Der kleine Einkauf
"Schatz?! Würdest Du mal kurz eine Besorgung machen? Du hast doch heute alle Zeit der Welt. Nur ein paar Lebensmittel. Den Braten und vor allem Zwiebeln. Die brauche ich auch dringend. Ich habe Dir einen Zettel geschrieben."
Susi säuselte.
Ich versuchte es mit Ausreden, aber dann drängte sich mir ein hinterlistiges Teufelchen auf. Im Supermarkt, da rutschen lauter Weiber herum, flüsterte es. Die gehen alle einkaufen!
"Na gut", ließ ich mich erweichen.
"Vergiss nicht die EC Karte, die ist noch in meiner Handtasche."
"Ja, ja doch!"
Erst einmal musste ich mich um mein Outfit kümmern.
Ich entschied mich für saloppe Jeans einer angesagten Marke und hübschte die Sache mit einem Jackett und einem Seiden-T-Shirt auf.
"Wo gehst du denn hin", fragte das Töchterlein durch meinen Parfümdunst.
"Einkaufen, was sonst?"
Endlich ging es los.
Die fehlende Einkaufsliste wurmt mich, aber da kann man nichts machen. Ich vermute, sie liegt in der Küche. Einfach vergessen! Erinnern kann ich mich lediglich, dass sie in verschiedene Sparten unterteilt war. Pro Haushaltsabteilung ein eigenes Kapitel. Also
Lebensmittel frisch, Lebensmittel Fleisch, Lebensmittel in Dosen, Waschmittel, Tiefkühlkost, usw.
Susi sagt immer, dass man die Preise genau vergleichen muss. Völlig überflüssig! In diesem Monstermarkt gibt es ja alles. Alles, was man nur will. Man braucht nur zuzulangen. Es erspart überflüssige Wege, das herum Eiern von Laden zu Laden. Und vor allem, das ist in meiner Situation am vordringlichsten, man spart Zeit.
Also dann:
Auf in den Kampf!
Ich muss ja nur das Gebäude abfahren. Ich überlege mir also, organisiert wie ich bin, ein Raster zur Durchfahrt durch das Labyrinth, wobei ich an jeder Abteilung und allen
Angeboten vorbei komme. So erfasse ich auch die Sonderangebote. Und wenn ich an den Regalen vorbei defiliere, fällt mir schon ein, was Susi aufgeschrieben hatte. Da brauche ich sozusagen nur einen Gedankenauslöser.
Ich zerre also meinen LKW-Einkaufswagen - warum sind die eigentlich so groß? – durch die Gegend. Siehe da! Das erste Sonderangebot, Lychi in großen Familiendosen. Die sollen doch so gesund sein. Ab in den Korb.
Die Waschmittelabteilung taucht auf. Die lasse ich aus. Wer braucht sie schon? Im Keller hatte ich doch die halbvolle Packung liegen sehen, die den Schaumberg verursacht hat. Die Drogerieabteilung erfordert schon mehr Aufmerksamkeit. Als Belohnung für den
Stresstag gönne ich mir ein teures After Shave. Also weiter.
Das Gemüse sieht gut aus. Ich streite noch ein bisschen wegen Genmanipulation, ökologischem Anbau und wegen der mangelnden Frische der Ware herum, aber der Angestellte rückt kein Jota von seinem ausgewiesenen Preis ab.
Susi soll nicht sagen, ich hätte es wenigstens versuchen können. Ich dampfe mit meinem Containerschiff weiter. Zum Trotz habe ich extra mehr genommen. Die Paprika in der ganzen Steige waren zum Beispiel um 4% billiger!
Ich kann nämlich ökonomisch rechnen!
Inzwischen packe ich noch ein paar
unbedeutendere Kleinigkeiten dazu, wie zum Beispiel für mich eine Funkarmbanduhr. Und ein glücklicher Zufall will es, dass mir die richtige Stichsäge ins Auge fällt. Genau dieses Modell habe ich schon seit langem gesucht. Da heißt es nicht lange fackeln!
Es flutscht nur so.
Eigentlich wollte ich bei der Computerabteilung nicht Halt machen, aber man wird sich doch noch informieren dürfen.
Ganz stolz bin ich auf mich, weil ich keine Gamer-Maus und auch sonst nichts gekauft habe. Ich lasse mich nicht zu sinnlosen Einkäufen verführen, wenn ich für unseren Haushalt sorgen muss. Der USB Speicherstick (128 GB!) hingegen war dringend nötig.
Ich habe das Gefühl, dass die Zeit wie im
Fluge vergeht. Jedenfalls weiß ich jetzt, eine Grafikkarte für den Computer unter 48 Pixelshaders und PCIe Bus überhaupt nicht mehr in Frage kommen kann.
Irgendwie macht der Einkaufswagen einen reichlich überladenen Eindruck, obwohl ich doch nur das wirklich Allernötigste berücksichtigt habe. Ich habe mir sogar den vergoldeten Füller verkniffen und auch Susi hat auf die mobile Trockenhaube verzichten müssen.
Ich glotze mir die Augen aus. Nach schicken, willigen Frauen, nach was sonst?
Es gibt nur sehr wenige, denen das richtige Alter, der richtige Busen und die schicken Stöckelschuhe an langen Beinen anhaften. Und genau diese wenigen Treffer haben an
allem Interesse, nur nicht an mir.
Doch! Eine geeignete hat mich sogar angesprochen:
„Dass Männer immer im Wege sein müssen! Können sie mal ihren Wagen beiseite schieben?“
Das war der kommunikative Höhepunkt.
Die nächste, ein Miss Manga-Typ, löste bei mir tropfende Lefzen aus.
"Kann ich Ihnen helfen?"
"#+*'#s-?"
"Schon in Ordnung, hat sich erledigt!"
Fremdsprachen sind eben nicht mein Ding.
"Könnten sie mir mal die Dose herunter reichen", flötete mich eine Blondine mit Atombusen an. Ich sprang herbei, wie ein Gummiball, als der Bruder von Arnold
Schwarzenegger um die Ecke kam.
"Hast du alles gefunden", fragte er.
"Ja, klar, Bärchen, der KLEINE ging mir gerade zur Hand."
Grrrr!
Also gut, dann eben auf zur Kasse!
Es wird Zeit.
Ich habe bestimmt alles dabei. Kann gar nicht anders sein.
An den Kassen herrscht Gedränge. Praktisch ein Massenauflauf. Dass die Leute alle so gerne bezahlen? Ich stürze mich in das Getümmel. Wichtig ist, dass man mit Argusaugen den Rückstau im Blick hat.
Da!
Ich erspechte eine Kassenreihe, die deutlich kürzer ist. Nichts, wie hin!
Ich wische noch mit einem Ausbremsmanöver vor einer älteren Wetterhexe in die Reihe, die mit ihren gichtigen Hinterläufen keine Chance gegen mich hat. Zufrieden schaue ich zu den anderen Schlangen, die wesentlich länger sind. Ich lächle in mich hinein. Was bin ich doch für ein Tausendsassa.
Aber halt!
Bei den anderen Reihen ist alles in Bewegung, nur in unserer Reihe klemmt's. Nun erst hüpft mir ein Schild in die Pupille.
„Bitte haben Sie Verständnis, die Kollegin wird erst eingearbeitet!“
Fliehen kann ich nicht mehr, da ich bereits eingekeilt bin. Mist! Die da vorne ist aber auch eine Tranfunzel Bei aller Liebe, aber ein Tritt in den Hintern wäre jetzt nicht verkehrt, denke
ich. Ausgerechnet jetzt, da ich doch so in Zeitdruck bin. Ich traue mich schon gar nicht mehr auf die Uhr zu schauen und tue es trotzdem. 19.00 Uhr! Fürchterlich!
„Na, was ist denn nun“, entfährt es mir. „Geht’s denn?“
Ich hoffe, dass jeder es vernommen hat. Vor allem die Bummeldrossel an der Kasse. Ich hüpfe von einem Bein aufs andere. Schnecken würden hier jedes Rennen gewinnen, selbst wenn sie Keuchhusten hätten. In meinem Wagen findet sich noch ein kleiner Zwischenraum und ich fülle ihn mit ein paar Süßigkeiten, einige Überraschungseier und Batterien können auch nicht schaden. So was braucht man immer! Sie liegen sowieso an der Seite auf dem Weg und bei der
Warterei, was soll man denn sonst tun? Eine Packung wieder beschreibbare DVD-Rohlinge gibt es zum Glück auch.
Oh, nein! Da vorne fummelt einer mit einer Kreditkarte herum und die Azubi benutzt das Mikrofon für einen Hilfeschrei. Ich habe aber auch Pech! Es dauert natürlich endlos, bis ihre Helferin erscheint.
„Mann, Mann“, brummle ich gestresst. „Schildkröte, blinde!“
Die vor mir stehende Krähe fängt das Keifen an.
„Sie werden es wohl noch erwarten können! Wir müssen alle anstehen!“
Das vorhin überholte gichtige Weib spuckt Galle von hinten.
"Mich hat er auch weggedrängelt!"
Ich nehme den Kampf in der Arena an. Die alte Mistamsel soll mich kennen lernen! Außerdem bin ich am Ende meiner Geduld.
„Ja, ja, sie schaukeln nur einfach ihren Hintern nach Hause, vorher schauen sie sich im Laden um, wie man etwas abstauben kann, ich aber habe Geschäftstermine!“
Dass sie eine alte Brunzkuh ist, das sage ich ihr vorsichtshalber nicht. Sie würde es mir sowieso nicht glauben.
„Sie Drängler, sie elender“, wirft sie mir entgegen.
Leider sind alle anderen in der näheren Umgebung derselben Meinung.
Speziell ein Hühne von Mann ruft gewichtig:
"Um Dich kümmere ich mich gleich, du Hirnbeisser, du Hosenmatz!"
Das kann ich gar nicht verstehen. Alle anderen wollen sowieso nur miteinander schwatzen. Das könnten sie auch in ihrem Strickkränzchen für gefallene Frauen durchführen, oder im Taubenzüchterverein von Hinterdummsdorf. Den ganzen Tag haben sie Zeit, aber nein, dann wenn überbelastete Menschen ihre wertvolle Zeit opfern müssen, um einzukaufen, ausgerechnet dann rotten sich diese Herrschaften ebenfalls zum Kaufrausch zusammen.
Von hinten schiebt sich nun ein weiß bekittelter Schnösel heran.
„Ich bitte doch höflichst, sich hier anständig zu benehmen!“
Er ist offensichtlich ein höheres Tier in diesem Saftladen. Ich nicke zähneknirschend und
bebe innerlich vor Zorn.
Aber gut, jetzt geht es endlich weiter und das Summen von Volkszorn um mich herum ebbt auch wieder ab. Ich häufe auf das Fließband und wundere mich, welche Sachen plötzlich aus dem Einkaufswagen auftauchen.
Was soll ich eigentlich mit dieser großen Palme? Ach stimmt! Es war ein sehr günstiges Angebot.
An der Kasse sitzt nun jemand Anderer. Ein jüngerer Herr hat die lahme Schildkröte abgelöst. Er tippt mit großer Geschwindigkeit, aber das Meiste geht an dem Laserstrahl vorbei und wird so registriert. Mir ist nur recht, dass er schnell ist, aber mir wäre lieber, wenn er endlich zu einem Ende kommen würde, weil
ich an meine Barschaft denke. Meine Kreditkarte verwest im Anzug und Susies Karte ist erfahrungsgemäß eine leere Hose. Ich sehe die Zahl auf der Digitalanzeige an der Kasse und sehe sie doch nicht, denn sie verschwimmt vor Entsetzen. Ich klaube die Kröten zusammen, aber es reicht nicht.
„Typisch“, meckert man von hinten.
„Erst drängeln und dann den Betrieb aufhalten! Unfassbar!“
„Es ist doch immer dasselbe“, ruft ein anderer.
Der drohende Hühne hat eine recht dunkle, vor allem aber laute Stimme. "Wird's bald, du Latschenbeni, du mieserabliger."
Ich habe keine Muße für ein Gefecht, weil ich einen Satz rote Ohren vor Scham habe.
Ich nestle in allen möglichen Hosentaschen
herum, es kommt aber nur ein einzelner, vergessener Cent zum Vorschein.
Ich muss mich von der Funkuhr trennen.
Die Stichsäge kriegen sie nicht!
Der Mann subtrahiert, aber es reicht immer noch nicht. Also gut, dann geht eben das Beistelltischchen auch wieder zurück. Es war sogar recht teuer, aber dafür auch liebreizend. Na ja, wie gewonnen, so zerronnen. Schließlich hat es doch noch geklappt, als ich den Schweinebraten storniert hatte.
Jetzt bin ich entlassen und schiebe meine Beute zum Parkplatz. Ich erkenne durchaus, dass die Reihe an der Kasse fassungslos den Kopf schüttelt und was sie alle von mir denken. Idiot dürfte noch vorsichtig
ausgedrückt sein. Im Ganzen war das fürchterlich beschämend. Ich belade das Auto. Die Palme macht Schwierigkeiten.
Schließlich ist ein Kleinwagen kein Brummi, aber ich schaffe es doch das Grünzeug hinein zu stopfen.
Nun ab nach Hause!
Als ich gerade den Bierträger aus dem Kofferraum zerre, empfängt mich meine bessere Hälfte an der Haustüre.
"Endlich", ruft sie:
"Die Zwiebeln!
Und kann ich jetzt den Schweinebraten ansetzen?"
"Welche Zwiebeln? Welcher Braten?"