Neben den Anderen
Im Nachbarhaus
hat's gebrannt.
Drei Leute sind gestorben.
Haben ihre dreckigen Erinnerungen mitgenommen.
Wie eine leere Tüte von Aldi.
Grete sagt, ihr täte es leid.
Aber ich glaube ihr nicht.
Ich glaube niemandem der hier lebt. Hier zieht man nicht hin,
hier wird man geboren
und hier stirbt man.
Es ist egal wann und wodurch.
Wenn du den ersten Schlag
in die Fresse bekommst,
kannst du dich schon verabschieden.
Alles was dazwischen liegt
ist Krampf.
Mehr nicht.
In Nummer siebzehn
wohnte Martha.
Sie wäre fast eine Ausnahme geworden. Lernte so ‘nen reichen Typ kennen,
der sie heiraten wollte.
Aber er hat sie nur ein paar Monate flach gelegt und dann war er wieder weg.
Martha blieb hier
und besorgte sich den apothekenpflichtigen Dauerschlaf.
Als man sie MOnate später raustrug,
habe ich geweint.
Martha war ne Gute.
Vierunddreißig Jahre alt.
Ich hätte sie geheiratet.
Aber ich war von hier,
ich war im Viertel entstandener
Biomüll.
Martha hatte genug Scheiße im Leben,
da konnte sie getrost auf mich verzichten.
Jetzt ist sie weg.
Was das bedeutet,
sollen andere beurteilen.
Jedenfalls stand
in der Zeitung stand nichts davon.
Aber im Lokalteil konnte man lesen,
dass die Duisburger Stadtgarde den dritten Platz bei den NRW-Meisterschaften
im Gardetanz belegt hat.
Und sonst stand nichts da.
Nichts von Günter,
der sich im Dachgeschoss erhangen hat,
Nichts von Gaby, die ihr Baby
in den Müllschlucker geschmissen hat.
Nichts von Kalle,
der seine Lorre einfach
mit ner Axt aus der Wohnung getrieben hat.
Nur die Tanzgarde stand da.
Und die ist aus nem anderen
Stadteil.
Unser Viertel wird wegretuschiert. Unsichtbar gemacht.
Das Nachbarhaus
wird demnächst abgerissen.
Sie werden nichts neues hinstellen.
Hier ist Brachland.
Hier investiert keiner.
Nur der Tod.
Und der hat Zeit