Kurzgeschichte
Letzte Gedanken

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"Das letzte Traumbild"
Veröffentlicht am 20. November 2014, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Das letzte Traumbild

Letzte Gedanken

Vorbemerkung

Ein Ranbeitrag zur Storybattle 36.


Ein Bergsteiger-Unfall.






Copyright: G.v.Tetzeli

Cover: Dank an pixabay






Vorgegebene Stichworte:

Eichhörnchen; Baumwurzel, Schatulle Eulenschwinge, musizieren, Inklusion grünstichig, smaragden, Sterne, Zeit Entwurzelt, rauschen.

Vorgegebenes Bild:


Letzte Gedanken

Das Sicherungsseil hatte das schlimmste verhindert. Die Gletscherspalte war wirklich nicht zu sehen gewesen. Er hatte ganz vorsichtig auf dem Gletscher mit dem Stock seines Eispickels vorgefühlt. Er hatte nicht den Fehler gemacht, wie ein Eichhörnchen über den Gletscher zu springen. Und er hatte den vorderen Schuh auch erst allmählich belastet, aber plötzlich war die ganze Oberfläche zusammengestürzt. Er hatte auch keine Chance gehabt sein Gewicht rückwärts zu verlagern. Der Sturz war unumgänglich. Beim freien Fall, bevor ihn das Seil mit Brachialgewalt zurückriss, war er mit dem Kopf krachend an die Eiswand gestoßen.

Nun hing er in der Luft, als er von seiner Ohnmacht erwacht war. Nur wenige Fuß unter ihm schien die Eisspalte festen Grund zu haben. „Karl“, schrie Michael von Oben. Ich habe alles gesichert. „Karl!“ Karl nahm all seine Kraft zusammen. „Alles in Ordnung“, versuche er so laut wie möglich nach oben zu rufen. „Lass noch ein paar Meter nach.“ Langsam ruckelte Karl nach unten, bis er Boden unter den Füßen hatte. Er lag am Grund, fühlte sich matt, aber innerlich fühlte er das Leben strahlen. Der Helm hatte eine Kopfverletzung verhindert, aber sein Halswirbel schien

gestaucht. Das merkte er, als er mit der Helmlampe um sich blickte und es richtig schmerzte. Gleißend, zwischen grün und blau glänzte das Eis. Ein smaragdenes Gefängnis, dachte er. Er wusste, dass sich die Wände deshalb so grünstichig wirkten, weil es von verschieden festen Eisadern herrührte. Außerdem verlor seine Lampe in der Entfernung ihre Intensität und bewirkte so die Anomalie. Was ihn viel mehr beschäftigte, war das Rauschen, das er hören konnte. Das hieß, dass unter dem Gletscher Wasser floss, sich Hohlräume gebildet hatten. Ein ganz gefährlicher Hinweis. Hier konnte er sich nicht sicher fühlen. Sich nicht wie eine Baumwurzel fest krallen. Hier war alles in

Bewegung, stellte er zu seinem Entsetzen fest. „Karl!“ „Ja!“ „Ich hole Hilfe!“ „Keine Zeit“, rief Karl schwer atmend. Es schien so, als ob er eine Schlüsselbein-Fraktur erlitten hatte. Der Schmerz war bissig, so dass er das Gefühl hatte Sterne zu sehen. „Handy! Kein Empfang, aber du hast einen Pager! Kann nicht lange dauern“, brüllte Michael nach unten. „Bist du wirklich ok? Drücke auf den Notruf! Ich habe meinen auch schon ausgelöst. Hörst Du mich?“ Karl versuchte zu scherzen.

„Ich musizierebloß, japste Karl.

„Klingt hier untern großartig! Der Hall und so.“ "Dödel! Ich versuche dich jetzt hoch zu ziehen. Bist du bereit?"

Karls Helmlampe erfasste noch eine kleine Schatulle, die ihm beim Sturz heraus gefallen war. Darinnen ruhte sein Talismann, sein Glücksbringer, ein kleiner Lebensbaum.

Ohne ihn war er verloren, so glaubte er. Im Moment hüstelte er schmerzverzerrt.

Aber gerade als er nach dem Talismann, nach der Schatulle greifen wollte, da riss ihn das Seil fort.


Michael schwitzte und versuchte Karl langsam hoch zu ziehen.

Trotz der 80 Kilo war es zu schaffen, dank der raffinierten Seilanordnung, die eine Art Flaschenzug bildete.

Karl schwebte langsam, wie eine Eulenschwinge nach oben.

Geräuschlos, leblos, unbemerkt und unsichtbar. Michael stöhnte, aber endlich hatte er es geschafft.


Den leblosen Körper zerrte Michael an die Oberfläche und öffnete ein wenig seinen Anorak. An einem Ohr war ein kleines Blutgerinsel zu sehen, das weiter sabberte. „Karl“, rüttelte er ihn ein wenig. „Schatulle“, hauchte Karl. „Welche Schatulle?“

„Unten, Gletscher, entwurzelt, kein Boden, gefährlich.“ „Karl, was ist los?“

Karl war erschreckend blass.

„Ich sehe nur noch Gold, Es blinkt, es kommt herbei, es..Talismann, etwas ist....munter...schön.“ Die zugeteilte Psychologin hatte eine Pfarrersstimme, die sie nun salbadernd einbrachte. „Es ist natürlich schlimm, dass sie ihren besten Freund verloren haben, aber sie müssen zurückkommen.“ Apathisch rieb sich Michael die Augen. Die Psychologin fuhr fort. „Wir kennen diesen Schmerz, aber eine

häufige Konsequenz ist die negative Inklusion, also der Verlust von gesellschaftlichen Teilsystemen. Sie müssen die Realität packen, sich quasi an der Realität neu orientieren.“

„Sie können mich Arsch lecken“, brüllte Michael und stürzte aus dem Zimmer. Michael hatte Karls Frau mitteilen müssen, dass leider die Schatulle mit dem Talisman nicht bei der Leiche zu finden gewesen war.

"Sein letzter Gedanke galt ihnen", log Michael aus Mitgefühl.


Die Gletscherspalte hatte sich inzwischen, wie von Zauberhand, wieder verschlossen.


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Hörbuch

Über den Autor

welpenweste
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CHM3663 Unglaublich schön, spannend und berührend geschrieben!
Und sehr nachdenklich macht diese Geschichte auch, denn man stellt sich unweigerlich die Frage, ob kleine Notlügen nicht manchmal - wie in diesem Fall - erlaubt sein müssen, und man denkt über die Macht des Aberglaubens nach.
Dankeschön und LG, Chrissie
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek 
Traurige Geschichte, Günter, ich hatte die Hoffnung, sie ginge gut aus.

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Ich dachte ja, dass man dieses Bild mit reinstellen muss und hatte mir überlegt, wie man das anstellen könnte, aber das scheint wohl nicht Pflicht zu sein.
Nun Deine sehr fantasievoll geschriebene Geschichte hat mir gut gefallen, wenn sie auch einen tragischen Ausgang hatte.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Das Bild dient der Vorlage und als Grundlage für die eingereichten Storys. Dieses Bild ist zur Verfügung gestellt. Es kann auch nicht in den Beitrag eingefügt werden. Es geht um die Story.
Lg
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
baesta O,k, Danke !
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Tolle Geschichte. Kann die Schatulle doch nicht so blöd sein. Lebensbaum. Talisman. Alles weg und ... nun ist er tot. Hat halt alles seine Bedeutung.
Schaun wir mal, was es bei mir auslöst;)

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Eine atemberaubende und sehr berührende Geschichte aus der Bergwelt, dem Grenzbereich zwischen Tod und Leben, die alle vorgegeben Wörter enthält. Aber ich habe trotzdem Probleme damit, oder bin einfach zu blöd, die Vorgabe des Bilds von dem hässlichen Schmuckstück zu verstehen ... Habe die "Interpretation" irgendwie zu wörtlich ngenommen..
LG fleur

Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Ich habe diese Geschichte auch deshalb eingestellt, weil eine Bildinterpretation bei jedem ein eigenes "emotionales" Schalterchen umlegt. Finde ich das Bild kitschig, blöde, häßlich? Ist es vielleicht nur billiger QVC-Schnösel- Staubfängerkrempel, der Schmuckstücke tragen soll, die dann auch noch häßlich rüber kommen?
Ist es aber auch ein mystisches Omen?
Ich habe in der Challenge gerade betont: Jede Interpretation ist willkommen. Man kann auch an Weihnacht denken, mit wie wenig man erfreuen kann, usw.
Das finde ich gerade den Kick!
Die Bewertung richtet sich nach der Qualität der Story!
Lg
Günter
Prima - dass Du es gelesen hast!
Auf - an die Phantasietasten!
Dass ist doch merkwürdig, dass der Sterbende nicht seine Frau, sondern seinen Glücksbaum als letzten Atemzug ausgehaucht hat. Inwieweit sind wir da mit unserem Aberglaube gesteuert? Hätte er mit Talismann doch überlebt, wie Karl offensichtlich glaubt?
Und inwieweit geht es Michael, der all seine Kraft zur Rettung beigetragen hat, diese verblödete Schatulle am Arsch vorbei? Genauso wie vielleicht der Witwe?
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Weißt du, mein Läppi spinnt irgendwie, ich hatte die betreffende Seite mit dem Talisman, der Schatulle gar niicht lesen können, die war in 3D überblättert worden ... Sorry, ich habe dir Unrecht getan!
Danke noch mal für die Aufklärung!

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Juchee, Danke für alles!
Auf geht's, schreibmäßig meine ich.
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
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