Krank
Ich lag seit Wochen im Bett.
Besucher kamen keine.
Wer auch?
Sehr wahrscheinlich
erzählten sich die Nachbarn,
dass ich was Ekliges hätte.
Irgendwas Ansteckendes.
Ne Seuche, oder so.
Wäre ja nicht
das erste Mal.
Ich hörte die Stimmen
im Hausflur.
Monoton und
unaufgeregt.
Jeden Tag die gleichen.
Gerda aus dem Ersten
schlug um 7.15 Uhr
die Türe zu
und schrie ein gelangweiltes:
Bis heute Abend, Schatz.
Dann trampelte sie
ungrazil und unfickbar
die Treppen herunter.
Sehr wahrscheinlich
wünschte sie sich immer,
dass sie nicht
zurück kommen bräuchte.
Ich hatte inzwischen
alle Pornofilme gesehen,
die ich in meiner Sammlung hatte
und hatte das tiefe Bedürfnis,
mal wieder was Echtes zu schmecken.
So was Frisches,
Unverbrauchtes,
Aufregendes.
Aber was sollte ich machen
mit 39 Grad Fieber,
dicken Pusteln im Gesicht
und einem Geruch,
der all das bestätigen würde,
was man im Treppenhaus
über mich erzählte.
Gegen 12.00
Uhr
holte man meinen Nachbarn ab.
Ich hörte es:
Kopper? Franz Kopper?
Ich bitte sie, ihre Sachen zu packen.
Ihnen wird vorgeworfen...
Er war immer so unauffällig.
Vor fünf Jahren soll er
eine Frau in Frankfurt
vergewaltigt haben.
Jetzt hatten sie ihn.
Eine Aera des Leugnens
ging zu Ende.
Die arme Sau.
Ich glaubte ihm immer,
dass er es nicht war.
Erzählte ich ihm jedenfalls.
Egal.
Jedenfalls passierte mal was.
Ich schleppte mich zum Fenster
und sah auf den Hof.
Franz wehrte sich nicht.
Sie schlugen trotzdem
auf ihn ein.
Nichts für ungut.
Aber wenn schon, denn schon.
So war das
immer schon.
Es schneite.
Alles war erstarrt
in glänzendem
Weiß.
Die Bäume sahen aus wie
aidskranke Gespenster.
Ich ging zurück in mein Bett.
Gerührt und überwält
von meiner aussichtslosen
Lebenssituation.
Ich hatte noch drei Scheiben Toast
und einen viertel Liter Milch.
Na ja
und ne halbe Flasche Dimple.
Ich stand wieder auf,
schmierte mir ein Toast
mit Margarine,
schüttete mir den Rest Milch rein
und goß drei Whisky drauf.
Dann ging ich kotzen.
Warum zum Teufel
ist krank sein
so eine verfluchte
ernüchternde Scheiße?
Im Fernsehen lief
das Mittagsmagazin.
Nichts für mich.
Ich legte mich wieder hin
und nahm mir vor zu träumen.
Von ner brasilianischen Lady,
die auf mir sitzt,
von Sonne,
von Strand,
von geilen Drinks.
Ich träumte nichts.
Aber das Kotzen blieb mir treu.
Und wenn schon.
Was hätte ich sonst heute
schreiben sollen.