. Perón war überwältigt. Donna Sierpas Haut wirkte unnatürlich glatt und wie eingeölt, während sich die tätowierte Schlange auf ihrem Arm langsam über ihren ganzen Körper auszubreiten schien.
„Sie sind ein gutaussehender Mann, Señor Perón“, hörte der Geschäftsmann ihre dunkle Stimme an seinem Ohr, während sich dieser Traum einer Frau an ihn schmiegte. „Es tut mir leid, Sie als Stammgast zu verlieren, doch die Zeit drängt und außer Ihnen gibt es
niemanden, der meinen Kriterien entspricht.“
Perón da Silva hörte Donna Sierpas Worte, doch er verstand sie nicht. Ihr Geruch betäubte ihn und in völliger Verzückung verdrehten sich seine Augen nach oben und sein Kopf sank zurück an den Beckenrand.
Donna Sierpas bernsteinfarbenen Augen wurden heller, beinahe schon gelblich und ihre gespaltene Zunge schnellte hervor, um Peróns Schweiß von seiner Stirn zu lecken. Die Iris ihrer Augen wurde immer länglicher und ihre Bewegungen immer leidenschaftlicher.
Perón ließ alles mit sich geschehen. Er war gefangen von Donna Sierpas Gegenwart, ihrer sinnlichen Ausstrahlung, ihrem betörenden Geruch. Viel zu schnell war alles vorüber und Peròn lehnte erschöpft am Rand der großen Wanne. Zitternd fuhr er sich durch sein dichtes, schwarzes Haar und griff nach dem Sektglas, das er in einem Zug leerte. Donna Sierpa sah ihm dabei lächelnd zu.
Ein paar Tröpfchen Sekt waren auf Peròns Lippen hängen geblieben. Mit einer raschen Bewegung fuhr Donna Sierpa vor. Ihre gespaltene Zunge huschte darüber und nahm sie auf. „Oh
ja!“, sagte sie. „Mein lieber Perón! Stärke dich. Du wirst es brauchen. Ich bin mir sicher, dass aus unserer Verbindung meine Nachfolgerin hervorkommen wird.“ Zärtlich fuhr sie über seinen Bauch.
Perón blickte Donna Sierpa verständnislos an. Jegliche Trance war von ihm abgefallen. Jetzt fielen ihm auch ihre gelben Reptilienaugen und die unnatürlich glatte Haut auf. „Wovon sprichst du?“, fragte er irritiert und versuchte Abstand zwischen sich und der Frau zu bringen. Doch Donna Sierpa rückte nach und drückte Perón ihre Lippen an den Hals. Als Perón den Biss
spürte, fuhr er zurück und wollte mit einem Satz aus dem Whirlpool springen, doch mitten in der Bewegung spürte er wie ihn die Lähmung erfasste.
„Unser Gift ist nicht tödlich“, tröstete Donna Sierpa und fuhr mit ihrem Finger über die Bisswunden auf Peróns Hals. „Es lähmt nur.“ Dann lächelte sie. Besser gesagt, sie zog ihre Lippen auseinander, bis ihre spitzen Eckzähne zu sehen waren. „Sei nicht entsetzt“, fuhr sie im Plauderton fort. „Du wurdest auserwählt, der Vater meiner nächsten Tochter zu werden, die dank dir die nötigen Eigenschaften haben wird, um meine Nachfolgerin zu werden.“ Donna Sierpa
machte eine allumfassende Bewegung. „Alle meine anderen Töchter hier sind wunderbar geworden, doch keine von ihnen hat die Fähigkeit, Nachkommen zu zeugen.“
Perón wollte etwas sagen, doch es gelang ihm nicht mehr. Das Gift hatte ihn, bis auf seine Atmung, vollständig gelähmt. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass all die Gerüchte, die er jemals über dieses Etablissement gehört hatte, der Wahrheit entsprachen. Nur jetzt war es zu spät. Heftiger Schmerz unterhalb seines Nabels fuhr durch ihn. Doch er konnte nichts dagegen tun. Nicht einmal schreien.
Donna Sierpa hatte ihm mit ihrem scharfen Fingernagel die Bauchdecke geöffnet. „Ach ja!“, sagte sie beiläufig, während Perón der Schmerz beinahe die Sinne raubte. „Bei uns brüten die Männer die Nachkommen aus.“ Dann fuhr ihm ihre Hand in seine Eingeweide …
Das Nächste, das Perón mitbekam, war, dass er in einem dunklen, nur mit Fackeln erleuchteten Raum, an den Händen gefesselt, von der Decke hing. Außer ihm baumelten noch weitere Männer, oder besser gesagt deren mehr oder weniger verwesten und verdauten Überreste, ebenfalls von der Decke. Der
Schmerz in Peróns Eingeweiden tobte und bohrte. Donna Sierpa stand vor ihm. Ihre Hand war blutig. „Sorg schön für unsere Tochter!“, sagte sie, während sie ihm über den Bauch strich, der sich bereits leicht vorwölbte. „Und keine Angst, unsere Nachkommen wachsen schnell. Mehr als zwei Wochen wirst du nicht zu leiden haben, bevor sie deine Organe verdaut hat und du stirbst.“ Sie zuckte bedauernd die Achseln. „Danach nähren wir uns eben vom Aas unserer Väter. Wir Schlangenmenschen waren noch nie wählerisch. Das macht uns ja so besonders anpassungsfähig.“
Perón da Silva bäumte sich auf. „Sei
nicht so rebellisch, Perón“, tadelte Donna Sierpa. „Sieh es als die Ehre an, die es ist, unter all den Vätern derjenige zu sein, dessen Tochter mein Imperium weiterführen wird können.“
„Damit kommst du nicht durch, du Ausgeburt der Hölle!“, schrie Perón. „Ich bin ein einflussreicher Mann! Man wird nach mir suchen!“
„Natürlich. Aber niemand wird dich hier finden." Damit wandte sich Donna Sierpa um und verließ die Bruthöhle, aus der sie Peróns Schreie bis zum versteckten Felseneingang begleiteten. Als sie ihn hinter sich verschloss, hörte
man nichts mehr. Zufrieden leckte sich Donna Sierpa mit ihrer gespaltenen Zunge über die Lippen, während sie hinauf zu ihren Töchtern schritt.