Vorwort
225 Tage in Südamerika erscheint in mehreren Teilen.
Der erste Teil
Die Überfahrt erzählt die Reise von der Schweiz nach Frankreich und der nachfolgenden Atlantiküberquerung in einem Frachtschiff.
Im zweiten Teil
Uruguay wird von den ersten Reiseeindrücken durch Uruguay erzählt.
Der dritte Teil
Argentinien beschreibt die Fahrt von Osten nach Westen, durch die Pampa und über Berge bis in die Nationalparks Ischigualasto und Talampaya.
Im vierten Teil
Nord-Argentinien stottert unser altes Expeditionsmobil über einen Pass auf fast 5000 MüM, an Flamingos vorbei um an die Grenze Boliviens zu gelangen.
Teil fünf
Bolivien beschreibt unsere anstrengende, aber abenteuerliche Fahrt durchs Altiplano bis nach La Paz.
Text © by Amarillo
Bildermaterial © by Amarillo
November 2014
Peru
Da wir Bolivien schon auf unserer letzten Reise besucht haben, verzichten wir dieses Mal auf einen Ausflug in die Städte Sucre, Potosi und auch des tropischen Tieflands und machen uns, wieder alleine, auf den Weg nach Peru.
Der kleine Grenzübergang bei Desaguadero kommt uns zuerst unwirklich vor. Wir müssen doch tatsächlich durch einen Markt fahren. Und, unser Fahrzeug ist viel zu breit. So fährt mein Partner im Schneckentempo, während ich voraus gehe und da einen Sonnenschirm eines Stands verrücke, hier eine Fahrradrikscha wegstosse, dort wieder ein Gestell mit Schuhen nach hinten schiebe und bitte die restlichen Marktfrauen, ihre Stände etwas umzustellen.
Das Unmögliche ist geschafft, und wir stehen vor dem Grenzhäuschen. Die Stempel sind schnell in den Pass gedrückt und nun geht es über die Brücke zur Einreise nach Peru.
Auch hier findet ein Markt statt und bei der Weiterfahrt wird es nochmals etwas eng, bevor wir auf einer guten Asphaltstrasse zügig weiterfahren können. Den Titikakasee mit seinen Schilfbooten und den strickenden Männern lassen wir hinter uns.
Es ist schon nach 16.30 h und wir halten nach einem Übernachtungsplatz Ausschau. Es wird dunkel, bis wir endlich eine Kiesgrube zur Übernachtung finden. Der nächste Tag entpuppt sich als langer Fahrtag. Wir überqueren den Abra la Raya auf 4312 M.ü.M., verlassen somit den Altiplano
und geniessen die schöne Landschaft. Zum Glück wissen wir, wo etwa der Campingplatz in Cusco liegt und fahren, nicht wie unser Navi vorschlägt in die enge Altstadt, sondern auf Nebenstrassen bei einbrechender Dunkelheit zu unserem Ziel.
Inka-Reich
Die Inka besiedelten um 1300 das peruanische Hochland um Cusco. 1438, unter ihrem Herrscher Pachacuti (Verwandler der Welt), begann eine Phase der Expansion, die grosse Teile des heutigen Peru und Bolivien unter ihre Gewalt brachte, ein Reich, das sie Tawantinsuyu (die vier zusammengehörigen Gebiete) nannten. Etwa 1470 besiegten sie ihren gefährlichsten Rivalen, die Chimú, deren Hauptstadt Chan Chan sie einnahmen. Ihr Gebiet reichte um 1493 nördlich bis nach Quito (Ecuador).
Hierarchie, Verwaltung, Religion
Pachacuti und sein Sohn Tupac Inca schufen einen riesigen Bundesstaat aus vier Provinzen, die jeweils von einem Statthalter verwaltet wurden. An der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie befand sich der Sapa Inca, ein in politischen und religiösen Angelegenheiten absoluter Herrscher. Sein Reich unterstand einer komplexen Bürokratie, die jedoch so abhängig von ihm war, dass das ganze System zusammenbrach, als der Spa Inca in den 1530er-Jahren den Spaniern in die Hände fiel. Durch ein Netz von meist gepflasterten Strassen waren die Provinzen mit der Hauptstadt Cusco
verbunden. Die Inka kannten weder Pferde noch das Rad, daher wurden Botschaften durch Läufer übermittelt und als Packtiere dienten Lamas. Die Inka hatten auch kein entwickeltes Schriftsystem. Die benutzten die quipus (farbige, verknotete Fäden), um Steuern zu erheben, das Vieh zu zählen oder einfache Nachrichten mitzuteilen. Die grossen Tempel der Inka waren häufig dem Sonnengott Inti geweiht. Coricancha, der zentrale Sonnentempel in Cusco, stellte die bedeutendste Anlage dar, in der die spanischen Eroberer einen künstlichen Garten aus Edelmetallen vorfanden mit z.B. Maisstielen aus Silber oder aus Gold
gearbeitete Ähren. (Quelle: Kompakt&Visuell Geschichte, Philip Parker)
Wir verweilen einen Monat auf dem gemütlichen Camping in Cusco. Die Enten und Hühner haben sich schon unter unserem Iveco eingenistet und
legen fleissig ihre Bioeier. Viele Selbstfahrer kommen und gehen, die meisten befahren die Panamerikana mit Stossrichtung Nord-Süd. Wieder mal ist eine gründliche Reinigung unserer Kabine nötig und immer wieder steht ein Waschtag an, vor Hand und mit kaltem Wasser versteht sich. Wir treffen Freunde aus der Schweiz und grillen feine Lama-Filets über dem Feuer. Wir begrüssen dreissig Tage Sonnenschein, tagsüber angenehme Temperaturen von 25°C, in der Nacht schon fast beim Gefrierpunkt. Der Pisco Sour, ein leckeres Getränk aus Traubenschnaps, Limettensaft, Rohrzucker, gestossenem Eis und geschlagenen Eiweiss, leistet uns
zwischendurch Gesellschaft.
Auf dem Markt sind wir binnen kurzem bekannte Gesichter und wir erhalten bald den Einheimischen-Rabatt. Die gedeckte Markthalle ist immer sehr gut besucht. Plötzlich hören wir ein irres Glockengeläut. Ein Junge zieht kräftig an der in der Mitte der Halle
angebrachten Eisenglocke, die wir bis dahin nicht bemerkt haben. Sofort ist eine angespannte Atmosphäre unter der Menge zu spüren und wir können in dem Chaos einige Männer renne sehen. Unsere Marktfrau erklärt uns, dass ein Dieb davonläuft, die Glocke ist zur Warnung. Diese soziale Kontrolle hat mich mächtig beeindruckt.
Der Camping in Cusco befindet sich etwas oberhalb der Altstadt. Zu Fuss können wir in einer halben Stunde in die Stadt spazieren. Die Plaza des Armas ist wunderschön, gesäumt von der Kathedrale und der Iglesia la Compañia. Die Kathedrale wurde zwischen 1559 und 1654 auf den Grundmauern des
Inkapalastes (Inca Wiracocha) erbaut. Im linken Turm hängt die grössten Glocken Südamerikas, die Maria Angola, die anscheinend 40 km weit zu hören ist. Die Kirche la Compañia wurde ebenfalls auf den Grundmauern des Palastes von Huayna Capac erbau. Die Schönheit und Prunk der Kirche führte zu einem Streit mit der Kathedrale, der sich bis zur Fertigstellung der Iglesia la Compañia 1668 hinzog. Wir schlendern immer wieder über Kopfsteinpflaster bestückte Gässchen und Quartiere in Cusco und geniessen die gemütliche Atmosphäre der vergangenen herrlichen Inkastadt.
Unter einem strohbedeckten Unterstand arbeiten zwei Reisende an ihrem Toyota Landcruiser. Sie nehmen den Motor auseinander, putzen alles und setzen ihn mit teilweise neuen Teilen, die sie hier in Cusco erstanden, wieder zusammen. Als der Motor nicht anspringt und mit Benzin nachgeholfen wird, schiesst eine Stichflamme aus dem Motorraum und entflammt das Strohdach in Sekunden schnelle. Dieses frisst sich in Windeseile nach rechts und links und im Nu brennt ein Viertel des Unterstandes. Alle Personen, die sich auf dem Camping befinden, packen Eimer, Becken und grosse Flaschen, die allerdings beim Wasserhahn mit wenig
Druck nur langsam gefüllt werden können, um das Feuer zu löschen. Der nicht mehr brennende Toyota wird aus dem Unterstand gestossen und einige Männer steigen aufs Dach, um die schwelenden Strohhalme runterzureissen. Nach einer Stunde ist das Feuer gelöscht, es räuchert noch hie und da. Die Helfer werden am Abend mit riesigen Pizzen vom Pizza-Service verpflegt und das Dach wird am nächsten Tag wieder gerichtet. Zehn struppige Esel traben auf den Camping, alle mit riesigen Strohbündeln beladen.
Für uns wird es Zeit, die Weiterfahrt nach Chile anzutreten. Bevor wir Cusco endgültig verlassen, füllen wir im Gaswerk unsere Schweizer Flasche. Wir geben dem Arbeiter unseren Argentinien-Adapter mit. Nach 30 Minuten erscheint der Arbeiter wieder mit unserer vollen Gasflasche.
Gefahrene Strecke in Peru mit 1475 km (19.07-23.08.2013)